Wissen als Waffe gegen Korruption

Wissen als Waffe gegen Korruption
Wissen als Waffe gegen Korruption(c) Erwin Wodicka
  • Drucken

Neue Ausbildungen auf Master-Niveau sollen Rückendeckung im Kampf gegen Korruption, Bestechung und wirtschaftlich kriminelle Strukturen geben.

Der immer stärker zutage tretende Korruptionssumpf schädigt nicht nur den Ruf, sondern auch die Wirtschaft der Alpenrepublik. Laut einer im Frühjahr veröffentlichten Studie der Johannes-Kepler-Universität Linz wäre das österreichische Bruttoinlandsprodukt des letzten Jahres ohne Bestechung und Vorteilsannahme um 26 Milliarden Euro höher gewesen. Ein Betrag, mit dem die laufenden Gesundheitsausgaben der Republik fast zur Gänze abgedeckt wären.

Internationales Team

Nicht ohne Ironie können diese Fakten als guter Boden für die Internationale Antikorruptionsakademie in Laxenburg bei Wien (IACA) bezeichnet werden. Mit dem Sommersemester wird dort erstmals das schon länger angekündigte zweijährige Studium „Master in Anti-Corruption Studies“ (MACS) seinen Betrieb aufnehmen. „Nach unserem Wissen ist das Programm weltweit einzigartig, weil es anderswo zwar Spezialisierungen, nirgendwo aber ein komplettes interdisziplinäres Studium im Bereich Antikorruption gibt“, sagt Klaus Kapuy, einer der beiden Programm-Manager.

In das Curriculum fließen Ökonomie und Recht, Politikwissenschaft und Soziologie, Kriminologie, Psychologie, Philosophie und Ethik ein. Wichtige Inputs lieferten internationale Organisationen wie etwa OECD oder UNOCD, die auch einen Teil der Lehrenden stellen. Der internationalen Dimension von Korruption trägt nicht nur Englisch als Unterrichtssprache Rechnung, sondern auch der Umstand, dass Lehrende aus der ganzen Welt mitarbeiten und eines der Module in Malaysien abgehalten wird. Sieben jeweils zwölftägige Module widmen sich der Theorie und Praxis von Korruption in Wirtschaft, Politik, Gesetzgebung und Prävention. „All diesen Bereichen entstammen auch die Bewerber“, sagt Kapuy. „Es sind Experten aus nationalen Antikorruptionsbehörden darunter und Compliance Officers, aber auch Uni-Wissenschaftler oder Juristen, die sich dafür interessieren, wie es aus psychologischer Sicht zu korruptem Verhalten kommt.“ Laut Projektkoordinatorin Monika Stumpf-Hulsrøj haben sich Bewerber aus 38 Staaten gemeldet. „Außer Südamerika sind alle Kontinente vertreten.“ Das erste Modul des zweijährigen Masterstudiums beginnt am 16.Februar, neue Bewerber können allerdings erst beim nächsten Durchgang 2013 starten.

Wirtschaftskriminalität und Recht

Vom Bewusstsein der österreichischen Justiz, bei der gerichtlichen Verfolgung von Wirtschaftsverbrechen effizienter und schneller werden zu müssen, zeugt auch der neue Masterstudiengang „Wirtschaftskriminalität und Recht“, der vor wenigen Wochen erstmals an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) gestartet ist. Richter und Staatsanwälte, die im Wirtschaftsstrafrecht tätig sind, sollen hier in einem für sie maßgeschneiderten Studium das Rüstzeug erhalten, um große Wirtschaftsfälle schneller und kompetenter abwickeln zu können. „Wenn Staatsanwälte mit Wirtschaftsanwälten zu tun haben, herrscht wissensmäßig oft kein Gleichgewicht“, sagt Astrid Kleinhanns-Rollé, Managing Director der WU Executive Academy. Durch das knapp zweijährige Masterstudium sollten die Juristen vor allem ökonomisch aufgerüstet werden. Die Hälfte der 14 zu absolvierenden Module ist betriebswirtschaftlichen Themen gewidmet, z.B. Rechnungswesen oder Jahresabschlusserstellung, aber auch den Finanzmärkten und Instrumenten, den Themen Risikoabschätzung, Banken- und Kapitalwirtschaft, IT und neuen Medien. Die zweite Hälfte dient der juristischen Spezialisierung in wirtschaftsrelevanten Bereichen, etwa dem Gesellschafts- und Stiftungsrecht, dem Insolvenzrecht, Banken-, Vertrags- und Kapitalmarktrecht, Steuerrecht, Verfahrensrecht und natürlich dem Wirtschaftsstrafrecht. „Die WU hat sich schon längst an der Schnittstelle von Recht und Wirtschaft positioniert, durch die Schaffung einer eigenen juridischen Fakultät, aber auch im Executive-Bereich durch die Lehrgänge zum Master of Legal Studies für Wirtschaftsleute und zum Master of Business Law für Juristen“, sagt Kleinhanns-Rollé. So habe man auch bei dem neuen Masterlehrgang für Richter und Staatsanwälte die Möglichkeit, auf genügend hauseigene Fachleute zurückzugreifen, die selbst als Sachverständige und Experten in Fälle eingebunden seien und während des Studienganges vor allem in Fallstudien viel von ihrem Know-how weitergeben könnten.

Die Ausbildung wird den Teilnehmern bis auf einen Selbstkostenbeitrag durch das Justizministerium finanziert. Nach der Bekanntmachung an den Oberlandesgerichten und Oberstaatsanwaltschaften sowie den maßgeblichen Abteilungen des Ministeriums habe man „sensationelle Rückmeldungen“ erhalten, sagt Astrid Kleinhanns. Eine Ausweitung des Angebots sei daher in Erwägung.

Cyber Crime

Ebenso brandneu und zudem auch für Privatpersonen offen ist der Masterlehrgang „Wirtschaftskriminalität & Cyber Crime“, der im Oktober erstmals an der Fachhochschule Wiener Neustadt (FHWN) gestartet ist. Kernzielgruppe des Lehrgangs sind Kriminal- und Finanzermittler, die sich mit Großverfahren in Fällen von Wirtschaftskriminalität und Cyber Crime beschäftigen. Im derzeit laufenden ersten Durchgang rekrutiert sich diese Gruppe von Teilnehmern großteils aus dem Innen- und Finanzministerium. „Nachdem die Kooperationspartner Innen- und Finanzministerium bisher in diesem Bereich auf interne, ressortspezifische Ausbildungen setzten, werden mit dem Master nun neue Wege in der Weiterbildung beschritten“, sagt Studiengangsleiterin Ireen Christine Winter. Zur Zielgruppe außerhalb dieser beiden Ressorts gehören insbesondere Privatpersonen und Mitarbeiter von Unternehmen mit einem wirtschafts- oder finanzberatenden Hintergrund sowie Personen, die im Compliance- oder IT-Bereich tätig sind. Die Auswahl aller Teilnehmer erfolgt durch die Fachhochschule. Wie viel IT-Vorkennntnisse braucht es, um diesen Lehrgang absolvieren zu können? „Eine spezielle IT-Ausbildung wird nicht vorausgesetzt. Im Curriculum werden aber technische Teilgebiete wie Datenanalyse, IT-Forensik oder Systemsoftware gelehrt“, sagt Ella Wimmer, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Studiengang. Vorausgesetzt werde jedoch ein Grundverständnis und Interesse an den gelehrten Teilgebieten, nämlich Recht, Wirtschaft, IT und Technik sowie operativem Handeln.

Der Lehrgang „Wirtschaftskriminalität & Cyber Crime“ ist an der FHWN in der Fakultät „Sicherheit“ angesiedelt, die schon seit Jahren in Kooperation mit dem Innenministerium Ausbildungen im Sicherheitsbereich anbietet, so zum Beispiel den Lehrgang „Polizeiliches Lehren“, den Bachelorstudiengang „Polizeiliche Führung“ und den Masterstudiengang „Strategisches Sicherheitsmanagement“. Aus diesem Grund verfügt die FH laut Wimmer über einen großen Pool von Fachleuten im Sicherheits-, Rechts-, Wirtschafts- und IT-Bereich. Der berufsbegleitende Lehrgang ist in Modulen organisiert und dauert drei Semester. Die Absolventen schließen mit dem Grad eines „Master of Science in Business & Cyber Crime Control“ ab.

Auf einen Blick

„Master in Anti-Corruption Studies“ (MACS), Internationale Antikorruptionsakademie (IACA), www.iaca.int

Masterstudiengang „Wirtschaftskriminalität und Recht“,WUExecutive Academy, (kein offenes Programm), www.wu-wien.ac.at

Masterlehrgang „Wirtschaftskriminalität & Cyber Crime“, Fachhochschule Wiener Neustadt (FHWN), www.fhwn.ac.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.