Selbstmanagement: Probier's mal mit Gelassenheit

Probier's mal mit Gelassenheit
Probier's mal mit Gelassenheit(c) Erwin Wodicka
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Ein Hernstein-Report über Ziele und Möglichkeiten, sich selbst – und dadurch andere – gut zu leiten. Ließe sich mit besserem Selbstmanagement mehr Gelassenheit erreichen und die Produktivität erhöhen?

Der nächste Termin steht an, der Computer streikt, es kratzt schon seit Tagen im Hals, ein Kunde will abspringen, ein Mitarbeiterkonflikt muss schnellstens gelöst werden und bis morgen muss das neue Konzept fertig sein – der ganz normale Wahnsinn. Oder doch nicht? Ließe sich mit besserem Selbstmanagement mehr Gelassenheit erreichen und die Produktivität erhöhen? Und wie könnte gutes Selbstmanagement aussehen?

Steigender Ergebnisdruck

Diesen Fragen ging der für heuer letzte Report des Hernstein-Management-Institutes nach, der von der OGM (Österreichische Gesellschaft für Marketing) durchgeführt wurde. Befragt wurden wieder je 100 Führungskräfte, Manager, Abteilungs- und Projektleiter aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. Dabei wurde klar, dass rund 51Prozent aller Befragten die Bedeutung von Selbstmanagement für die erfolgreiche Bewältigung der Führungsaufgaben „sehr hoch“ einschätzen, 44 Prozent als „eher hoch“. Und es wurde deutlich, „dass unter dem Begriff längst nicht mehr nur perfektioniertes Zeitmanagement verstanden wird“, so Katharina Lichtmannegger, Leiterin des Hernstein-Institutes. „Ich bin positiv überrascht, wie weit der Begriff mittlerweile gefasst wird.“ Rund 88 Prozent gaben an, dass vor allem der steigende Ergebnisdruck besseres Selbstmanagement notwendig mache, 80 Prozent nannten die zunehmende Komplexität der Aufgaben als Hauptgrund. Weitere Punkte waren die Notwendigkeit, viele Widersprüche zu managen (71 Prozent) und die steigende Unplanbarkeit (67 Prozent). Die beiden letzten Aspekte wurden in Unternehmen mit einer Mitarbeiterzahl zwischen 100 und 249 als besonders stark wachsende Herausforderungen empfunden – weit mehr als in Betrieben mit über 1000 Mitarbeitern. „Diese mussten sich schon seit Längerem damit befassen, nun gilt das auch für die mittleren und kleinen Betriebe“, erklärt Lichtmannegger.

Lösungen statt Probleme

Wie man sich für all diese Anforderungen fit machen kann? Welche Aspekte sind für geglücktes Selbstmanagement relevant? „Den Fokus auf die Lösung zu richten und nicht auf das Problem“, halten knapp 32 Prozent der Befragten für die Hauptsache, 22 Prozent nannten „das Erreichen bestimmter Ziele“ als wichtigstes Kriterium. „Mit der Herangehensweise ,So ein schönes Problem, das schauen wir uns jetzt aber ganz genau an' kommt man bekanntlich nicht weit“, so Lichtmannegger. „Man kann sich damit zwar herrlich beschäftigen, doch heraus kommt nur eine neues Problem: Zeitmangel für die eigentliche Lösungssuche.“ Die wichtige Ressource Zeit zielorientiert zu nutzen, nannten 16 Prozent als relevanten Aspekt; die eigenen Kräfte wirkungsvoll zu nutzen und die eigenen Stärken und Potenziale zu erkennen, wurden jeweils zu rund zwölf Prozent genannt. Die Überprüfung der eigenen Verhaltensmuster hielten gute vier Prozent für ein wichtiges Kriterium zu erfolgreichem Selbstmanagement. Für Lichtmannegger „eine etwas enttäuschende Einschätzung. Hier gibt es sichtlich noch einiges an Potenzial, das vielen Managern gar nicht bewusst ist.“

Denn blockierende oder zeitverschwenderische Verhaltensmuster werden oft als so „normal“ angesehen, dass sie gar nicht groß auffallen – und der angestrebten Gelassenheit wenig Chance lassen. Etwa die Angewohnheit, sich bei der laufenden Beantwortung von eingehenden E-Mails zu verzetteln, statt dies blockweise abzuarbeiten und in der Zwischenzeit andere Dinge zu erledigen. „Nur wer sich mit seinem eigenen Verhalten auseinandersetzt, kann es ändern“, so Lichtmannegger. „Das ist natürlich nicht immer angenehm, denn Selbstreflexion kann nur dann funktionieren, wenn sie wirklich kritisch ist.“

Lernen von Kollegen

Vielleicht aus diesem Grund nannten 36Prozent der Befragten ein Coaching als zielführendste Maßnahme zur Weiterentwicklung im Selbstmanagement – mit professioneller Begleitung sinkt die Möglichkeit zur gewollten oder ungewollten Selbsttäuschung um einiges. Den Austausch mit Kollegen fanden 34 Prozent unverzichtbar, zwölf Prozent gaben an, durch Impulse in Trainings weiterzukommen. Nur zehn Prozent sahen in der Beobachtung anderer – und deren Feedback – einen wesentlichen Punkt.

Fitness schlägt Faulsein

Um sich selbst besser managen zu können, setzten die meisten Befragten (66 Prozent) auf Sport und Bewegung, gefolgt von Regenerationszeiten (47 Prozent), einem jährlichen Gesundheitscheck (34 Prozent) und dem bewussten Auseinandersetzen mit der eigenen Psyche (30 Prozent, siehe auch Grafik). Lichtmannegger: „Ich finde es beeindruckend, dass sich doch ein Drittel über ihr eigenes Empfinden und den Umgang damit auseinandersetzt, vor allem die deutschen Manager. Interessant ist aber auch, dass sich gerade die Österreicher mit den Regenerationszeiten noch schwer zu tun scheinen.“ Auch bei den regelmäßigen Techniken zur Entspannung und mentalen Stärkung zeigen sich die heimischen Befragten (noch) nicht so interessiert.

Insgesamt zeigten sich 25 Prozent aller befragten Manager „sehr zufrieden“ mit ihrem Selbstmanagement, 70 Prozent als „eher zufrieden“. „Das scheint auf den ersten Blick kein großer Unterschied zu sein“, so Lichtmannegger. „Doch genau zwischen ,eh ok‘ und ,einwandfrei‘ liegen mehr Ressourcen, als man vermuten könnte.“

Selbst ist der Manager

Die vom OGM (Österreichische Gesellschaft für Marketing) im Auftrag des Hernstein-Instituts durchgeführte Reportserie „Spannungsfeld Führung“ widmet sich aktuell dem Selbstmanagement in der Führungsetage. Der Begriff hat sich aus dem Zeitmanagement weiterentwickelt und umfasst heute Aspekte wie Lösungsorientierung, Zielbestimmung und -erreichung oder den sinnvollen Einsatz der Kräfte und Potenziale.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.hernstein.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2012)

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