Bildungsteilzeit: Weniger arbeiten, mehr lernen

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Neue Karenzmodelle sollen die Weiterbildungschancen für Klein- und Mittelverdiener erhöhen. Bei allen Formen wird der Leistungsnachweis verpflichtend.

Wer beruflich vorankommen und die Karriereleiter emporklettern will, bildet sich weiter – sofern neben dem nötigen Kleingeld auch genügend Zeit vorhanden ist. Als eine Möglichkeit, mit dem Nachholen von Schul- und Studienabschlüssen oder Fremdsprachenschulungen voranzukommen, dient aktuell die Inanspruchnahme der Bildungskarenz. Sie kann zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber innerhalb eines Zeitraumes von insgesamt vier Jahren im Gesamtausmaß von maximal einem Jahr vereinbart werden. Während dieser Zeit erhält die karenzierte Person vom Arbeitsmarktservice AMS Weiterbildungsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes, mindestens jedoch 14,53 Euro täglich.

20 Stunden arbeiten ...

Geht es nach den Plänen der Bundesregierung und der Sozialpartner, soll ab 2013 zusätzlich zur Bildungskarenz das Modell der sogenannten Bildungsteilzeit angeboten werden. Das Motto lautet: Gleichzeitig arbeiten und lernen. Arbeitnehmer können demnach in Vereinbarung mit Arbeitgebern ihre Arbeitszeit um entweder ein Viertel oder die Hälfte reduzieren. Bei der Halbierung der Arbeitszeit winken 442 Euro pro Monat an Teilzeitweiterbildungsgeld, bei der Reduzierung um ein Viertel 221 Euro.

„Das Arbeitsverhältnis muss dabei mindestens schon sechs Monate angedauert haben. Dazu muss eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über Dauer und Ausmaß der Arbeitszeit getroffen werden. Die Arbeitszeit darf zudem nicht unter zehn Stunden pro Woche und die Geringfügigkeitsgrenze sinken. Die Mindestdauer der Bildungsteilzeit beträgt vier Monate, die Höchstdauer zwei Jahre“, erläutert Rudolf Hundstorfer, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Weitere geplante Details zum neuen Modell: Das Weiterbildungsgeld muss vor Beginn der Bildungsteilzeit durch das AMS genehmigt werden und die Bildungsteilzeit darf erst bei positivem Bescheid des AMS beginnen. Der Abfertigungsanspruch (Abfertigung alt und neu) auf Basis der bisherigen Vollzeitbeschäftigung bleibt gesichert. Bei Betrieben bis zu 50 Arbeitnehmern können maximal vier Personen gleichzeitig in Bildungsteilzeit sein. Bei Betrieben mit mehr als 50 Arbeitnehmern dürfen sich nicht mehr als acht Prozent der gesamten Belegschaft in Bildungsteilzeit befinden.

„Bessere Qualifikation bedeutet bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die Neuregelungen können einen Beitrag zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit und zur Verringerung des Fachkräftemangels leisten. Höhere Qualifikationen führen zudem zu höheren Einkommen“, erwartet sich Elisabeth Kern vom Ministeriumskabinett von der Bildungsteilzeit positive Effekte. Für den Staat bedeute dies weniger Kosten für Arbeitslosigkeit und höhere Lohnsteuereinnahmen. Für Unternehmen soll bei schwächerer Auftragslage durch die Möglichkeit, weiterbildungswillige Mitarbeiter zu halten, eine Alternative zur Kündigung angeboten werden. Kritikern, die meinen, dass bei der Bildungsteilzeit Kosten vom AMS auf den Arbeitgeber umgewälzt werden, entgegnet Kern: „Die Bildungsteilzeit ergänzt das System der Bildungskarenz und bietet für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer die Möglichkeit der Vereinbarkeit von Ausbildung und Beschäftigung. Bildungsteilzeit kostet den Arbeitgeber nichts – die Kritik der Kostenüberwälzung ist also Unsinn.“

... 442 Euro Weiterbildungsgeld

Positiv beurteilt werden die Pläne rund um das neue Modell auch beim AMS, das von einem „starken Signal für die Bildung“ spricht. „Wie Evaluierungen zur Bildungskarenz gezeigt haben, wird diese vor allem von Jüngeren und Höherqualifizierten genutzt. Mit der neuen Bildungsteilzeit könnten hingegen auch Niedrigqualifizierte angesprochen werden, weil dieses Modell nur mit einem geringen finanziellen Verlust einhergeht“, sagt AMS Österreich Vorstand Johannes Kopf und erläutert seine Annahme mit einem Zahlenbeispiel. „Wenn jemand rund 1400 Euro netto verdient und in Bildungskarenz geht, bekommt er vom AMS 750 Euro. Mit diesem Betrag ein Jahr lang zu überleben, kann sich im Grunde nur leisten, wer Geld auf der Seite oder einen ebenfalls arbeitenden Ehepartner hat. Beim Modell der Bildungsteilzeit und einer angenommenen Halbierung der Arbeitszeit reduziert sich das Gehalt auf 1000 Euro brutto und 850 Euro netto, womit keine Steuern zu zahlen sind. Rechnet man nun die 442 Euro an Teilzeitweiterbildungsgeld hinzu, ergeben sich netto 1290 Euro. Im Vergleich zum Vollzeitnettogeld von 1400 Euro kommt es also zu einer finanziellen Einbuße von nur 110 Euro.“ Mit dem Modell der Bildungsteilzeit könnten somit beispielsweise Hilfsarbeiter eine intensive Facharbeiterausbildung oder Heimhelfer eine Weiterbildung im Feld der beratenden und sozialen Berufe absolvieren. „Die Arbeitslosenrate bei Personen ohne Lehrabschluss liegt bei 18 Prozent, die Rate mit Lehrabschluss bei sechs Prozent. Allein an diesen Zahlen erkennt man, wie wichtig es ist, niedrigqualifizierten Arbeitskräften eine Chance auf Weiterbildung einzuräumen“, so Kopf, der sich vom neuen Modell relativ schnell hohe Nutzerzahlen erwartet. „Ich halte die Bildungsteilzeit für noch attraktiver als die Bildungskarenz, die aktuell von 8000 Personen in Anspruch genommen wird.“ Dass für die Bezieher der Stresspegel steigt – vor allem, wenn es neben Arbeit und Weiterbildung noch eine Familie gibt – sollte nicht vergessen werden. Für jene, die schon bisher berufsbegleitend gelernt haben, könnte sich die Situation nun allerdings wenigstens finanziell verbessern.

Mindestens ein halbes Jahr soll es laut AMS noch dauern, bis die Bildungsteilzeit auf Basis eines noch im Detail auszuarbeitenden Gesetzesentwurfs tatsächlich umgesetzt werden kann. Bis dorthin soll auch die weiter bestehende Bildungskarenz Änderungen erfahren. Der Plan, der darauf abzielt, missbräuchliche Inanspruchnahmen einzudämmen, sieht vor, künftig eine Beschäftigung über der Geringfügigkeitsgrenze vorweisen zu müssen, um in Bildungskarenz gehen zu können. Zudem sollen jene, die in Bildungskarenz ein Studium absolvieren, in Zukunft nach einem Semester einen Leistungsnachweis – ähnlich wie beim Bezug der Familienbeihilfe – erbringen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2012)

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