Elementarpädagogik: Keine Frage der Ideologie

Neun Kinder auf eine Betreuerin: In vielen Kindergärten reine Wunschvorstellung.
Neun Kinder auf eine Betreuerin: In vielen Kindergärten reine Wunschvorstellung.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Keine Mentoren für junge Kindergartenpädagogen? Keine Forschung, kein Netzwerk, keine Anerkennung? Neue Lehrgänge sollen Bewegung in die Kinderbetreuung bringen.

Julian ist hyperaktiv, Pia verträgt keine Milch, Murat weint schnell, Leopold boxt die Kleineren und Yasmin versteht kein Wort Deutsch: eine ganz normale Kindergruppe – bis auf die Größe. In Wien ist für 25 Kinder (ab drei Jahren) ein Pädagoge vorgesehen – und eine halbe Hilfskraft, in Krippen (bis zu drei Jahren) kümmern sich ein Pädagoge und ein Helfer um 15 Kinder. In den Ländern gelten unterschiedliche, meist ähnliche Vorschriften, die zum Teil aus vergangenen Jahrzehnten stammen. Die Bedingungen haben sich in den letzten Jahren aber sehr verändert. „Die Kinder werden immer jünger, sie bleiben länger in den Einrichtungen, sie haben häufiger Allergien und Verhaltensauffälligkeiten oder sind Einzelkinder, die den Aufbau von sozialem Kontakt zu Kindern oder die Wahrnehmung von Emotionen erst lernen müssen – etwa, wie man Mimik deutet“, so Michaela Luckmann, Projektleiterin des neuen Lehrgangs Elementarpädagogik der Uni Salzburg.

Hier adäquat zu reagieren, wäre also ein Gebot der Stunde – schließlich ist bekannt, dass die frühe Kindheit sensibles Terrain ist in Bezug auf späteres Glück und Erfolg. Doch die Rahmenbedingungen lassen wenig Spielraum, wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen anderer Länder umzusetzen. Stattdessen tun sich ob der unbefriedigenden Situation immer wieder alte Grabenkämpfe um Betreuung und Elternschaft auf. Luckmann: „Es ist keine Frage der Ideologie, dass Kinder von guter Betreuung profitieren. Ab welchem Alter und wie lange – das hängt von der Persönlichkeit des Kindes, der jeweiligen Familiensituation und den Ressourcen der Einrichtungen ab. Aber das ändert nichts daran – die beste Möglichkeit, den gesellschaftlichen Veränderungen zu begegnen, sind gute Pädagogen, die genug Know-how, Zeit und Geld haben, Familienbetreuung professionell zu ergänzen“ – und damit indirekt die Wirtschaft zu stärken.

Vernetzung & Anerkennung

Dass Bildung eine Lösung zur Überwindung verfahrener Situationen sein kann, ist nicht neu. „Bildung ist wichtig, vor allem, wenn es gilt, Vorurteile abzubauen. Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, dass die Zelle anständig möbliert ist,“ meinte schon Sir Peter Ustinov. Wunder darf man sich freilich keine erwarten, auch wenn sich Arthur Mettinger als Rektor der FH Campus Wien sehr freut, mit dem neuen Bachelor „Sozialmanagement in der Elementarpädagogik“ einen „Beitrag zu diesem gesellschaftlich so wichtigen Thema leisten zu können“. Der dreijährige Bachelor wird ab dem Sommersemester 2014 berufsbegleitend mit 36 Plätzen angeboten, Zielgruppe sind Kindergarten-, Krippen- und Hortleiter, die „ihre Kompetenzen für die verschiedenen Settings der Elementarpädagogik vertiefen und wissenschaftlich reflektieren wollen“, so Mettinger. Auch das Management ist ein wichtiger Schwerpunkt: Personal- und NPO-Management, Finanzplanung, BWL, Recht und Change Management Skills. „Der Bachelor ist kein Ersatz für die Bakip oder deren akademische Nachfolgeausbildung im Zuge der PädagogInnenbildung neu“, stellt der Rektor klar. „Wir möchten die Akademisierung von Führungspersonal ermöglichen.“ Und damit soziale Anerkennung ebenso fördern wie internationale Vernetzung.

Mentoren und Stipendien

Auch der neue berufsbegleitende Lehrgang „Master of Arts in Early Childhood Education“ an der Uni Salzburg wird keine Zauberkraft verströmen. „Aber es ist ein Anfang. Wir möchten fachlich neue Erkenntnisse vermitteln, die Persönlichkeitsentwicklung fördern und die Forschung vorantreiben“, so Luckmann. Zielgruppe sind „Mentoren und Multiplikatoren, die in der zukünftigen PädagogInnenbildung neu eine wesentliche Funktion in der Betreuung der neuen Bachelorstudierenden übernehmen können“, so Luckmann. „Denn dass diese fehlen, galt bisher als Argument gegen einen Wandel in der Ausbildung.“ Ein Schwerpunkt des sechssemestrigen Programms ist der Transfer Theorie/Praxis – in beiden Richtungen. Um den berufsbegleitend Studierenden finanziell unter die Arme greifen zu können, werden laufend Sponsoren gesucht – für Forschungsstipendien und -projekte und Masterarbeiten. „Wir nehmen auch konkrete Fragestellungen an, zu denen wir forschen. Es gibt viel zu tun.“ Um es mit dem englischen Sozialwissenschaftler Herbert Spencer zu sagen: „Das große Ziel der Bildung ist nicht Wissen, sondern Handeln.“

Auf einen Blick

Elementarpädagogik befasst sich mit Erziehung, Betreuung und Bildung von Kindern zwischen null und zehn Jahren. Schwerpunkte sind die Arbeit in Kinderkrippen, -gärten und Horten, Frühförderung, Beratung und Familienarbeit, www.bakip.at

•Bachelor „Sozialmanagement in der Elementarpädagogik“, FH Campus Wien, sechs Semester berufsbegleitend, Studiengebühren, www.fh-campuswien.ac.at
•Universitätslehrgang „Master of Arts in Early Childhood Education“, Universität Salzburg, sechs Semester berufsbegleitend, 1490 Euro/Semester, www.virgil.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2013)

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