Fast eine Million Österreicher haben Lese-Probleme

Fast eine Million oesterreicher
Fast eine Million oesterreicher(c) FABRY Clemens
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Das "Erwachsenen-PISA" der OECD wurde zum ersten Mal durchgeführt. Es zeigt, dass Österreich in einem Bereich unter dem Durchschnitt liegt.

Eineinhalb Stunden lang ließen sich 5100 zufällig ausgewählte Österreicher für das so genannte Erwachsenen-PISA testen und befragen. Als Dankeschön erhielten sie einen Einkaufsgutschein im Wert von 50 Euro. Damit war für sie die Sache erledigt. Das Ergebnis der Testung gibt aber der Politik wohl noch einige Arbeit auf. Denn fast eine Million Menschen in Österreich verfügen nur über eine geringe Lesekompetenz. Im Lesen liegen die Österreicher leicht unter dem OECD-Schnitt. Das zeigt die erstmals durchgeführte OECD-Studie "Programme for the International Assessment of Adult Competencies" (PIAAC).

Bei PIAAC handelt es sich um eine Art PISA-Test für Erwachsene, hier Beispielaufgaben zum Lesen und zur Mathematik. Getestet wurden die Kompetenzen von 16- bis 65-Jährigen in den Bereichen Lesen, Alltagsmathematik und Problemlösen im Kontext neuer Technologien, wobei man mit dem Computer arbeiten musste. Der Fokus lag insgesamt auf den Schlüsselkompetenzen, die für Beruf und Alltag relevant sind. Die Statistik Austria führte die PIAAC in Österreich durch. 

Mathematik: Leicht über dem Durchschnitt

Insgesamt schnitten die Österreicher bei PIAAC durchschnittlich ab: Im Lesen erreichten sie einen Mittelwert von 269 Punkten, das ist leicht unter dem OECD-Schnitt. In der Mathematik kamen sie auf einen Mittelwert von 275 und damit leicht über den OECD-Schnitt. Bei PIAAC entspricht ein Unterschied von sieben Punkten einem Bildungsjahr.

Am besten unter den 24 getesteten Staaten schnitten Finnland, Schweden, Norwegen und die Niederlande ab. Diese Länder landeten in allen drei Testbereichen über dem OECD-Durchschnitt. Japan, Belgien (Flandern), Australien, Estland und Dänemark lagen in zwei Bereichen über dem Schnitt, Österreich, Tschechien, die Slowakei, Deutschland und Kanada in einem. In keinem Bereich besser als der OECD-Durchschnitt waren die Testleistungen in Großbritannien (England, Nordirland), Südkorea, Zypern, Frankreich, Italien, Spanien, den USA, Polen und Irland.

Nur sehr wenige lesen ausgesprochen gut

Beim Lesen erreichten 8,4 Prozent der Österreicher die beiden höchsten Kompetenzstufen. Das bedeutet, dass sie in der Lage sind, "sehr komplexe Aufgaben zu lösen, in denen Informationen aus unterschiedlichen, sehr dichten Texten mit widersprüchlicher Information gesucht und zusammengeführt werden müssen". Damit liegt Österreich bei den Top-Lesern signifikant unter dem OECD-Durchschnitt (11,8 Prozent).

Am Ende der Skala sind die Österreicher stärker vertreten: 17,1 Prozent der 16- bis 65-Jährigen verfügen über eine niedrige Lesekompetenz und sind dadurch mit möglichen Benachteiligungen in Beruf und Alltag konfrontiert. Das entspricht dem OECD-Schnitt. Diese Gruppe lässt sich nochmals differenzieren: Bei 1,8 Prozent waren die Lese- und Sprachfähigkeiten zu gering, um überhaupt an PIAAC teilzunehmen. 2,5 Prozent konnten höchstens konkrete einzelne Informationen in kurzen Texten identifizieren, bei ihnen war das Verständnis für Satzstrukturen nur in geringem Ausmaß vorhanden (Stufe unter 1).

12,8 Prozent verstanden zwar kurze, in unterschiedlichen Textformaten (z.B. digital oder gedruckt) mit etwas ablenkender Information und verstanden Satzstrukturen. Allerdings hatten sie Probleme, etwas längere Texte mit widersprüchlicher Information zu verstehen (Stufe 1).

Männer sogar beim Lesen besser als Frauen

Männer schnitten in allen drei Kompetenzbereichen besser als Frauen ab. Im Lesen war der Geschlechterunterschied gering, bei der Alltagsmathematik und beim Problemlösen sehr deutlich. Die besten Ergebnisse erzielte jeweils die Personengruppe um 30 Jahre.

Weitere Ergebnisse: Personen mit höherem Bildungsabschluss erreichten erwartungsgemäß auch ein höheres Kompetenzniveau, Erwerbstätige erzielten bessere Ergebnisse als Arbeitslose und Nicht-Erwerbspersonen.

Beim Problemlösen lagen die Österreich-Werte praktisch genau im Schnitt. Allerdings nahmen 27 Prozent der getesteten Personen nicht Teil, da rudimentäre Computerkenntnisse notwendig waren. In diesem Feld wurden keine Punktewerte erhoben, sondern der Prozentsatz der Personen ausgewiesen, die die beiden höchsten Kompetenzstufen erreichten (Österreich: 32,5 Prozent; OECD: 34 Prozent).

Berufszweige sehr unterschiedlich

Deutliche Unterschiede gibt es zwischen den Erwerbstätigen in den einzelnen Wirtschaftszweigen: Beschäftigte in der Informations- und Kommunikationsbranche sowie Erbringer von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen erzielten die besten Leseleistungen. Unterdurchschnittliche Leistungen zeigten Beschäftigte in der Beherbergung und Gastronomie, Bauern sowie Beschäftigte am Bau, im Handel und im Verkehr. Nach Berufsgruppen geordnet erzielten die akademischen Berufe die besten Leistungen, gefolgt von den Führungskräften, die schlechtesten Werte weisen Hilfsarbeiter auf.

Dienstleistungsberufe sowie Verkäufer, Bediener von Anlagen und Maschinen bzw. Montageberufe und Hilfsarbeitskräfte erzielten auch signifikant schlechtere Leseleistungen im Vergleich mit der jeweiligen Gruppe im OECD-Vergleich. In der Alltagsmathematik waren umgekehrt Personen in akademischen Berufen, Techniker, Bürokräfte und Handwerker wesentlich besser als ihre Berufskollegen in der OECD.

Migranten wiesen unterschiedliche Ergebnisse auf: Jene Einwanderer, deren Erstsprache Deutsch ist (also vor allem Deutsche), schnitten besser ab als in Österreich geborene Personen mit deutscher Erstsprache. Personen mit anderer Erstsprache als Deutsch erzielten dagegen schlechtere Werte - egal, ob sie in Österreich oder im Ausland geboren wurden. Personen mit anderer Erstsprache als der Testsprache erreichten in Österreich im Schnitt 239 Punkte (OECD: 247), Personen mit der Testsprache als Erstsprache 274 Punkte (OECD: 276).

(APA/Red.)

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