Ins Ausland zur Bewährungsprobe

Durch die Welt reisen, Champagner trinken und Small Talk mit Insiderwissen aufwerten – das allein macht noch lange keinen Diplomaten aus. Worauf es ankommt und wo man sich das Know-how dafür holt.

Viele träumen davon, nicht so vielen gelingt es: irgendwann Teil der Verwendungsgruppe A1 oder v1 zu sein. Konkreter: Diplomat. Wer sich auch nur kurz mit diesem Berufsbild befasst hat, weiß, dass es mehr voraussetzt als die Fähigkeit, in illustrer Runde gepflegt Small Talk zu betreiben.

Wobei eine gewisse Extrovertiertheit durchaus kein Nachteil ist, also „sicheres, seriöses Auftreten“ nebst „sehr guter Kommunikationsfähigkeit, interkultureller Kompetenz und Teamfähigkeit“, wie es in den Informationen des Außenministeriums (BMEIA) – des Arbeitgebers der österreichischen Diplomaten – formuliert wird.

Stil plus Studium

In der gekonnten Repräsentation erschöpft sich die diplomatische Tätigkeit freilich nicht. Oder eben doch, wenn darunter etwa auch die Beobachtung sowie Berichterstattung über politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aktivitäten des Empfangsstaates, die Organisation von Vorträgen, Klärung Österreich betreffender Rechtsfragen, Presse- und Entwicklungszusammenarbeit verstanden wird. Das Problem akuter Fadesse ist Diplomaten also weitgehend unbekannt – bereits während ihrer Ausbildung. Basis dieser ist ein Studienabschluss.

Absolventen der Studien Politologie, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie Rechtswissenschaften sind ohne weitere Vorbedingung zum Antritt beim Auswahlverfahren, dem A-Préalable, zugelassen. In allen anderen Fächer ist der Abschluss des Diplomlehrgangs der Diplomatischen Akademie oder eines vergleichbaren Lehrgangs (siehe Infobox) im Ausland notwendig.

Die Diplomatische Akademie, kurz DA, in Wien ist allerdings keine reine Diplomatenausbildungsstätte, wie Direktor Hans Winkler nicht müde wird klarzustellen. Über ein Drittel der Absolventen ist später im privaten Sektor tätig, zahlreiche in akademischen Einrichtungen und internationalen Organisationen. Den Begriff Diplomatie müsse man einfach weiter fassen, sagt Direktor Winkler. „Die Skills und das Wissen, das man für Diplomatie braucht, braucht man ja ebenso in anderen Bereichen.“ Notwendig sei ein Verständnis globaler Zusammenhänge. „Das ist genau, was wir machen: eine breite interdisziplinäre Ausbildung in internationalen Beziehungen.“ Sie beginnt schon mit dem Alltag in der Akademie, deren Studentenschaft heuer zu 70 Prozent nicht aus Österreich, sondern aus 45 verschiedenen Ländern stammt. Das Verhältnis von Frauen und Männern beträgt in diesem Jahr laut Winkler exakt 61 zu 39. Zur Erprobung der im Rahmen der Ausbildung vermittelten „Special Skills“ bieten sich also zahlreiche Gelegenheiten: Public Speaking, Communication, Sprachbeherrschung und vor allem Negotiation Training lassen sich auf interstudentischer Ebene ebenso gut gebrauchen wie auf diplomatischer – im weiteren wie im engeren Sinn. Der einjährige Diplom(aten)lehrgang ist aber tatsächlich eine maßgeschneiderte Vorbereitung auf den Aufnahmetest des Bundesministeriums und beinhaltet, im Gegensatz zum restlichen Lehrangebot, auch intensiven Französischunterricht. Die Überprüfung der Fremdsprachenkenntnisse, nämlich in Englisch und Französisch, ist aus naheliegenden Gründen ein essenzieller Teil des Préalable, schließlich verbringen Diplomaten zwei Drittel ihrer Berufszeit im Ausland. Im ersten, schriftlichen Teil des zweistufigen Auswahlverfahrens werden außerdem Sachkenntnisse in Völkerrecht, (Volks-)Wirtschaft, Kultur und diplomatischer Staatengeschichte abgefragt, am Folgetag verfassen die Prüflinge ein Essay zu einem vorgegebenen Thema. Die punktereichsten unter ihnen dürfen zum mündlichen Teil inklusive kommissioneller Prüfung antreten.

Üben fern der Heimat

Wer dies alles zur höchsten Zufriedenheit der Expertenkommission erledigt hat, ist tatsächlich drinnen im Ministerium und nach nicht allzu langer Zeit auch schon wieder draußen aus Österreich. Meist im zweiten der zwei Jahre dauernden Grundausbildung wird der Diplomat in spe für ein halbes Jahr in eine auswärtige Vertretung entsandt. „Der sogenannte Stage ist im Grunde eine erste Erprobung im Ausland“, sagt Romana Königsbrun, die im BMEIA für Aufnahme und Ausbildung verantwortlich ist. Dieser Stage führt mitunter an Standorte, die nicht unbedingt zu den beruflichen Traumdestinationen gehören. „Da sieht man auch, für sechs Monate ist eigentlich jeder Posten zu verkraften.“

Nach der Rückkehr folgt die Dienstprüfung, und eh man sich's versieht ist man schon A1. Aufgrund der Einsparungen, erklärt Königsbrun, sei aber derzeit völlig unklar, wann sich dieses Prozedere zum nächsten Mal wiederholen wird. Auf Erprobungsbasis steht Interessierten dessen ungeachtet die Möglichkeit eines Verwaltungspraktikums für sechs Monate im In- oder für drei Monate im Ausland offen.

Nicht als Mitglied der erlauchten Verwendungsgruppe zwar, aber die Bezeichnung Diplomatie muss ohnehin viel weiter gefasst werden.

WEITERBILDUNG

Lehrgänge International Relations

•Diplomatische Akademie Wien: www.da-vienna.ac.at

•Collège d'Europe oder College of Europe in Brügge: www.coleurope.eu

•Johns Hopkins School of Advanced International Studies, neben Washington und Nanjing auch in Bologna: www.sais-jhu.edu/graduate-studies/campuses/bologna-italy

•Fletcher School of Law and Diplomacy, Tufts University, Medford, Massachusetts: fletcher.tufts.edu

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2014)

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