„Genderbüros sind zu wenig“

(c) Clemens Fabry
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Rund 40 Prozent der Professoren sind mittlerweile weiblich – in Bulgarien etwa, Portugal, Polen, Rumänien, Slowenien und in den baltischen Staaten.

Rund 40 Prozent der Professoren sind mittlerweile weiblich – in Bulgarien etwa, Portugal, Polen, Rumänien, Slowenien und in den baltischen Staaten. In Österreich liegt der Anteil nach Angaben des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung (BMWF) bei rund 22 Prozent. Es gibt also im internationalen Vergleich Aufholbedarf.

Gesetzlich gendern

Dennoch – die vielleicht mager erscheinenden 22 Prozent sind eine deutliche Steigerung zum letzten Jahrzehnt, und es gibt mittlerweile fünf Rektorinnen. „Es bewegt sich einiges an den heimischen Universitäten. Allerdings in kleinen Schritten“, sagt etwa Sonja Lydtin von der Stabstelle Gender Mainstreaming der Wirtschaftsuniversität Wien (WU).

Daran mitgewirkt hat sicher das Universitätsgesetz 2002. Es sieht, neben einem entsprechenden Rechtsschutzinstrumentarium, Förderinstrumente zum Abbau strukturell bedingter Ungleichgewichte vor, sowie organisationsrechtliche Rahmenbedingungen für die Weiterführung bewährter Einrichtungen, wie der Koordinationsstellen für Frauen- und Geschlechterforschung oder der Kinderbüros. Als ein wichtiges Instrument zur Gleichstellung gilt die Verpflichtung der autonomen Universität, einen Gleichstellungsförderungsplan zu erlassen. Aufgabe der Universität ist es, die gesetzlichen Bestimmungen zur Gleichbehandlung umzusetzen. An der WU wird die Gleichstellung weiblicher Wissenschaftler auf mehreren Ebenen vorangetrieben. Erst kürzlich wurden etwa – zum mittlerweile zweiten Mal – fünf Frauenhabilitationsstellen an besonders begabte Wissenschaftlerinnen vergeben. Als einzigartig gilt zudem das hauseigene Institut für Gender und Diversifikation in Organisationen der WU. 2013 lag der Anteil der Professorinnen an der WU bei 20 Prozent.

Etwas besser schnitt mit rund 25 Prozent die Universität Wien ab. „Das Argument, dass der hohe Anteil an Masterstudien- und Doktoratsabsolventinnen sich über die Zeit automatisch in einer höheren Zahl an Professorinnen durchschlagen wird, gilt nicht“, sagt Sylwia Bukowska, Leiterin Gleichstellung und Diversität an der Abteilung für Personalwesen und Frauenförderung. Die Realität ist tatsächlich ein Phänomen, das als Leaky Pipeline bekannt ist. Es besagt, dass sich der hohe Frauenanteil unter den Studierenden nicht auf den höchsten Karrierestufen der Wissenschaft widerspiegelt. Vielmehr nimmt dieser mit jeder Stufe ab. Während etwa an der Universität Wien 2013 72 Prozent der Master-, Diplom- und Lehramtsabsolventen Frauen waren, lag der Anteil der Doktoratsabsolventinnen bei 48 Prozent, jener der Professorinnen bei 25 Prozent.

Am System arbeiten

Bukowska glaubt, dass manchmal der Eindruck entsteht, dass die Genderarbeit als überholt gesehen wird. Für sie reicht es jedenfalls nicht aus, dass an den Universitäten an einzelnen Stellen für die Gleichbehandlung von Frauen gearbeitet wird. „Vielmehr müssen alle, die in universitäre Entscheidungsprozesse eingebunden sind, allen voran Personen auf verschiedenen Leitungsebenen, das Bewusstsein mitbringen, die Entscheidungen diskriminierungsfrei zu gestalten“, sagt sie. Nachsatz der Expertin: „Infrastruktur und Ressourcen für themenspezifische Einrichtungen wie Genderbüros allein reichen nicht aus.“

An den Fachhochschulen ist das Thema Frauenförderung und Gleichstellung gesetzlich nicht so genau geregelt wie an den Universitäten. Laut Fachhochschulkonferenz liegen derzeit keine aktuellen Zahlen zu FH-Professorinnen vor. 2011/12 waren jedenfalls 664 von 1697 hauptberuflich Lehrenden an den FH weiblich. Doch jede Fachhochschule hat eigene Initiativen und Programme, der Arbeitskreis Gender Mainstreaming and Diversity Management unterstützt sie dabei.

In dieser Hinsicht tut sich die Fachhochschule Campus Wien besonders hervor. Wie Ursula Weilenmann von der Abteilung Gender and Diversity Management erklärt, wurde 2011 die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Initiative zur Wertschätzung gegenüber allen Mitgliedern der Gesellschaft – und zwar nicht nur, was das Geschlecht betrifft. „Wir versuchen, eine Kultur der Vielfalt zu leben“, so Weilenmann.

Der gute Mix macht's

Die nicht akademische Weiterbildung ist sehr weiblich besetzt: Rund 70 Prozent der Lehrenden sind Frauen. Doch auch hier wird die Zahl traditionell geringer, je höher die hierarchische Ebene ist. Valerie Höllinger, Geschäftsführerin des BFI Wien, meint dazu: „Viele Genderhürden liegen in der Gesellschaft, aber fast noch mehr in der Organisation.“ So zeigt das Gleitzeitmodell beim BFI Wirkung, ebenso die Möglichkeit, Führungsfunktionen in Teilzeit zu tätigen. Wichtig seien jedoch klare Pläne und Regelungen. „Teilzeit ist sicher der größte Hebel, in Verbindung mit Teleworking. Doch nur, wenn etwa Verfügbarkeit und Erreichbarkeit ihre klaren Grenzen haben.“ Am BFI Wien ist man stolz auf die 50/50 in der Geschäftsführung. Höllinger: „Quote allein ist nichts, der Mix muss passen.“

UNI WIEN: FÜHRUNGEN

117 Jahre Geschichte: An der 1365 gegründeten Universität Wien wurden Frauen 1897 zum Studium zugelassen. Im gleichen Jahr erreichte Gabriele Possanner die Nostrifizierung ihres in Zürich erworbenen Medizindiploms. Aktuell sind über 63 Prozent der Studierenden und rund 42 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter Frauen. Bei den Professoren liegt der Anteil bei 25 Prozent.

Doch unter den 154 Denkmälern herausragender Persönlichkeiten im Arkadenhof des Hauptgebäudes findet sich immer nur noch eine Frau: Marie von Ebner-Eschenbach, die 1900 als erste Frau das Ehrendoktorat der Universität Wien erhalten hat. Der Rundgang im Hauptgebäude am Ring endet beim Elise-Richter-Saal, der 2003 im Gedenken an die erste weibliche Dozentin umbenannt wurde.

Termine: Sa, 8. März, zehn, zwölf, 14 und 16 Uhr, Fr, 6. Juni, 14 und 16 Uhr.

Web:http://event.univie.ac.at/fuehrungen/gefuehrte-fuehrungen

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2014)

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