Planen, entwerfen, nebenbei Kipferl backen

Plan fuer ein neuen Wohnhauses
Plan fuer ein neuen Wohnhauses (c) Erwin Wodicka - BilderBox.com
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Das klassische Berufsbild des Architekten ist laut aktueller Studie heute ein Minderheitenprogramm, Dienstleistungen im Kreativbereich ergänzen das Angebot. Ein Umstand, der auch im Studium zu berücksichtigen ist.

Klassische Architekten sind inzwischen die Minderheit. Das geht aus der Studie „Berufsfeld Architektur 2.0“ hervor, die Oliver Schürer, Wissenschaftler im Fachbereich Architekturtheorie der TU Wien, kürzlich präsentierte. Die Studie untersuchte über zehn Jahre den Alltag in der Branche. Das herkömmliche Berufsbild des Architekten sieht Schürer so: „Studium mit viel Praxiszeit, nach Abschluss Anstellung in einem Architekturbüro; mit der Praxis entweder Ziviltechnikerprüfung und in Folge Selbstständigkeit oder Anstellung als Büroleitung. Jung war man bis 40, dann hatte man die Erfahrung gesammelt, die akzeptiert wurde, um selbstständig Architektur zu machen.“ Diese klassische Laufbahn habe sich gewandelt: „Heute haben die Studierenden wenig Zeit, neben dem Studium zu arbeiten. Nach Abschluss eine Anstellung zu bekommen, ist extrem schwierig. Das führt zu großen Problemen, überhaupt Praxiszeit für die Ziviltechnikerprüfung sammeln zu können.“

Neue Marktzugänge

Eine Folge des vermehrten Fehlens der Ziviltechnikerprüfung: Wer diese rechtliche Voraussetzung, das volle Leistungsspektrum eines Architekten anzubieten, nicht erworben hat, kompensiert dies durch das Entwickeln neuer Dienstleistungen, etwa im Kreativbereich. Man spreche daher inzwischen weniger von Architekten als von Architekturschaffenden, so Schürer. Schließlich verdienten nur noch 40 Prozent von diesen ihren Lebensunterhalt mit typischen Architekturleistungen. Bei den Interviews für die Studie sei man etwa auf Architekten, die auch als Skilehrer arbeiten, gestoßen oder auf das Wiener Architekturbüro Backraum, das einerseits Häuser plane und andererseits für seine Kipferln berühmt sei. „Verschiedene Leistungen, die man mit einem Architekturhintergrund anbieten kann, sind nicht nur im Baubereich interessant. Die jüngere Generation hat daher die Kompetenzen ausgeweitet und war sehr findig im Erschließen neuer Marktzugänge.“

Was in der Ausbildung und der Berufsausübung der Karriere zuträglicher ist – eine Mischung aus verschiedenen Tätigkeitsfeldern oder die Konzentration auf klassische Disziplinen – muss jeder Betroffene für sich entscheiden. TU-Professor Christian Kühn, der dieser Tage Österreichs Beitrag bei der Architekturbiennale in Venedig präsentierte, tendiert zum „Mischmodell“. „Ich halte Architektur grundsätzlich für eine abwechslungsreiche Tätigkeit, die schon immer Multitasking erfordert hat. Schon Otto Wagner war Developer und Künstler gleichzeitig“, sagt Kühn. „Die verschiedenen Rollen müssen aber inhaltlich zusammenpassen und einander ergänzen, sonst leidet die Qualität.“

Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis

Ein Schwinden der Qualität der Architektur selbst diagnostiziert Volker Giencke, Leiter der Arbeitsgruppe „Studio 3“ am Institut für Experimentelle Architektur der Uni Innsbruck. „Architektur, die geschieht, folgt fast immer einem bescheidenen Stand der Technik. Sie ist funktionell in den meisten Fällen banal. Die Verwirklichung besonderer Bauten liegt im Promillebereich.“ Auch das Rollenbild des Architekten habe sich gewandelt, vom Primus inter Pares und kunstverständigen Experten zum Generalplaner oder Dienstleister. „Das Baumanagement, die Projektentwicklung spielt nach außen die beherrschende Rolle, dahinter eine Dutzendschar von Planern und Experten, darunter der Architekt.“ Dies schmerze die Idealisten unter den engagierten Architekten, sagt Giencke. Gleichzeitig schaffe es einen neuen Berufstyp, „weg vom selbstständigen, freischaffenden und universalen Architekten hin zum 3-D-Computergrafiker, Fassadengestalter, Raumgestalter und Datenaufbereiter für Zeichnung und Modell. Der Architekt verliert sein Schöpferimage, tauscht das Pathos des Raumschöpfers gegen die Rolle des Behübschers.“ Dementsprechend entferne sich das Architekturstudium immer weiter von der Architektur, die außerhalb der Universitäten praktiziert werde, sagt Giencke, aus dessen Sicht eine Reform der Architekturausbildung dringend notwendig ist. „Die Umklammerung der Architektur als schöpferischem Studium durch ein zu enges akademisches Regelwerk muss gelöst werden.“

An der FH Joanneum sieht man es hingegen als Pflicht, die Kompetenzen zu lehren, die das Berufsbild heute erfordert. „Die Anforderungen an die gestaltete Architektur haben sich wesentlich erweitert. Eine Unmenge an rechtlichen Vorgaben und Normen schränkt den Gestaltungszugang ebenso ein wie Aspekte der Nachhaltigkeit oder Kostenwahrheit“, sagt Wolfgang Schmied, Leiter des Instituts Architektur & Management.

Bereits während des Entwurfs seien sehr viele interdisziplinäre Anforderungen zu erfüllen, vernetztes Arbeiten zähle daher inzwischen neben der Kreativität zu den wesentlichen Qualitäten von Architekten. „Die Managementaufgaben des Architekten vermehren sich zusehends, die Steuerung und Abstimmung von Fachexperten nimmt viel Zeit in Anspruch.“ In der Gestaltung des Studiums reagiere man auf diese Anforderungen. „Als Hochschule der angewandten Wissenschaften legen wir großen Wert auf Praxisorientiertheit. Daher ist die Ausbildung sehr breit angelegt und die Gegenstände des Curriculums sind im Sinne eines projektorientierten Studiums aufeinander abgestimmt!“

INFO AUSBILDUNGEN

Universitäten mit Architekturstudien:

Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz: Architektur (Bachelor/Master)

www.ufg.ac.at

Technische Universität Graz: Architektur (Bachelor/Master), www.tugraz.at

Technische Universität Wien: Architektur (Bachelor/Master/Doktoratsstudium der Technischen Wissenschaften), Building Science and Technology (Master) , www.tuwien.ac.at

Universität für angewandte Kunst Wien: Architektur (Master), www.dieangewandte.at

Akademie der bildenden Künste Wien: Architektur (Bachelor/Master), www.akbild.ac.at

Fachhochschulen mit Architekturausbildung:

Fachhochschule Joanneum in Graz: Architektur und Projektmanagement (Master), www.fh-joanneum.at

Fachhochschule Kärnten: Architektur (Bachelor)

www.fh-kaernten.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2014)

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