Kompetenzen neu definieren

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Non-formale Qualifikation. Viele können in der Praxis mehr als auf dem Papier. Diese Fähigkeiten sollen erfasst und bestätigt werden.

Mangelnde Anerkennung kann der Arbeitsmoral schaden, oft genug aber den beruflichen Aufstieg, den Zugang zu Weiterbildung und zum Arbeitsmarkt überhaupt unmöglich machen. Nämlich dann, wenn vorhandene Kenntnisse und Fähigkeiten nicht als solche anerkannt werden. Das trifft meist auf jene Fertigkeiten zu, die außerhalb des formalen Bildungssystems erworben wurden. Besonders stark trifft das wenig Ausgebildete, auf die sich daher das Projekt Komkom (Kompetenzerweiterung durch Kompetenzerfassung) konzentriert, das am 23.März im Wiener Institut für Wissenschaft und Kunst vorgestellt wurde. Es handelt sich um ein Verfahren zur Sichtbarmachung von Fähigkeiten und Lernfortschritten sogenannter Transitarbeitskräfte, formal gering qualifizierter Personen, die auf befristeten, AMS-geförderten Arbeitsplätzen beschäftigt sind, um später einen leichteren Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu finden.

Bildung oder Beschäftigung?

„In der Wahrnehmung des AMS findet in diesen Sozialen Integrationsunternehmen eigentlich kein Lernen statt. Sie werden eher als Beschäftigungs- und nicht als Ausbildungsplätze verstanden. Das sehen wir anders“, sagt Monika Kastner, Mitglied der Komkom-Initiative und Projektleiterin der Abteilung Erwachsenen- und Berufsbildung an der Universität Klagenfurt. Im Juni wird die Entwicklung des Verfahrens abgeschlossen sein, anschließend soll mit der Pilotierung in den Betrieben begonnen werden– sofern die ewig heikle Finanzierungsfrage geklärt ist. Derzeit arbeitet das Team an einer Software zum einfacheren Ausfüllen des durchaus umfangreichen Bewertungsrasters. Über die Vergabe des Abschlusszertifikats „Technisch-handwerkliche Grundqualifikation“ soll später immer individuell entschieden werden. Ob, wann und wo es vorgelegt wird, das obliege allein den Transitmitarbeitern, sagt Kastner. Man müsse sich von einer Strategie der Zwangsbeglückung entfernen, denn „Bildung soll ein Angebot sein“.

Dieser Forderung würde wohl die Mehrheit der europäischen Bildungsexperten zustimmen, vielleicht ergänzt mit dem Hinweis, dass dieses Angebot auch jenen mit geringerer formaler Vorbildung offenstehen muss. Sie wird daher auch im NQR, dem Nationalen Qualifikationsrahmen, und seinem europäischen Pendant, dem EQR, formuliert. Die beiden Initiativen zielen darauf ab, die Vergleichbarkeit europäischer Bildungsstandards zu verbessern und bei dieser Gelegenheit auch die Durchlässigkeit innerhalb der Ausbildungssysteme zu erhöhen. „Durch eine stärkere Lernergebnisorientierung soll künftig die Anerkennung non-formal und informell erworbener Lernergebnisse und Qualifikationen erleichtert werden“, heißt es im EQR-Zuordnungsbericht von 2011.

Gemeinsame Begrifflichkeiten

Ein ambitioniertes Vorhaben, denn zuerst müsse es gelingen, „gemeinsame Begrifflichkeiten zu finden. Das ist im Hochschulbereich der Bologna-Prozess, im berufsbildenden Bereich der sogenannte Kopenhagen-Prozess“, erklärt Thomas Pfeffer, Mitarbeiter des Departments für Migration und Globalisierung an der Donau-Uni Krems. In seinem Vortrag am 24.März – im Rahmen des siebten Bologna-Tages an der WU Wien – widmete er sich der Anerkennung von Qualifikationen und non-formalen Kompetenzen in Österreich. Allerdings sei bei non-formalem, also organisiertem und zielgerichtetem, und informellem, privatem und ungeplantem, außerschulischen Lernen eher von Validierung die Rede, sagt Pfeffer. Damit enden aber auch schon die eindeutigen Zuordnungen, denn diese Prozesse zu beschreiben und zu messen sei wirklich „nicht einfach, und es dauert auch dementsprechend lang“. Sobald man sich aber auf eine gewisse Nomenklatur geeinigt habe, könne man spezialisierte und außerhalb des Systems erworbene Kompetenzen leichter einbinden. „Das geht eigentlich Hand in Hand. Indem man eine gemeinsame Sprache findet, ist man inhaltlich freier.“

INFORMATIONEN

Links und Events

•Initiative Komkom: www.komkom.at

•Tagung „Chancen eröffnen. Auf dem Weg zur Validierung nicht formalen und informellen Lernens.“ 10.April, Linz: www.inspire-thinking.at.

•Bologna-Prozess in Österreich: wissenschaft.bmwfw.gv.at.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2014)

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