Rhetorik: Gute Antworten auf schlechte Argumente

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Hitzige TV-Diskussionen haben mit Debatten wenig gemeinsam. Hier prallen Emotionen aufeinander, dort sollen sachliche Argumente überzeugen. In Debattierklubs kann man lernen, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Konstruktives Debattieren als eigene Disziplin nahm – in der Neuzeit – seinen Anfang im angloamerikanischen Raum. In deutschsprachigen Ländern kommt das Austauschen von Argumenten um der Debatte willen gerade erst in Schwung, vor allem im akademischen Umfeld. 70 Klubs in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien versammeln sich unter dem Dach des Verbandes der Debattierklubs an Hochschulen. „In der Tat haben die allermeisten Debattierklubs einen universitären Bezug. Jedoch gibt es zunehmend Klubs, die auch viele Berufstätige in ihren Reihen haben oder bereits Schüler ansprechen“, erläutert Vizepräsident Tobias Kube.

In einer Debatte geht es – im Gegensatz zu einer Diskussion – darum, nach formalen Regeln und inhaltlicher Vorbereitung Überzeugungsarbeit zu leisten. „Wichtig ist, dass man Daten und Fakten so präsentiert, dass das Gegenüber auch folgen kann“, sagt Andrea Köck, Begründerin der Rhetorik-Akademie, die an verschiedenen Wifi-Standorten in Österreich beheimatet ist. Und plädiert für Distanz zum Thema: „Betroffenheit steht der Rhetorik immer im Weg. Kommen Emotionen ins Spiel, reagiert unser Gehirn nach einem steinzeitlichen Muster. Sachlichkeit ist dann nicht mehr möglich.“

Kontroversielle Themen

In Österreich gehören dem Verband zwei Debattierklubs an. 2002 trafen sich Jugendliche und Studierende erstmals unter dem Motto „RedeSalz“ in Salzburg. Der dortige Debattierclub (DC) trägt noch immer diesen Namen und trifft sich zu deutsch- und englischsprachigen Debatten einmal wöchentlich. Inzwischen ist er Teil des Netzwerkes namens Akademisches Forum für Außenpolitik (AFA), das in fünf weiteren Landeshauptstädten Debattierklubs ins Leben gerufen hat. In Wien gibt es neben Einstiegsworkshops auf Englisch und Deutsch wöchentliche Trainings- sowie monatliche Publikumsdebatten. Die Themen reichen von der Liberalisierung der Waffengesetze über den verpflichtenden Elternführerschein bis zur Frage, ob Fastfood verboten werden soll.

Der zweite Debattierklub wurde im Wintersemester 2004 von Studenten der Wirtschaftsuniversität Wien als Debattier-kG (kG für „kontroverse Gespräche“) gegründet. Auch hier finden regelmäßige Trainingstermine statt, zu denen Interessierte unverbindlich eingeladen sind. Wer Mitglied werden will, füllt ein Formular aus, zahlt seinen Beitrag und hat dann die Chance, den Debattierklub bei großen, auch internationalen Turnieren zu repräsentieren. Debattieren ist auch eine Wettbewerbsdisziplin. Zur Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft in Berlin im Juni werden etwa 250 Teilnehmer erwartet. Österreichische Klubs schlagen sich gut: „Im internationalen Vergleich hat Österreich in den letzten Jahren einen enormen Sprung nach vorn gemacht. Vor allem der Debattierklub (DK) Wien hat in der jüngeren Vergangenheit einige Erfolge bei internationalen Wettbewerben erringen können. Mit der Ausrichtung der Europameisterschaft im Sommer 2015 unterstreicht der DK diese Entwicklung eindrucksvoll“, erläutert Kube.

Schutz vor Manipulation

Gerade für junge Menschen ist die Fähigkeit des Debattierens von großem Nutzen – auch in puncto Toleranz und Respekt. „Das Debattieren ist eine Kunst, durch die man lernt, andere Menschen klar einzuschätzen und fair mit ihnen zu kommunizieren. Das sind Tugenden, die man nicht früh genug lernen kann“, sagt Nadia Koch, Senior Scientist im Fachbereich Altertumswissenschaften der Universität Salzburg und Expertin für klassische Rhetorik. Wenn es durch Übung besser gelingt, die Gegenseite zu überzeugen, kann man die eigenen Interessen im realen Leben besser durchsetzen. Und lernt, schlechte Argumente als solche zu erkennen: „Das hat zur Folge, dass es dann schwerer wird, einen rhetorisch zu manipulieren und mit fadenscheinigen Gemeinplätzen abspeisen zu wollen“, so Koch.

AUF EINEN BLICK

Verband der Debattierklubs an Hochschulen: In über 70 Klubs in Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz treffen sich regelmäßig Rednerinnen und Redner, um über die verschiedensten Themen aus Recht, Philosophie, Politik, Kunst, Kultur und Gesellschaft zu streiten.

www.vdch.de

www.debattierclub.org

www.debattierklubwien.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2014)

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