Begeisterung für Neues und viel Praxis

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Mit Smartphones und Tablets werden Apps immer wichtiger. Das bringt für Informatiker neue Anforderungen und verstärkte Nachfrage nach Entwicklern, die von den herkömmlichen Studien nur zum Teil abgedeckt werden können.

Bei Apple gibt es rund 800.000, für Android sollen es im Sommer eine Million sein. Im Schnitt hat jeder Smartphone-Besitzer etwa 40 davon geladen. Die Rede ist von Apps. Kaum ein Bereich der Softwareentwicklung verzeichnet ähnliche Wachstumsraten.

Entsprechend groß ist die Nachfrage nach App-Entwicklern. Um diese möglichst rasch zu befriedigen, hat die FH Technikum Wien ein dreisemestriges Short-Cycle-Programm ins Leben gerufen, das im März erstmals gestartet ist. Im Gegensatz zum breiter angelegten Informatikstudium – das ebenfalls an der FH Technikum angeboten wird – ist der Lehrgang App-Development bewusst als fokussierte Berufsausbildung konzipiert, die als solche nicht mit einem Bachelor vergleichbar ist, erklärt Lehrgangsleiter Florian Eckkrammer. Nachdem die Teilnehmer im ersten Semester die Grundlagen des Programmierens erlernen, folgt die Entwicklung eigener Apps sowie im dritten Semester die Spezialisierung auf Plattformen wie Android oder iOS. Weiters stehen Basiskenntnisse in Projektmanagement und Teststrategien auf dem Programm. Zudem erhalten die Studenten unter dem Titel Management von Softwareentwicklung eine Toolbox, um den Kunden die Anforderungen zu entlocken.

Berufsorientierte Ausbildung

„Ein Absolvent eines Informatikstudiums hat sicherlich das Rüstzeug, sich diese Kenntnisse selbst anzueignen“, so Eckkrammer. Vorteil des Short-Cycle-Programms sei die zielgerichtete Ausbildung und die bessere Berufsüberleitungsphase. Neben dem App-Developer wird an der FH Technikum Wien ein Short-Cycle-Programm Web Development angeboten, das so ausgelegt ist, dass es parallel absolviert werden kann, was laut Eckkrammer eine sinnvolle Ergänzung ist. Die Zugangsvoraussetzungen für die Short-Cycle-Programme sind analog jener für ein Bachelorstudium. Auch mussten die Kurzlehrgänge wie jedes FH-Studium eine Akkreditierung durchlaufen. Ein Semester umfasst 20 ECTS-Punkte. Facheinschlägige Vorkenntnisse sind nicht notwendig, jedoch Begeisterung für das Fach und die Bereitschaft, sich auch abseits der Lehrveranstaltungen mit dem Thema zu beschäftigen. Die Studenten kommen je etwa zur Hälfte direkt von der Schule oder sind Quereinsteiger mit Berufserfahrung beziehungsweise einem (abgebrochenen) Studium. Entsprechenden Anfragen folgend wird ab Herbst zusätzlich zum Vollzeitlehrgang eine berufsbegleitende Variante angeboten.

Zu den Jobaussichten künftiger Absolventen gibt es für den kürzlich gestarteten Lehrgang naturgemäß noch keine Erfahrungen. Aufgrund der großen Nachfrage und der engen Kooperation mit Partnern aus der Wirtschaft ist Eckkrammer aber sehr zuversichtlich. Dass die Spezialisierung auf Apps auf lange Sicht problematisch ist, glaubt der Studiengangsleiter nicht. Zum einen, weil – unabhängig vom jeweiligen Betriebssystem – der Trend zu Mobile jedenfalls anhalten wird, zum anderen, weil wegen der geringen Halbwertszeit des Wissens in der IT permanente Weiterbildung für Absolventen aller Informatikausbildungen notwendig ist.

Große Nachfrage

Dass die Nachfrage nach gut ausgebildeten App-Entwicklern, insbesondere für Apples iOS, groß ist, bestätigt Maximilian Nimmervoll, Geschäftsführer von Tailored Media, einem der größten heimischen App-Anbieter. Seiner Meinung nach gibt es zu wenige gut ausgebildete Kräfte – auch weil die herkömmliche Informatikausbildung für die App-Entwicklung zu wenig praxisorientiert sei. Als positives Beispiel nennt er die FH Hagenberg, die aber – ebenso wie die einschlägigen TU-Studien – nicht den gesamten Bedarf abdecken kann. Aus diesem Grund kooperiert Tailored Media neben der HTL Hollabrunn auch mit der FH Technikum Wien und stellt für den neuen Lehrgang Vortragende und Praktikumsplätze zur Verfügung. Als wichtigste Eigenschaft für künftige App-Entwickler nennt auch Nimmervoll die Wissbegier und Lust auf Neues, da sich die Branche sehr rasch ändert.

Gemessen an den kurzlebigen Zyklen der IT kann das Studium Mobile Computing an der FH Hagenberg bereits auf eine lange Tradition zurückblicken. „Unsere Studenten gewinnen regelmäßig App-Developer-Preise“, berichtet Studiengangsleiter Christoph Schaffer. Unter anderem hat auch die bekannte Runtastic-App ihre Wurzeln an der FH Hagenberg. Das Studium Mobile Computing gibt es seit 2003. „Damals gab es noch keine Apps, und man musste jedem erklären, worum es geht“, berichtet Schaffer. Mobile Computing umfasst wesentlich mehr als nur Apps, betont der Experte. So steht in Hagenberg etwa auch Nachrichtentechnik und Sensorik auf dem Lehrplan. Im anschließenden Masterstudium werden verstärkt Themen wie Augmented Reality oder Automotive Computing behandelt. „Heute stehen Apps im Vordergrund, ein Großteil der Absolventen wird App-Entwickler“, so Schaffer. Die Nachfrage seitens der Wirtschaft sei enorm. Absolventen mit wissenschaftlichen Ambitionen können in Kooperation mit der Johannes-Kepler-Universität auch ein Doktoratsstudium anschließen. Wert legt man in Hagenberg – neben einer fundierten Informatikausbildung, die auf Verständnis der Softwarearchitektur abzielt – auf die Vorbereitung für den internationalen Markt. „Mit einer App bin ich global sichtbar“, so Schaffer. Daher wird ein Teil des Bachelor- und das gesamte Masterstudium in englischer Sprache unterrichtet und „Interkulturelle Kompetenzen“ ist Teil des Master-Curriculums.

Auch an der TU-Graz hat das Thema mobile Anwendungen eine lange Tradition. Zwar gibt es keinen eigenen Lehrgang, im Rahmen des Informatikstudiums gibt es aber eine Lehrveranstaltung mit 260 Studierenden, die App-Entwicklung auf allen Plattformen behandelt sowie eine auf iOS spezialisierte Lehrveranstaltung. In den Themenbereichen Usability und Design kooperiert die TU Graz mit der FH Johanneum und nutzt das dort vorhandene Know-how. Zu den zahlreichen Projekten gehört auch die App Pocket Code, mit der auch Laien einfache Apps erstellen können (siehe Kasten).

Als Team Apps entwickeln

Im Rahmen des Informatikstudiums an der TU Graz können Teams von je zehn Studenten die App-Entwicklung durchexerzieren – bis hin zum passenden Auftreten des Teamleiters im Business-Outfit, wie Wolfgang Slany, Leiter des Instituts für Softwaretechnologie, berichtet. „Das Interesse ist in den vergangenen Jahren geradezu explodiert“ so Slany. „Jeder will zumindest Erfahrungen mit Apps haben.“ So erfreut der Experte über den regen Zustrom an Studenten ist, beklagt er auch die dadurch verschlechterte Betreuungssituation. Slany wünscht sich daher – vor allem in Hinblick auf die große Nachfrage aus der Wirtschaft, die Studenten oft noch während des Studiums abwirbt – mehr finanzielle Mittel, unter anderem in Form von Stiftungsprofessuren.

INFORMATION

Catrobat, ein mit dem Staatspreis Multimedia & E-Business prämiertes Projekt der TU Graz, ermöglicht das spielerische Erstellen von Apps. Die entsprechende Android-App Pocket Code wurde in den Google Education Store aufgenommen.

www.catrobat.org

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2014)

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