Superhelden und Puppenspieler

Servus Kasperl
Servus Kasperl(c) ORF
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Wo man mit mathematischen Mitteln Straßenkämpfe analysiert und welche Popkünstler Universitäten eine akademische Auseinandersetzung wert sind.

Der Österreicher studiert eher bodenständig. Während sich im Land der Lieblingsnachbarn und erst recht in dem der unbegrenzten Möglichkeiten die – vorsichtig formuliert – ungewöhnlichsten Studiengänge finden, gehört in der Alpenrepublik schon die Fachrichtung Hundekunde an der Veterinärmedizinischen Universität zu den Exoten. Woran das liegt, könnten vielleicht die Absolventen des Studiengangs Landschaftsarchitektur der bayerischen FH Weihenstephan erklären, deren Wahlmodul zum Thema Feng Shui und Geomantie in der Landschaftsarchitektur im Jahr 2012 für Aufsehen sorgte, als die Studierenden mit Wünschelruten nach störenden Wasseradern suchten. Heute ist das Fach zwar von der Website der FH verschwunden, dafür können die Studierenden sich aber für Wahlmodule wie das Jagdhornblasen oder den Leistungsnachweis Büchsenschießen einschreiben.

An anderen deutschen Universitäten lassen sich nicht nur für den Laien lustig klingende Module studieren, sondern ganze Master mit eher ungewöhnlich anmutenden Fachbereichen absolvieren. So kann sich der interessierte Student an der TU Darmstadt in einem viersemestrigen Studium zum Spezialisten für Körperpflege ausbilden lassen, an der Musikhochschule Detmold werden Blockflötenspieler in vier Semestern zu Mastern of Music.

Akademisch spielen

Großen Bedarf gibt es augenscheinlich auch für akademische Ausbildungen rund um den Spieltrieb des Menschen: So können sich Studenten der Kunsthochschule Halle als Lernrichtung des Bachelorstudiengangs Industriedesign dem Thema Spiel- und Lerndesign widmen, und an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst wird aktuell der Diplomstudiengang Zeitgenössische Puppenspielkunst angeboten, der seinen Absolventen in acht Semestern unter anderem „die Herausbildung der Fähigkeit und Fertigkeit, über Animation von Puppen, Materialien und Objekten sowie durch kreative Anwendung von traditionellen Puppenspieltechniken und -formen zu überzeugenden Figurengestaltungen zu gelangen“ vermittelt. Etwas technischer muten dagegen die Studiengänge Abfall und Altlasten der TU Dresden und der Space Master, der an der Uni Würzburg als Erasmus-Lehrgang angeboten wird und neben 120 ECTS-Punkten auch Fachwissen in Weltraumtechnologie- und -wissenschaft vermittelt, an. Leichter mit Exkursionen werden sich dagegen die Studenten des viersemestrigen Masterstudiums Brauerei-Technologie an der TU Berlin tun, eine mögliche Partner-Uni für Austauschprogramme könnte hier auch die erste Gastro-Universität der Welt sein, das „Baskische Zentrum für Kulinarik“, das 2011 in San Sebastian eröffnet wurde.

Ein wenig weiter weg von daheim müssen angehende Polarforscher studieren, wenn sie ihren Beruf mit entsprechendem Diplom ausüben wollen: Wer es auf dem Gebiet der Arktischen Biologie, Geologie, Geophysik oder Technologie zum Spezialisten bringen will, wird sich vermutlich an der Universität von Spitzbergen zum Polarforscher ausbilden lassen. Zumal die Institution mit zahlreichen Partneruniversitäten in Kanada, Russland und den USA ihre Studierenden fast überall in lehrreiches Eis schicken kann.

Wobei es sich jenseits des Atlantiks auch deutlich gemütlicher studieren lässt, wie zumindest die Themen mancher Kurse an US-Universitäten vermuten lassen. Ein durchaus interessanter Aspekt vor dem Hintergrund der nicht unbedeutenden amerikanischen Studiengebühren, die aber offensichtlich hin und wieder auch gern für Lehrgänge ausgegeben werden, deren anschließender Beitrag zur Sicherung des Lebensunterhaltes sich nicht auf den allerersten Blick erschließt.

Helden der Popkultur

Einer gewissen Beliebtheit darf Studien rund um Figuren und Geschichten der Populärliteratur unterstellt werden, wenn die Universtät Georgetown sich dem Thema Philosophie und Star Trek widmet, die Universität von Texas einen Kurs zur Erlernung der klingonischen Sprache anbietet, an der Universität von Wisconsin die Anhänger des „Herrn der Ringe“ ihre Sprachkenntnisse in Elbisch verfeinern können und die Appalachian State University in North Carolina in einer Veranstaltung der Frage nachgeht, was wäre, „Wenn Harry Potter echt wäre“. Oder man sich akademisch mit der Frage befasst, ob Superman wirklich Stahl verbiegen konnte, wie es die Universität im kalifornischen Irvine in ihrem Seminar über die Wissenschaft der Superhelden tut.

Eine reale Person, die es auf die Vorlesungsverzeichnisse mehrerer Institute gebracht hat, ist Lady Gaga. Ihr Einfluss auf das Geschlecht und die Identität lässt sich an der Universität von Virginia studieren, Lady Gaga und die Soziologie des Ruhms stehen an der Universität von South Carolina auf dem Plan. Andere Popkünstler, die sich auf den Lehrplänen finden, sind Elvis, dem die Universität von Iowa die Vorlesung Elvis als Anthologie widmet, und der verstorbene Rapper Tupac, der der Universität von Washington einen Kurs über die Anziehungskraft seiner Texte wert ist. Last but not least wird auch den Beatles die Ehre eines akademischen Lehrgangs zuteil. In zwölf oder 24 Monaten kann man „The Beatles, Popular Music & Society“ studieren, und zwar stilgerecht in Liverpool. Die 24-monatige Variante ist übrigens berufsbegleitend – die wohl empfehlenswertere Variante für viele der erwähnten Studien.

Und auch Institutionen mit ganz großen Namen scheuen sich nicht, die üblichen Pfade zu verlassen: So bietet das nicht nur bei Nerds legendäre MIT (Massachusetts Institute of Technology) unter anderem Lehrveranstaltungen zu so bodenständigen Themen wie Küchenchemie und Möbelfertigung oder befasst sich mit dem Maskulinen Drama des professionellen Westlings und der Mathematik des Straßenkampfes. (sma)

LEXIKON

Im deutschen Sprachgebrauch werden ausgefallene Studiengänge, Fachbereiche oder auch Spezialisierungen als Orchideenfächer bezeichnet.

Was im Zweifelsfall schöner klingt, als es gemeint ist, denn hergeleitet wird der Begriff von der Orchidee als einer frühen Luxuszierpflanze, die viel Aufwand verlangt, aber keinen praktischen Nutzen bietet.

Allerdings hat sich so manches Studienfach, das sich ursprünglich so titulieren lassen musste, später als durchaus nützlich erwiesen: Nicht zuletzt die Quantenphysik hat sich seit ihren Anfängen als eben solches doch deutlich rehabilitiert.

Das Gegenstück zum Orchideenfach ist im angloamerikanischen Raum der dort sprichwörtliche Lehrgang im „Unterwasserkorbflechten“, der wenig schmeichelhaft für zu leicht wirkende und/oder wertlose Collegefächer im Allgemeinen – und seit den 1950er- Jahren auch für abfällige Bemerkungen über die akademischen Qualifikation von College-Footballspielern im Besonderen – verwendet wird.

Einige Colleges, wie etwas das Reed College in Oregon oder die Universität von Arizona, greifen diesen Begriff aber heute humorvoll als Bezeichnung für ihre Lehrangebote außerhalb der akademischen Anrechenbarkeitauf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2014)

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