Zuerst im Blickfeld, dann vergessen?

OLYMPIA - Vorschau auf die Olympischen Spiele 2008
OLYMPIA - Vorschau auf die Olympischen Spiele 2008(c) GEPA
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Sportstätten zu bauen ist eine ziemliche Herausforderung – und bringt nicht selten mehr Kritik als Lob. Wo man Stadien- und Gerätebau in Österreich lernen kann, und worauf es bei Plan und Ausführung ankommt.

Peking hat ein Vogelnest für 80.000 Menschen, Manaus seit Kurzem einen gigantischen Beton/Strohkorb, und in Shanghai blüht eine Tennismagnolie mit 15.000 Sitzplätzen.

Für Sportstätten mit solchen Ausmaßen bedarf ein gewisser Gestaltungsaufwand meist keiner großen Rechtfertigung, aber „je kleinteiliger die Sportstruktur wird, desto eher ist sie in einer gestaltungsfreien Zone angesiedelt“. So sieht es der Architekt Harald Fux, der mit Christine Diethör das Architekturbüro Raumkunst betreibt und sich auf Sportarchitektur spezialisiert hat. Es sollte längst selbstverständlich sein, sagt er, dass man „die sport- und schutzfunktionellen Eigenschaften solcher Gebäude auch in Ästhetik kleidet“ – was es nicht ist. Besonders bei der Sanierung alter Sportstätten, deren marode Substanz oft von abenteuerlicher, im schlimmsten Fall völlig fehlender Farbgebung ergänzt wird, ist die ästhetische Komponente unterrepräsentiert. Im Hinblick auf die Funktionalität richtet er sich bei der Planung natürlich nach internationalen Richtlinien, doch idealerweise ist der Entwurf auch das Ergebnis von Gesprächen mit den Sportlern selbst, mit Trainern und Sponsoren. Die Erfordernisse an die Gebäude haben sich stark verändert, zumal Sport- vermehrt auch multifunktionale Veranstaltungsstätten geworden sind. „Es ist ein Spezialbereich, der ein großes Wissen, etwa was Fluchtwege und Barrierefreiheit betrifft, und ein Gefühl für Massenströme erfordert. Das ist für die Lehre von großer Bedeutung.“

Wahlfach und Summer School

In den Curricula der österreichischen Hochschulen kommt das noch nicht sehr deutlich zum Ausdruck, wobei etwa an der TU Graz Sportstättenbau im Rahmen der Gebäudelehre selbstverständlich als Thema vorgesehen sei, sagt Andreas Lechner, Professor an der dortigen Fakultät für Architektur. „Eine tatsächliche Spezialisierung darauf gibt es am Institut aber nicht.“ An der Universität Innsbruck herrscht eine ähnliche Situation, wie der Studiendekan der Architekturfakultät, Günther Filz, bestätigt. Es gebe kein Fach Sportstättenbau, wohl aber das Institut für Konstruktion und Gestaltung, kurz Koge, das der Forschung und Weiterentwicklung von speziellen Konstruktionen wie Hängedächern und Gitterschalen gewidmet ist. Da es sich bei Sportstätten zumeist um derartige Sonderkonstruktionen, hauptsächlich um große Flächentragwerke, handle, sagt Filz, werde dieser Bereich durch das Koge jedenfalls abgedeckt. „Im Bereich der Lehre spiegeln sich die Themen im Bachelor- und Masterstudium wider, nämlich in der Pflichtvorlesung ,Konstruktion und Gestaltung‘, in der dazugehörigen Übung und etlichen Wahlfächern“, erklärt der Dekan.

In den Augen von Architekt Fux könnte der Sportstättenbau aber weit prominenter in den Lehrplänen vertreten sein, wenn nicht gar als eigenständiger Fachbereich angeboten werden. „Wenn beispielsweise die TU Wien immer wieder Wettbewerbe für Sportstättenarchitektur als Entwurfsthemen aufgreift, zeigt das, dass das Thema präsent ist. Als fixer Teil der Lehre leider nicht.“ Als Wahlfach aber, zumindest vereinzelt, schon: Im Wintersemester 2013 etwa wurde Sportstättenbau als ebensolches im Masterstudium Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur an der Boku Wien angeboten – unter den Vortragenden neben Harald Fux auch Karin Schwarz-Viechtbauer, die Direktorin des Österreichischen Instituts für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS). Dieses stellt als Fachinstitut in Planungsfragen des Schul- und Sportstättenbaus gewissermaßen das österreichische Zentralorgan der Sportarchitektur dar. Mit Schwarz-Viechtbauer hat er bereits Gespräche bezüglich einer geplanten Summer School für Postgraduate-Studenten im Bereich Sports Architecture geführt, so Fux. „Das zu realisieren wird nicht einfach, aber es steht auf der Agenda.“

Ähnliches mag sich auch Anton Sabo gedacht haben, als er vor rund 15 Jahren die Idee für einen Studiengang hatte, in dem die Entwicklung von Sportgeräten nicht als Ergebnis von Trial and Error, sondern als exakte Wissenschaft verstanden wird. 2002 wurde sie in Form des Studiengangs Sports Equipment Technology an der FH Technikum Wien umgesetzt. Das Curriculum sei umfangreich, die Inhalte – von der Werkstoffanalyse bis zur Unternehmensführung – vielfältig, sagt Sabo, heute Leiter des Studiengangs. Die beiden Schwerpunkte bilden Material- und Produkttechnologie und messtechnisch unterstützte Bewegungsanalyse, im Lauf des Studiums werde aber ebenfalls auf das Thema Sportstättenbau eingegangen, „leider nicht in dem Ausmaß, in dem es wahrscheinlich sinnvoll wäre“, sagt Sabo. Es sei als „nolens volens baulastiges Thema“ für viele Studierende nicht ganz so attraktiv wie etwa die Entwicklung eines Weltmeisterskis, außerdem agierten in der Praxis im Sportstättenbau meist nur Architekten, „teilweise zum Leidwesen der Veranstalter“. Architekten hätten oft kein ausreichendes Wissen über die Bewegungsabläufe im Sport, weshalb eine Verknüpfung von architektonischem und sporttechnischem Verständnis wohl am zielführendsten wäre. „Was wir uns für den Sportstättenbau wünschen, wäre eine gute Zusammenarbeit mit den Architekten.“

INFO

Österreichisches Institut für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS)

www.oeiss.org

Institut für Gestaltung/Unit Koge. Konstruktion und Gestaltung

www.koge.at

FH Technikum Wien, Bachelor- und Masterstudium Sports Equipment Technology: Start jeweils im September. Die Bewerbungsfrist für dieses Jahr ist bereits abgelaufen.

www.technikum-wien.at

Web:www.tuwien.ac.atwww.tugraz.at

www.boku.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2014)

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