Ambivalente Vorbildwirkung

Erfolgreicher Jungunternehmer sitzt am Schreibtisch
Erfolgreicher Jungunternehmer sitzt am Schreibtisch(c) BilderBox (BilderBox.com)
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Hernstein-Management-Report. „Gesunde Führung“ gilt als zunehmend wichtiges Management-Tool. Doch was ist das eigentlich? Und wie gehen Manager damit um?

Laufen nach dem Frühstück, fünf Äpfel am Tag, harmonische Familie – und trotzdem oft krank? Dann könnte der Chef daran schuld sein.

Laut jüngstem Hernstein-Management-Report sehen immer mehr Führungskräfte einen Zusammenhang zwischen den Bedingungen am Arbeitsplatz und der Gesundheit der Mitarbeiter. Und das nicht nur im Bereich der Sicherheit, sondern vor allem in psychischer Hinsicht oder im Sinn der Work-Life-Balance. „Die zunehmenden Fälle von Burn-out haben hier ziemlich sensibilisiert, auch die verpflichtenden Evaluierungen der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz vonseiten des Arbeitsinspektorats“, so Hernstein-Leiterin Eva-Maria Ayberk.

Wie der Herr,...

Neu ist die Idee der gesunden Führung nicht: Schon die klassischen Unternehmenspatriarchen der vorigen Jahrhundertwende haben – zum Teil – erkannt, dass gesunde Menschen leistungsfähiger sind und dass Fairness und Wohlwollen sich auch in deren Produktivität widerspiegeln. Die groben Missstände in anderen Betrieben riefen Menschen wie Alfred Adler auf den Plan, und der Rest ist Geschichte.

Umso erstaunlicher, dass bei der von Vieconsult im Auftrag des Hernstein-Instituts durchgeführten Studie von den 464 befragten Führungskräften in Österreich und 615 in Deutschland immerhin 14 Prozent angegeben haben, dass „die Mitarbeiter ausschließlich selbst die Verantwortung für ihr Gesundheitsverhalten tragen“, 15 Prozent stimmten dem „eher zu“. Die Aussage „Führungskräfte können das Gesundheitsverhalten der eigenen Mitarbeiter entscheidend beeinfluss – positiv wie negativ“ hielten 37 Prozent der Österreicher und 46 Prozent der Deutschen für richtig.

Dabei sehen niedrige Führungsebenen die Angelegenheit als weniger wichtig, je höher die Position, umso mehr Bedeutung wird dem Thema zugemessen. Auch die Informationen dazu fließen on the top sichtlich besser: Im unteren Management fühlen sich 30Prozent eher gut und sechs Prozent sehr gut informiert, im oberen Management sind es 47 und 24 Prozent. Was läge da näher, als sich gleich vor Ort informieren zu können? Doch 49 Prozent geben an, in ihrem eigenen Unternehmen keine Weiterbildungsangebote zu gesunder Führung vorzufinden. 29 Prozent haben diese Chance, und weitere zwölf haben diese bereits genutzt.

...so 's G'scherr

Doch wie soll sie nun konkret aussehen, die gesunde Führung? Wie kann man als Vorgesetzter lernen, die Mitarbeitergesundheit positiv zu beeinflussen?

„Führungskräfte sind Vorbilder“, fasst es Ayberk zusammen, „durch ihr eigenes Verhalten – und durch die Arbeitsstrukturen, die sie schaffen und die den Arbeitsablauf bestimmen.“ Zu den genannten positiven Kriterien zählen unter anderem „Anerkennung und Lob, die Steuerung von Arbeitsauslastung und Arbeitsmenge, die Einbeziehung der Mitarbeiter in die Arbeitszeitgestaltung, die Einhaltung von Ruhe- und Pausenzeiten, Gespräche, Essen in der Kantine sowie die professionelle Lösung von Konflikten und Fairness“, so die Hernstein-Leiterin.

Doch all diese Kriterien nützen wenig, wenn sich die Führungskraft selbst nicht daran hält. Diese Kluft wird auch in der Studie deutlich. 45 Prozent stimmten der Meinung zu, dass eine Führungskraft gesundheitsbewusstes Verhalten vor allem durch die eigene Vorbildwirkung vorleben kann. Doch nur 32 Prozent gaben an zu versuchen, es den Mitarbeitern auch bewusst vorzuleben.

Ayberk: Man muss hier auf zwei Ebenen denken. Einerseits nehmen gesundheitsorientierte Weiterbildungsangebote für Führungskräfte zu, um das eigene Verhalten zu verbessern. Andererseits wird der Zusammenhang von Führung, negativem Stress und Krankheit/Fluktuation immer stärker in Führungskräfteausbildungen berücksichtigt. Im Wechselspiel zueinander erlernen Führungskräfte das Handwerkszeug gesunder Führung und können gleichzeitig die eigene körperliche wie psychische Fitness verbessern.“

Das wäre wünschenswert: Denn nur 38Prozent gaben an, „fast jeden Tag regelmäßige Pausen zu machen“, 33 Prozent „machen entsprechende Pausen häufig“.

MANAGER IM BLICKPUNKT

Seit 16 Jahren erhebt der Hernstein-Management-Report ein Stimmungs- und Meinungsbild unter Führungskräften; „Die Presse“ veröffentlicht in Kooperation die aktuellen Themen. Diesmal: „Gesunde Führung“ – die Einflussmöglichkeiten von Managern, Weiterbildung und Vorbildwirkung.

Die Online-Befragung führt die Vieconsult im Auftrag des Hernstein-Managements in Österreich (464Personen) und Deutschland (615Personen) durch.

Die meistgenannten Kriterien für gesunde Führung:

•Anerkennung und Lob für gute Arbeit •Arbeitsauslastung und Arbeitsmenge gezielt steuern

•Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitsumfeld

•Arbeitszeitgestaltung und Arbeitspläne unter Einbeziehung der Mitarbeiter

•Einzelgespräche/Mitarbeitergespräche zur Beziehungspflege

•Essen in der Kantine

•Konfliktfreie Kollegenschaft, Lösung von Konflikten, Fairness

•Ruhezeiten und Pausenzeiten ermöglichen/einfordern

•Selbsthilfeangebote wie Seminare zu Ernährung oder Stressmanagement

•Terminplanung ohne Zeitdruck

•Umgang mit Fehlern, Kritikfähigkeit

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2014)

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