Familienfreundlichkeit: Die Hochschule denkt auch an die Familie

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Studenten und Lehrpersonal haben oft nicht nur fachliche Verpflichtungen. Unis und FH unterstützen sie dabei.

Der pragmatisierte Universitätsprofessor mit Ehefrau, die sich im Alleingang um die Kinder kümmert, gehört aus vielerlei Gründen der Vergangenheit an. Österreichs Hochschulen sind gefordert, Mitarbeitern und Studierenden, die Betreuungspflichten haben, unter die Arme zu greifen, wollen sie im Wettbewerb um die besten Köpfe bestehen. Familienfreundliche Rahmenbedingungen sorgen zudem für weniger Krankenstände beim Personal, weniger Studienabbrüche bei den Studierenden und insgesamt für ein positives Hochschulklima.

Elisabeth Wenzl, Geschäftsführerin der Familie & Beruf Management GmbH, die im Auftrag des Familienministeriums das Audit „hochschuleundfamilie“ durchführt, nennt als erste Herausforderung das Entwickeln von Maßnahmen, die „nicht vorgefertigt, sondern an die speziellen Gegebenheiten der Hochschule und die verschiedenen Zielgruppen – wissenschaftliche Mitarbeiter, Verwaltungsmitarbeiter und Studierende – angepasst sind“. Eine Kinderbetreuung einzurichten hat möglicherweise weniger Erfolg, wenn die Zielgruppe eher eine Notfalls- oder Ferienbetreuung benötigt. „In vielen Fällen sind die Kinder dauerhaft schon gut untergebracht, jedoch wäre eine punktuelle Unterstützung eine sinnvolle Ergänzung“, so Wenzl. Hilfe bei Betreuungslücken anbieten zu können, ist für Wenzl daher die zweite große Aufgabe, der sich moderne Hochschulen zu stellen haben. Die dritte Herausforderung ist die interne Kommunikation der familienfreundlichen Maßnahmen.

Eine der Universitäten, die in puncto Familienfreundlichkeit als vorbildlich gilt, ist die Johannes Kepler Universität Linz, die jüngst mit dem Staatspreis für familienbewusste Personalpolitik ausgezeichnet wurde. Die im 2011 durchgeführten Audit „hochschuleundfamilie“ festgelegten Maßnahmen wurden binnen drei Jahren umgesetzt. „Es wurde zum Beispiel die Familienservicestelle eingerichtet, Wickeltische am Campus montiert, eine Broschüre für Mitarbeiter zum Thema Abwesenheit online gestellt und das Angebot der Kinderbetreuung sowie das Ferienprogramm erweitert. Das Thema Vereinbarkeit wurde auch in das Mitarbeitergespräch aufgenommen“, sagt Christine Hiebl von der Abteilung Gleichstellungspolitik/Familienservice der JKU. Ab Oktober werden Maßnahmen für die nächsten drei Jahre festgelegt.

Job für Partner, Pflege für Angehörige

Mit dem Dual Career Service kümmert sich die JKU auch um die Bedürfnisse der – oft hochqualifizierten – Partner von Universitätsmitarbeitern. „Bei der Wahl des Arbeits- und Lebensortes spielen neben den eigenen Entfaltungsmöglichkeiten zunehmend die berufliche Perspektive des Partners sowie die familiären Entwicklungschancen vor Ort eine entscheidende Rolle“, so Hiebl. Das Dual Career Service unterstützt bei der Jobsuche sowie bei Themen wie Kinderbetreuung, Schule und Wohnen.

Als Zukunftsaufgabe, der sich Hochschulen zu stellen haben, sieht Wenzl die Pflege von Angehörigen. „Durch den demografischen Wandel nimmt der Anteil der Beschäftigten, aber auch der Studierenden zu, die Angehörige zu pflegen haben. Künftig werden Arbeitgeber mit den Bedürfnissen einer Generation konfrontiert sein, die nach der Kinderbetreuung zeitnah Betreuungs- und Pflegeaufgaben übernimmt.“

Wie Hochschulen auf diesen Umstand reagieren, zeigt sich etwa in der Handhabung der Pflegekarenz. „Die Pflegekarenz ist vom Gesetz her eine Kann-Bestimmung. Bei uns ist sie zu einer automatischen Regelung geworden“, sagt Doris Walter, Geschäftsführerin der FH Salzburg. Auch früher habe man in Fällen, wo Mitarbeiter Kinder, Partner oder andere Angehörige akut zu betreuen hatten, Dienstfreistellungen, Teilzeitregelungen oder unbezahlten Urlaub gewährt. Jetzt gibt es darauf eine Fixzusage. „Solche Fälle gibt es immer wieder, wir haben die Größe, um das aufzufangen – egal ob das ein Beinbruch bei einem Kind ist oder eine chronische Erkrankung“, sagt Walter. Freilich brauche es hierzu vor allem die Bereitschaft der Kollegenschaft, einzuspringen. Weitere Schwerpunkte der FH Salzburg in puncto Familienfreundlichkeit sind Gesundheitsförderung, aktives Karenzmanagement und Vereinbarkeitserleichterungen für Eltern.

Zahlreiche Best-Practice-Beispiele

Betrachtet man die Best-Practice-Beispiele, die von der Familie & Beruf Management GmbH im Zuge der Auditierungen von bisher 17 Hochschulen festgehalten wurden, so ist viel Bemühen erkennbar. Das beginnt bei Erhebungen – etwa einer Analyse der spezifischen Stressfaktoren von Studierenden mit Betreuungspflichten an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt; einer Bedarfserhebung betreffend Betreuungspflichten an der JKU, Evaluierungen zur Work-Life-Balance an der Universität Graz sowie einer Erhebung zur Vereinbarkeit von Hochschule und Familie bei Professorinnen an der Med-Uni Wien. Konkrete Erleichterungen bieten etwa ein Betriebskindergarten an der Med-Uni-Wien, Ermäßigung im Universitätskindergarten an der Uni Innsbruck, Anerkennung bei Erkrankung eines Kindes als Fehlgrund bei Prüfungen an der FH Salzburg, kurzfristige Betreuungsmöglichkeiten und Sommerkinderbetreuung an der Uni Graz, Telearbeit, Ermäßigungen für stundenweise Kinderbetreuung, Babysitterpool und Frühförderung mit Sport und Musik an der Med-Uni Graz und Berücksichtigung der Betreuungspflichten von Studierenden bei der Anmeldung zu Lehrveranstaltungen an der Vetmeduni Vienna. Auch die Räumlichkeiten werden vielfach durch Wickeltische und Hochstühle in Mensasälen adaptiert.

Zudem gibt es für viele Hochschulen Info-Broschüren, Familienservicestellen und -beauftragte, Karriereentwicklungsmaßnahmen, Gesundheits- und Vorsorgeangebote für Mitarbeiter, und nicht zuletzt werden Führungskräften für Familienthemen sensibilisiert. Besonders an der JKU widmet man sich dem Thema Väterkarenz. „Es ist uns wichtig, die Väterkarenz aktiv zu fördern und als nicht karrierehinderlich zu kommunizieren“, sagt Hiebl. Eine Broschüre der Universität für werdende Väter enthält Informationen rund um das Thema und Interviews mit bereits erfolgreichen „Karenzpapas“. In Veranstaltungen für werdende Eltern wird ausführlich über Karenzmodelle informiert.

Familienfreundlichkeit könnte also auch bedeuten, dass im Österreich des 21. Jahrhunderts der karenzierte, windelwechselnde Herr Professor zur Normalität wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2014)

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