Nur knipsen ist zu wenig

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Nikon(c) Clemens Fabry - Die Presse
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Mit der Freigabe des Gewerbes kann im Prinzip jeder als Fotograf tätig sein – eine professionelle Ausbildung ist damit aber noch lange nicht wertlos.

Zu Beginn des Jahres hat sich ein kleiner Dammbruch ereignet. Fotografie ist nun auch in Österreich ein freies Gewerbe. Das hatte zur Folge, dass sich die Anzahl der Berufsfotografen von 3300 im Jahr 2012 auf rund 6000 heute fast verdoppelt hat. Gleichzeitig ist eine Vielzahl an Kursanbietern auf den Plan getreten, wie Ernst Strauss, stellvertretender Bundesinnungsmeister, berichtet. Hier die Spreu vom Weizen zu trennen ist schwierig, so Strauß, der vor allem die Praxis kritisiert, aus finanziellen Gründen möglichst viele Teilnehmer aufzunehmen.

Als Reaktion auf diese Entwicklung hat die Innung die kürzlich vorgestellte Ausbildung zum „Qualified Austrian Photographer“ (QAP) ins Leben gerufen. Basierend auf der mit der Freigabe des Gewerbes auslaufenden Meisterklasse, die etwa in Linz und Salzburg angeboten wurde, sollen bundesweit einheitliche Kriterien und Lehrpläne gelten. Die konkrete Umsetzung der derzeit nur virtuell existierenden QAP-Akademie ist den einzelnen Bundesländern überlassen, wobei etwa mit dem Wifi oder den HTL kooperiert wird. Wichtig für die Standortwahl sei, dass etwa ein entsprechend ausgestattetes Fotostudio vorhanden ist. Darüber hinaus sollen je zehn bis zwölf hochkarätige Vortragende die Qualität des Lehrgangs garantieren. „Wir wollen weg von den One-Man-Shows“, so Strauss. Der QAP-Lehrgang dauert zwei Semester, wobei im Monat eine jeweils dreitägige Unterrichtseinheit auf dem Programm steht. Mindestens zehn, maximal aber 15 Teilnehmer werden zugelassen. Voraussetzungen sind profunde Vorkenntnisse, eine Mappe mit Arbeiten – und ein Budget von 6600 Euro für die Kurskosten. Die Absolventen der Meisterklasse Salzburg haben im Juli als Erste das QAP-Zertifikat verliehen bekommen.

Einen sehr ähnlichen, ebenfalls die ausgelaufene Meisterklasse ersetzenden Lehrgang bietet das Wifi Wien unter dem Titel „Ausbildung zum diplomierten Berufsfotografen – Aufbaulehrgang“ an. Dieser ist laut Lehrgangsleiter Thomas Kästenbauer zu 90 Prozent mit den Kursen in Salzburg und Linz identisch. Der Unterschied liegt im Detail, so wird etwa in Wien die „reißerische“ Aktfotografie nicht angeboten. Kästenbauer erwartet, dass der Wifi-Wien-Kurs, der heuer erstmals in dieser Form stattfindet, in Zukunft an die QAP-Kriterien angeglichen werden wird. Neben fundiertem theoretischen Wissen betont Kästenbauer den Wert wirtschaftlicher Grundkenntnisse. Aufträge wirtschaftlich sinnvoll kalkulieren zu können gehört für ihn in jedem Kurs für angehende Berufsfotografen vermittelt. Ansonst rät der Experte, sich nicht von großen Namen blenden zu lassen. Wichtiger sind die Inhalte sowie die Verfügbarkeit der Trainer abseits der Kurseinheiten.

Neben dem Aufbau- gibt es am Wifi Wien noch einen Basiskurs für Berufsfotografen. Dieser verlangt keine Vorkenntnisse. In einem Aufnahmegespräch wird aber die Motivation der Bewerber abgeklärt. Darüber hinaus werden am Wifi, wie auch an zahlreichen anderen Einrichtungen, Kurzkurse zu Spezialthemen – unter anderem auch Recht – angeboten. Diese sind primär für ambitionierte Amateure gedacht, die mit einer Profikarriere liebäugeln.

Kunst und Handwerk

Dass Fotografie Kunst und Handwerk zugleich ist, wird an der Fotoschule Wien besonders betont. „Technische Perfektion allein produziert seelenlose Fotos, es ist auch eine eigene Handschrift notwendig“, so der Leiter Markus Hippmann. Dazu seien unter anderem die Ausstellungen im Haus der Fotografie wichtig, in denen einerseits Absolventen Feedback für ihre Arbeiten bekommen, sich bei Ausstellungen von externen Künstlern aber auch Anregungen holen können. Neben zahlreichen Workshops bietet die Fotoschule Wien einen zweisemestrigen Grundkurs und einen ebenfalls zweisemestrigen weiterführenden Lehrgang. Die Kosten Betragen 1400 Euro pro Semester.

Wer zugleich künstlerische wie akademische Ambitionen hat, kann Fotografie an der Angewandten in Wien oder der Kunst-Uni Linz studieren. Gemeinsam ist beiden Studien, dass Matura erwünscht, aber nicht verpflichtend ist – und die sehr selektive Aufnahmeprüfung.

Definitiv kommerziell ausgerichtet ist der dreisemestrige Fotodesignerkurs, der von der Wiener Filiale der Deutschen Pop für 4500 Euro angeboten wird. Hier geht es vor allem um den professionellen Ablauf eines Shootings inklusive Planung, Organisation und Nachbearbeitung.

Last but not least gibt es weiter die klassische Lehre – auch wenn Strauss den Rückgang an Ausbildungsbetrieben beklagt. Das BFI Salzburg etwa bietet Kurse zur Lehrabschlussprüfung im zweiten Bildungsweg an. Zudem kann an HTL in Salzburg und Wien (Die Graphische) Fotografie gelernt werden (fünfjährig oder zweijähriges Kolleg).

Was die Berufsaussichten angeht, so ist Fotografie „eine schwierige Branche“ räumt Kästenbauer ein. Wie Strauss verweist er auf ruinöse Dumpingpreise wirtschaftlich wenig versierter Einsteiger. Hippmann rechnet hier mit einer Marktbereinigung. Generell gibt es laut den Experten zwei große Betätigungsfelder: Porträt- und Eventfotografie für Private einerseits und Industrie, Werbung und Mode andererseits, wobei das Verhältnis laut Strauss etwa 60:40 ist. In der zweiten Kategorie ist Produkt- oder Architekturfotografie mehr gefragt als Mode. „Wien ist keine Modestadt“, so Kästenbauer.

Abschließen sei auch erwähnt, dass so mancher erfolgreicher Profi seinen Weg im Austausch mit arrivierten Kollegen oder überhaupt autodidaktisch gefunden hat.

IN KÜRZE

Als Berufsfotograf braucht man zwar einen Gewerbeschein, aber seit Ende 2013 ist keine besondere Befähigung dafür nachzuweisen. Einzige Einschränkung: Aufträge von Privatpersonen dürfen erst nach dreijähriger Berufspraxis angenommen werden.

Die Ausbildungsmöglichkeiten sind vielfältig. Neben der klassischen Lehre, HTL oder Kunststudien bieten Wifi, BFI und private Fotoschulen Kurse an. Von der Innung neu ins Leben gerufen wurde der „Qualified Austrian Photographer“.

Links (Auswahl)

Qualified Austrian Photographer: www.aap.photo

Wifi Wien: www.wifiwien.at

Bfi Salzburg: www.bfi-sbg.at

HTL: www.graphische.net, www.htl-salzburg.ac.at

Kunst-Unis: www.ufg.ac.at,www.dieangewandte.at

Private Fotoschulen und Kursanbieter:

www.fotoschule.at,

www.linzer-fotoschule.at,

www.studium-fotografie.at

www.deutsche-pop.com/standort/wien

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2014)

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