Stoffe mit Zukunft

Frau naeht EU-Fahne
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Smart Textiles. Wasserabweisend, unbrennbar, isolierend und/oder gesund: Fasern, die baulich, medizinisch oder auch anziehtechnisch genutzt werden sollen, müssen einiges können. Ein Forum und einige Studienmöglichkeiten zum Thema.

Wie kompetent können Materialien sein? Offenbar stellt man hohe Erwartungen an sie, wenn etwa von Hochleistungswerkstoffen oder Smart Textiles die Rede ist, wie zum Beispiel am 23.Oktober beim bereits zweiten Internationalen Bodensee-Textilkooperationsforum in Bregenz.

Anwendung optimieren

Im Rahmen des Symposiums, ausgerichtet von der Kooperation der Textilverbände aus Österreich, der Schweiz, Baden-Württemberg und Bayern, genannt D-A-CH@Texnet, sprechen Fachleute aus Wissenschaft und Wirtschaft über bauliche, medizinische, insgesamt praktische Anwendungsmöglichkeiten von Fasern.

Den Anwendungspotenzialen der Stickereitechnologie etwa widmet sich Thomas Bechtold, Vorstand des Instituts für Textilchemie und Textilphysik der Universität Innsbruck. „Wir bieten ein Wahlfach innerhalb des Masterstudiengangs ,Material- und Nanowissenschaften‘ an, in dem es erstmals um textile Fasern und Polymere geht. Später ist sicher eine Vertiefung im Rahmen einer Dissertation oder Masterarbeit an unserem Institut sinnvoll“, sagt Bechtold.

Selbiges befindet sich in Dornbirn, was den Studenten zuweilen ein wenig Stress verursache, „weil sie ihren Studienort verlassen und an einem 200 Kilometer entfernten Forschungsinstitut ihren Abschluss machen“. Doch was sind schon 200 Kilometer für eine profunde Ausbildung im weiten Feld der Polymere, Kunst- und Faserstoffe. Die Master- oder Doktorarbeit, so Bechtold, solle zu diesem Zweck auch nicht auf einen Spezialbereich eingeschränkt, sondern breit angelegt sein.

„Die fachliche Expertise der Personen, die hier ausgebildet werden, ist sehr breit“, sagt Nicola Hüsing, Leiterin des Fachbereichs Materialforschung und Physik an der Universität Salzburg. „Sie verstehen einfach: Wie kann ich Materialien mit speziellen Funktionen herstellen und analysieren?“ An der Uni Salzburg werden ab diesem Herbst gleich zwei einschlägige Studien angeboten: Im Joint-Degree-Masterstudium „Materialwissenschaften“, einer Kooperation der TU München und der Paris-Lodron-Universität Salzburg, werden die fachlichen Steckenpferde der beiden Unis, die Teilbereiche Struktur- und Funktionsmaterialien, zusammengeführt.

Gesundheitscheck

Der neue Master „Chemistry and Physics of Materials“ fokussiere hingegen auf die Funktionsmaterialien, und dabei etwa auf die Nano-Bio-Interaktion. „Sagen wir, der Mensch trägt Kleidung, bei der die Fasern mit speziellen Funktionen ausgestattet wurden. Wir interessieren uns dann dafür, wie das menschliche Gewebe darauf reagiert.“ Beide Studien sollten ein Verständnis für Ursache-Wirkung-Prinzipien dieser Art, aber auch für stoffliche Kreisläufe im Generellen schaffen, so Hüsing. Recycling, das den Kreislauf erst zum Kreislauf macht, sei daher von wesentlicher Bedeutung. „Man muss eigentlich schon bei der Herstellung der Materialien berücksichtigen, dass das Recycling immer komplexer wird, je funktionaler ein Stoff ist.“

Und ist er zusätzlich in großer Menge vorhanden, macht das die Aufgabe nicht einfacher. Nachdem die Zahl der Windkraftanlagen in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen sei, „werden in rund 20Jahren beträchtliche Abfallmengen zu entsorgen sein“, erklärt der Leiter der Arbeitsgruppe Fasertechnologie an der TU Wien, Andreas Bartl. Die Wiederverwertung der darin hauptsächlich verwendeten Glasfasern könne insgesamt eine Energieersparnis bedeuten, denn der energetische Aufwand zur Herstellung von Fasern sei sehr hoch. Und doch lässt sich ohne sie kein noch so smartes Bau- oder Kleidungsteil produzieren. Die Möglichkeit einer Faserspezialisierung gäbe es an der TU Wien nicht, so Bartl. Im Studiengang Verfahrenstechnik bietet er gemeinsam mit Bettina Mihalyi die Vorlesung „Fasertechnik“ an, „dann war es das aber auch schon mit dem Angebot“.

Der Studiengang lockt jedoch, wie der Webseite zu entnehmen ist, mit der „Einbindung in interessante Forschungsarbeiten im fortgeschrittenen Studium“. Darunter auch Projekte zum Recycling von Fasern in Textilien und Verbundwerkstoffen, jenen allgegenwärtigen Materialien, in denen Einzelwerkstoffe zu neuen Werkstoffen mit neuen Eigenschaften verbunden werden. Ihnen widmet die Akademie für Weiterbildung an der Fachhochschule Oberösterreich einen viersemestrigen, berufsbegleitenden Lehrgang. Er soll den künftigen akademisch geprüften Composite-Ingenieuren ein Grundverständnis für Kompositwerkstoffe vermitteln, die so viel mehr sind und können als die Summe ihrer Einzelteile.

INFORMATIONEN

•Institut für Papier-, Zellstoff- und Fasertechnik, TU Graz: www.ipz.tugraz.at

•Institut Kunststofftechnik, Johannes Kepler Universität (JKU) Linz: www.kunststoffstudium.at

•Masterstudium „Materialwissenschaften“, TU Wien: www.tuwien.ac.at

•Bachelorstudiengang „Materialwissenschaft und Werkstofftechnik“, Universität Bayreuth: www.ing.uni-bayreuth.de

•Institut für Kunststoffverarbeitung, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen: www.ikv-aachen.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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