Alter schützt vor Scharfsinn nicht

Seniorin mit Gehstock
Seniorin mit Gehstock(c) Gina Sanders - Fotolia (Erwin Wodicka - BilderBox.com)
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Sie folgen ihren Interessen und lieben das Gespräch: Ältere Semester erwarten sich von Weiterbildung viel Input für die Persönlichkeit. Sie haben Glück – das Angebot wächst.

Anfang Juni fand an der FH Krems eine besondere Sponsion statt: Im Rampenlicht standen die ersten 28 Absolventen der 2012 ins Leben gerufenen SeniorInnen-Uni. Vier Semester lang wurden Wirtschaft, Gesundheit und Life Sciences vermittelt, was laut Projektleiterin Anita Hold-Winkler sehr gut ankam. Sie zeigt sich jedenfalls begeistert über den Elan und Wissenshunger der älteren Semester. Aufgrund der starken Nachfrage beginnt im Oktober der nächste Weiterbildungslehrgang. „Es sind nur noch wenige Restplätze übrig.“

Es ist nie zu spät

Das Beispiel Krems ist kein Einzelfall. In ganz Österreich denken viele Menschen in der zweiten Lebenshälfte oder im dritten Drittel gar nicht daran, sich auf die faule Haut zu legen. Einschlägige Weiterbildungsprogramme, wie die „Uni 55 plus“ der Paris Lodron Universität Salzburg, die vor zwei Jahren gestartet wurde, oder das „60 plus“-Kursangebot der Wiener Volkshochschulen, erfreuen sich starken Andrangs. In Salzburg besuchen etwa jedes Semester um die 300 Golden Agers ein breites Angebot an Lehrveranstaltungen rund um die Schwerpunkte Kultur, Gesundheit, Sozietät/Gesellschaft sowie Naturwissenschaft/Technologie/Umwelt. Prüfungen können, müssen aber nicht abgeschlossen werden. Ebenso wenig wird eine spezielle Vorbildung – egal ob Matura oder Universitätsabschluss – vorausgesetzt.

Über ein breites Weiterbildungsangebot für ältere Menschen verfügen auch die Wiener Volkshochschulen – etwa in der Kursschiene „Sprache und Kultur“, wo rund um verschiedene Fremdsprachen ein inhaltlicher Fokus auf landeskundliche Aspekte gelegt wird. Großen Zuspruchs erfreuen sich laut Monika Reif, Direktorin der VHS Alsergrund sowie der Kunst VHS, auch die angebotenen Kunstkurse. „Hier geht es sehr anspruchsvoll und professionell zur Sache, was natürlich viel Zeit erfordert“, so Reif. Letztere hätten die meisten Menschen bekanntlich erst in der Pension.

Reden statt strebern

Und die Zeit wird genutzt. Anders als die Jungen müssen Pensionisten keinen ECTS-Punkten hinterherjagen, um schnell fertig zu werden. Laut Mold-Winkler bringen sich Seniorstudenten viel aktiver ein als jüngere Semester und berichten gerne von ihren Erfahrungen. Deshalb hat man auch in Krems darauf geachtet, viel Platz für Diskussionen zu schaffen. Beim Niveau müssen hingegen keine Abstriche gemacht werden. In Salzburg brüstet man sich etwa damit, dass dies durchaus „universitär“ sei.

Die Motive für die Stillung des Wissensdursts im fortgeschrittenen Alter sind vielfältig. Einige möchten nach dem Ende des Berufslebens etwas Neues lernen, andere sich in ein Thema vertiefen. Wieder andere waren lange Jahre mit der Kinderbetreuung beschäftigt und hatten keine Zeit für Bildung. Daher sind unter den bildungsaktiven Golden Agers viele Frauen – egal ob an den Wiener Volkshochschulen oder an der „Uni 55 plus“.

Die Persönlichkeitsentwicklung ist allerdings nicht das einzige Motiv. So mancher hat auch im fortgeschrittenen Alter die Absicht, aus einer Weiterbildungsmaßnahme einen beruflichen Nutzen zu ziehen. Die VHS Alsergrund bietet etwa die Diplomausbildung „Third Age Coach“ an, die Absolventen dazu qualifiziert, ältere Menschen beratend zu begleiten. „Sie wird von vielen besucht, die vor dem Übergang ins Pensionsleben stehen“, so Reif. Auch die SeniorInnen-Uni der IMC FH Krems zielt darauf ab, das erlernte Wissen in der Praxis anzuwenden – etwa im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit. Mold-Winkler spricht von den Absolventen nicht umsonst als Multiplikatoren.

Doktorat mit 60

Wenige entscheiden sich für ein echtes Universitätsstudium. Ende 2013 waren etwa an der Wirtschaftsuniversität Wien 14 über 60-Jährige in einem Bachelor-, zwei in einem Master- sowie sechs in einem Doktoratsstudium inskribiert – und zwar unter mehr als 20.000 Studierenden. Eine leicht höhere Präsenz wies zum selben Zeitpunkt die Altersgruppe der 51- bis 60-Jährigen auf. Konkret waren 55 in einem Bachelor-, sechs in einem Master- und 32 in einem Doktoratsstudium inskribiert. „Diese Zahlen sind über die Jahre ungefähr konstant“, sagt Ute Steffl-Wais, Leiterin des Study Service Center der Wirtschaftsuniversität Wien.

Trotz des chronischen Platzmangels betont Steffl-Wais, dass man gegenüber älteren Menschen offen sei. „Auch bei Lehrveranstaltungen mit starkem Andrang wird nicht auf das Geburtsdatum geschaut“, pocht sie auf gleiche Chancen und Rechte für alle Studenten. Das gilt allerdings auch bei der Studienberatung. Bei Informationsveranstaltungen für Erstsemestrige wie den WU Campus Days könnten ältere Semester nämlich mit keiner Sonderbehandlung rechnen. Steffl-Wais rät daher, sich einen persönlichen Beratungstermin auszumachen.

Das gilt übrigens bei allen Unis: Wer wirklich ernsthaft studieren will, kann das grundsätzlich in jedem Alter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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