E-Learning: Laufend Lernhäppchen für PC und Handy

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Bei der Online Educa Berlin 2008, Europas größter Konferenz zu technologie-gestützter Aus- und Weiterbildung, diskutierten Experten vergangene Woche über die neuen Möglichkeiten beim Lernen am Computer.

Mittels PDA erhalten Regalbetreuer einer amerikanischen Supermarktkette Anweisungen, wie sie das Produktsortiment präsentieren sollen. Zusätzliche Unterstützung bekommen sie dabei von Teletutoren. Die Projektleiter eines internationalen Softwareentwicklers halten ihre Teammitglieder mittels Blog auf dem Laufenden. Unternehmen ergänzen Produktschulungen durch Wikis, in denen Mitarbeiter ihre Praxiserfahrungen austauschen. „Die Möglichkeiten, die uns Web-2.0-Technologien und mobile Endgeräte im Bereich der betrieblichen Aus- und Weiterbildung bieten, sind nahezu grenzenlos“, sagt Jay Cross, Urheber des Begriffs E-Learning und Gründer des Consulting-Unternehmens Internet Time Group. Über die Probleme und Herausforderungen, die sich Lehrenden und Lernenden angesichts der veränderten Anforderungen gleichermaßen stellen, diskutierten letzte Woche internationale Bildungsexperten im Rahmen der Online Educa Berlin, Europas größter Konferenz zu technologiegestützter Aus- und Weiterbildung.

Hoher Lerntransfer

„Der große Vorteil von Web-2.0-Technologien und mobilen Endgeräten liegt darin, dass die Auszubildenden das Gelernte sofort in die Praxis umsetzen und damit besser in Arbeitsabläufe eingebunden werden können“, betont Cross. „Das spart nicht nur Zeit und Geld. Die Mitarbeiter bekommen auch mehr Verantwortung übertragen, was wiederum die Motivation fördert und zu mehr Leistung anspornt“. Der Experte sieht darin eine gute Möglichkeit, das Hauptproblem traditioneller Weiterbildungsveranstaltungen zu umgehen: „Bereits zwei Wochen nach einem klassischen Training haben die Teilnehmer nur noch 20 Prozent der Lerninhalte im Kopf“, so Cross, „weil der Lerntransfer nicht stattfindet.“

Laut einer aktuellen Studie des Swiss Centre for Innovations in Learning schaffen es nur 33 Prozent der Teilnehmer, die in klassischen Seminaren gelernten Inhalte in ihren Arbeitsalltag zu transferieren. Barrieren für den Transfer seien mangelnde Anwendungsmöglichkeiten des Gelernten, geringe Motivation, Zeitnot, die Angst davor, Neues auszuprobieren und nicht zuletzt die fehlende Unterstützung durch Vorgesetzte. Dabei genießt Weiterbildung in Unternehmen einen hohen Stellenwert: 81Prozent der heimischen Unternehmen investieren laut Statistik Austria insgesamt einen Betrag von 1062 Millionen Euro in betriebliche Weiterbildung. Bei einem Lerntransfer von nur etwa 20 Prozent würde dies allerdings bedeuten, dass 840 Millionen Euro davon sinnlos verbrannt werden.

Anderer Umgang mit Wissen

Wie konkret die neuen Web-2.0-Technologien in die Bildungsangebote von Unternehmen eingebunden werden und wie ihre Ergebnisse dann evaluiert werden können, ist dabei noch relativ offen. Bildungsexperten sind sich jedoch einig, dass Web 2.0 gerade im Bereich der betrieblichen Aus- und Weiterbildung enorme Verbesserungspotenziale birgt. Ein Umdenkprozess in den Führungsetagen und Personalabteilungen von Unternehmen sei daher dringend notwendig. Schließlich verändern die neuen Technologien nicht nur die Kommunikation als solche, sondern auch den Umgang mit Information und Wissen. „Bei informellem Lernen geht es um neue Wege der Kommunikation, des Zusammenarbeitens und des Austauschs“, bestätigt Michael King, Vice President IBM Education Industry. Lernende können sich damit auch abseits von Kaffeeküche und persönlichen Treffen rasch und zielgerichtet informieren. Und auch Expertenwissen außerhalb des Unternehmens ist leichter zugänglich.

Lernerfolg ist schwer messbar

Inhalte, die bislang informell kommuniziert wurden, werden dank der neuen kollaborativen Tools plötzlich sichtbar. Diese verborgenen Kompetenzen der Mitarbeiter lassen sich allerdings nur schwer messen. Eine eindeutige Bewertung und Bezifferung ist derzeit noch nicht möglich. Durch die Einbindung der Mitarbeiter in Arbeits- und Entscheidungsprozesse verspricht man sich aber langfristig eine Produktivitätssteigerung, „ganz einfach, weil die Mitarbeiter richtig eingesetzt werden können, motiviert sind und damit mehr Leistung erbringen“, betont Cross. Selbst wenn formales Lernen, also klassische Aus- und Weiterbildung, im Zeitalter von Web2.0 nicht überflüssig wird, prognostizieren Bildungsexperten eine nachhaltige Veränderung in der Personalentwicklung und appellieren an ein Umdenken.

AUF EINEN BLICK

Ein wesentlicher Vorteil von E-Learning-Angeboten: Der Lerntransfer, also die Umsetzung des Gelernten, gelingt leichter. Das spart Zeit und Geld.

Die neuen Technologien verändern den Umgang mit Wissen und Information:Informeller Austausch wird erleichtert, Expertenwissen wird besser zugänglich.

Formales Lernen behält trotzdem eine wichtige Rolle in der betrieblichen Weiterbildung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2008)

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