Geburtshilfe: Begleiter auf dem Weg ins Leben

(C) Fabry
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Eine Hebamme muss bei jeder Geburt dabei sein - hat aber auch davor und danach eine wichtige Funktion zu erfüllen. Seit 2006 ist die Ausbildung akademisiert.

Jedes Jahr erblicken in Österreich rund 80.000 Kinder das Licht der Welt – in der Regel unter tatkräftiger Unterstützung einer Hebamme – deren Anwesenheit bei Geburten gesetzlich vorgeschrieben ist. Ihre Aufgabe ist es nicht nur, für eine problemfreie Geburt zu sorgen, sondern die werdenden Mütter bereits während der Schwangerschaft zu begleiten. Aber auch in der sensiblen Phase nach der Geburt spielen sie eine wichtige Rolle, wenn unter anderem die Milchbildung in Gang kommen soll, etwaige Geburtsverletzungen abheilen müssen und es generell gilt, sich auf den neuen Erdenbürger einzustellen. Das Know-how für diese anspruchsvolle Tätigkeit kann frau – unter den 1900 in Österreich tätigen Hebammen befindet sich kein einziger Mann – seit 2006 im Rahmen eines Bachelorstudiums an einer Fachhochschule erlernen.

Emanzipation von Medizinern

Mit dieser Akademisierung habe man auch die Hoheit über das eigene Wissensgebiet bekommen, so Margit Felber, Studiengangsleiterin Hebammen an der FH Salzburg. „Die Hebammenausbildung war in den vergangenen 200 Jahren durch die Medizin geprägt und auch hauptsächlich von Medizinern unterrichtet“, erklärt sie. Seit 2006 wird an den heimischen Fachhochschulen auch rund um das komplexe Themengebiet des Elternwerdens Grundlagenforschung betrieben, die weit über die rein medizinischen Aspekte hinausgeht. „Eine Erkenntnis in der Entwicklung der Hebammenforschung ist, dass man mit der quantitativen – sprich medizinischen – Forschung allein nicht weit kommt“, so Felber.

Gemeinsam haben die Bachelorstudiengänge an den FH, dass sie der vom Gesetzgeber definierten Hebammenausbildungsverordnung (HEB-AV) entsprechen. In sechs Semestern werden unter anderem Pathologie, Psychologie, Hygiene, Kinderheilkunde, Gynäkologie und Geburtshilfe vermittelt. Auf dem Lehrplan stehen aber auch Kommunikationstraining, Konfliktbewältigung und Supervision. „Eine Hebamme muss heute zusätzlich psychosoziale und emotionale Kompetenzen wie Stressmanagement, Trauerpsychologie oder Gewaltfrüherkennung aufweisen, um in einem breiten Kontext Bedürfnisse erkennen und entsprechende Handlungen setzen zu können“, erklärt Martina König-Bachmann von der Tiroler FH Gesundheit.

Die Lehrinhalte werden maßgeblich von den Vortragenden geprägt. An der FH Salzburg spielt etwa Verena Schmid eine wichtige Rolle. Sie hat die Salutophysiologie entwickelt, die physiologische Prinzipien und die in den 1970er-Jahren entwickelte Salutogenese verbindet. Dabei geht es im Wesentlichen um einen dynamischen Blick auf Gesundheit, Anpassungsprozesse und komplexe Interaktion der Frau, des Paares, des Fötus beziehungsweise Säuglings und der Umwelt. Wer sich nach dem Bachelorstudium in die Thematik vertiefen möchte, kann dies im Masterlehrgang Salutophysiologie tun. Felber, die den Lehrgang leitet, spricht von „einem besonderen Zugang“. Durch salutophysiologische Kriterien würden die Teilnehmerinnen lernen, hebammenspezifische und medizinische Interventionen gezielt und situationsgerecht einzusetzen, und das im Hinblick auf die Gesundheit von Mutter und Kind.

Weiterbildung und Forschung

Neben Salutophysiologie gibt es in Österreich zwei weitere Masterstudiengänge für Hebammen. An der Donau-Universität Krems wird etwa Midwifery angeboten, das – je nach Studiendauer – entweder als akademischer Experte, Master of Science (MSc) oder Master of Business Administration (MBA) abgeschlossen werden kann. Laut Lehrgangsleiter Michael Ogertschnig handelt es sich dabei um eine 50:50-Kombination aus Management-Know-how und der fachlichen Weiterentwicklung im Hebammenbereich. Dementsprechend richte sich der Studiengang nicht nur an Bachelor-Absolventinnen, sondern auch an berufstätige Hebammen, die eine Führungsposition anstreben oder eine eigene Praxis aufmachen möchten.

An der FH Gesundheit in Tirol ging diesen Herbst bereits der dritte Jahrgang des Masterstudiums Advanced Practice Midwifery an den Start. „Ziel ist, die Hebammenkompetenzen zu vertiefen und eine gewisse theoretische Lücke zu füllen“, so Studiengangsleiterin König-Bachmann. Gleichzeitig wollte man einen Beitrag zur Entwicklung einer eigenständigen Wissenschaft leisten. Erst kürzlich hat etwa eine Studentin mit der Arbeit „Kinderwunsch bei Frauen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen“ einen Forschungspreis gewonnen.

Auffallend ist der hohe Anteil an Studentinnen aus dem Ausland. An der Donau-Universität Krems liegt der Anteil bei 70 bis 80 Prozent. Ogertschnig führt die starke Nachfrage aus Deutschland auf den höheren Druck zurück, der dort auf Hebammen lastet. „Im Gegensatz zu Österreich sind sie oftmals nicht in Krankenhäusern angestellt, sondern freie Dienstnehmer, wodurch sie auch haftbar gemacht werden können“, sagt er. Ähnlich das Bild an der Tiroler FH Gesundheit: Der seit 2010 angebotene Masterlehrgang Advanced Practice Midwifery hat bislang 41 Absolventinnen hervorgebracht – aus Österreich, Deutschland, der Schweiz, Italien und dem Kosovo. Aktuell kommt die Hälfte der 19 Studentinnen aus Deutschland und der Schweiz.

Web:www.hebammen.at,

www.fhg-tirol.ac.at, www.donau-uni.ac.at, www.fh-salzburg.ac.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2014)

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