Eine Lawine von Assoziationen auslösen

Vernissage
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Serie Traumberuf: Ausstellungsgestaltung. Beim Managen, Planen und Gestalten von Museen und Exhibitions ist Querdenken ebenso gefragt wie Disziplin.

Dass in Wien ein „Haus der Geschichte“ entstehen soll, ist eine gute Nachricht, nicht nur für Österreichs Kulturszene, sondern auch für Ausstellungsgestalter und -entwickler: Bei den zu erwartenden Aufgaben ist vermutlich auch ungewöhnliche Kreativität erwünscht. Denn bahnbrechend neue Präsentationsweisen sind heute rar und der Druck, mehrmals pro Jahr massentaugliche Sonderschauen zu produzieren, die möglichst an mehreren Standorten präsentiert werden können, führt oft zu gleichartigen Konzepten.
„Kreativität ist mit Abstand das Wichtigste, das man in diesem Beruf mitbringen sollte“, sagt Andrea Lacher-Bryk, die im Salzburger „Haus der Natur“ 14 Jahre lang Ausstellungen geplant hat. „Es ist notwendig, zu wissen, wie ein Thema gestaltet werden kann, damit man Querdenken zu brisanten Fragen oder Diskussionen auslöst.“ Lacher-Bryk begann ihre Tätigkeit mit Führungen. Bald wurde sie in die Ausstellungsplanung eingebunden, war später zuständig für das Grundkonzept, die Suche nach geeigneten Vermittlungsmedien und die Implementierung bis hin zur Übersetzung von Texten. Um wissenschaftliche Themen gut kommunizieren zu können, absolvierte sie das Fernstudium Science & Society an der Open University. Heute setzt sie als Freiberuflerin Ausstellungsprojekte um – und arbeitet als Karikaturistin. Das Ziel dabei sei ähnlich, nämlich „mit ungewöhnlichen Mitteln im Betrachter eine Lawine von Assoziationen auszulösen“. Was ein guter Ausstellungsplaner noch mitbringen muss? „Man muss offen sein und sich schnell in Themen einarbeiten. Außerdem sind gutes Raumgefühl und dreidimensionales Denken wichtig: Wie bewegen sich Menschen im Raum, wie nehmen sie wahr, und wie selektieren sie?“ Auch Selbstdisziplin ist notwendig: „Man darf nicht auf jene vergessen, die ein Konzept umsetzen, und muss seine Unterlagen zeitgerecht fertig haben.“

Museumsdesign für die Wirtschaft

Dieses Zusammenarbeiten von Fachleuten unterschiedlicher Disziplinen vergleicht Karl Stocker, Leiter des einzigen österreichischen Masterstudiengangs für Ausstellungsdesign an der FH Joanneum Graz, mit einem Orchester, das zusammen an einer „kollektiven Symphonie“ arbeitet. „Ausstellungen sind komplexe Gebilde, an denen bis zu hundert Personen mitwirken. Alle tragen zur Stimmung, zum Erscheinungsbild und zur Gruppendynamik eines Projekts bei.“ In der Praxis bedeute dies, sensibel auf die Signale der übrigen Mitarbeiter zu hören und den eigenen Handlungsspielraum ständig aufs Neue darauf abzustimmen. Das Miteinander im Beruf soll an der Fachhochschule bereits im Studium gelebt werden: Hier können sich Kreative mit abgeschlossenem Bachelor ebenso bewerben wie Geistes- oder Naturwissenschaftler „mit Hang zu kreativem Querdenken und dem Talent, Geschichten zu entwickeln“. Die späteren beruflichen Positionen seien meist in Tätigkeitsfeldern angesiedelt, die deren Vorbildung entsprechen, sagt Stocker. „Absolventen mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund werden eher in den Bereichen Ausstellungsregie, Konzeption oder Drehbucherstellung für Medienbespielungen oder für Textierung eingesetzt. Absolventen von Designstudiengängen oder anderen Studien mit gestalterischem Impact finden als Szenografen, Ausstellungsdesigner oder im Bereich der visuellen Kommunikation ihren Schwerpunkt.“
An der Donau-Universität Krems wird das Studium Exhibition Development bereits seit einigen Jahren angeboten, und zwar hauptsächlich in Form eines einjährigen „Certified Program“, das sich an Mitarbeiter von Museen, Tourismuseinrichtungen, Messen oder Firmen richtet, die für die Umsetzung von Ausstellungsprojekten zuständig sind. Unterrichtssprache ist Englisch, was laut Lehrgangskoordinatorin Wendy Jo Coones nicht nur die Sprachkompetenz der Teilnehmer stärkt, sondern auch ermöglicht, viele internationale Referenten nach Krems zu bringen. Aus Coones Sicht ist es in Österreich besonders wichtig, auch in der Ausbildung bereits Brücken zwischen den Disziplinen zu schlagen. „Es gibt hier unglaubliche Schätze an Objekten, viel Geschichte und tolle Leute. Aber das Problem ist oft, dass die Wissenschaftler an einer Uni sind und die Gestalter an einer anderen. Sie treffen sich nie, bis sie zum ersten Mal gemeinsam an einer Ausstellung arbeiten.“
Was Arbeitsplätze betrifft, beurteilt Coones die Lage pragmatisch. „In den Museen verdient der Buchhalter meist besser als der Ausstellungsgestalter. Außerdem sind an vielen Häusern nur die Wissenschaftler angestellt, die Gestaltung wird an externe Firmen vergeben.“ In Deutschland existieren ihrer Ansicht nach bereits viele solcher Firmen, in Österreich kaum. Stocker bezeichnet die Nachfrage nach Ausstellungsdesignern seitens des Kunst- und Kulturbereichs als stabil, seitens der Wirtschaft als ansteigend. „Nicht von ungefähr errichten große Autokonzerne museumsähnliche Gebäude, um ihre Produkte und deren Entwicklung zu dokumentieren und zu präsentieren, oder nutzen Firmen den Rahmen eines bestehenden Museums zur Selbstdarstellung.“

Web:www.donau-uni.ac.at, www.fh-joanneum.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2015)

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