Fälschungen: Echt oder nicht echt?

Fälschungen
Fälschungen(c) FABRY Clemens
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Produktpiraterie macht heute einen erheblichen Teil der Weltwirtschaft aus, Kunst und Geld wurden seit jeher gefälscht. Weiterbildung soll helfen, dagegen anzukämpfen.

Das Image von Fälschungen hat sich gewandelt. Früher assoziierte man damit etwa Dalí-Bilder, Hitler-Tagebücher oder die ungedeckten Schecks des Trickbetrügers Abagnale – Coups oft legendärer Einzeltäter, die diesen Millionenbeträge einbrachten und manchmal den Plot für einen Film in sich bargen. Im 21. Jahrhundert geht es nicht mehr um Millionen, sondern um Milliarden. Fakes und Counterfeits sind ein Massengeschäft, das nicht nur mit Luxushandtaschen, Markenjeans oder Schweizer Chronometern betrieben wird, sondern auch mit Wunderpillen, Flugzeug-Ersatzteilen, alten Spitzenweinen, sogar mit Fernsehshows.

Laut groben Schätzungen der Produktpiraterie-Bekämpfungsorganisation Bascap („Business Action to Stop Counterfeiting and Piracy“, gegründet von der Internationalen Handelskammer ICC) sollte sich der weltweite Handel mit Fälschungen bis zum Jahr 2015 nahezu verdreifacht haben und bis zu 1770 Milliarden US-Dollar ausmachen. Aus derlei Zahlen ergeben sich neue Herausforderungen, nicht nur für die betroffenen Firmen, sondern auch für die Wirtschaftswissenschaften.

„Man kann sich heute mit dem Thema Markenführung nicht mehr beschäftigen, ohne gleichzeitig dessen sozusagen missratenen Bruder zu erwähnen“, sagt Barbara Stöttinger von der WU Wien. „Kriminelle Organisationen wie al-Qaida machen damit inzwischen mehr Geschäft als mit dem Drogenhandel.“ Produktfälschungen sind ein Forschungsschwerpunkt der Professorin am Institut für International Marketing Management der WU. Dabei geht es zum einen um moderne Strategien, mit denen Produktionsbetriebe ihren Kunden gegenüber auf Fälschungen reagieren können, zum anderen um neue Strategien der Fälscher selbst.

iPhone-Klon mit zwei SIM-Slots

„Heute gibt es zum Beispiel Fälscher, die als reine Kopierer angefangen haben, aber dann auch neue Produkte entwickeln, zum Beispiel eine chinesische iPhone-Kopie mit zwei Sim-Card-Slots.“ Fälschungen würden zudem zunehmend zu hohen Preisen angeboten, sodass die Käufer im Glauben seien, ein Originalprodukt als Schnäppchen erstanden zu haben. Von all dem kann auch der Informatiker Jürgen Mathwich ein Lied singen. Zusammen mit einem Kollegen hat der Absolvent des Salzburger FH-Studiums „Informationstechnik & System-Management“ ein Unternehmen gegründet, das es Endkunden ermöglichen soll, mithilfe eines Smartphones oder Tablets herauszufinden, ob ein angebotenes Markenprodukt echt ist. Man braucht nur das Etikett zu scannen und erhält sofort eine „Ja“- oder „Nein“-Meldung auf dem Display. In IT-Ausbildungen sei Produktfälschung hingegen noch kaum ein Thema, sagt Mathwich, obwohl sie viele Zweige der Wirtschaft erfasst habe. „Es ist – ausgehend von vielen Chefetagen – immer noch ein No-Go, öffentlich über diese Probleme zu sprechen.“

Kunst: Recht und Fälschung

Stöttinger gibt ihr Wissen auch innerhalb des MBA-Programms der WU für „Marketing & Sales“ weiter, ansonsten in Form wissenschaftlicher Arbeiten. Eigene Programme, die sich ausschließlich mit der Materie Marken- und Produktpiraterie befassen, gibt es jedoch weder an der WU noch an anderen österreichischen Hochschulen.

Explizit mit Fälschungen beschäftigt man sich in einem der sechs Module des neuen Zertifikatskurses „Forum Kunstrecht“, der im April erstmals an der Universität Wien startet. Der zweisemestrige Kurs betrachtet verschiedene Fragen des Kunst- und Kulturbereichs unter juristischem Aspekt.

Im Modul „Die Kunstfälschung“ geht es laut Lehrgangsleiterin Gerte Reichelt darum, Fälschungen juristisch, kunsthistorisch und aus Sicht des Sammlers darzustellen und dies anhand von Fällen aus der Praxis zu erläutern. „Ich befasse mich seit Jahrzehnten mit dem Kunstrecht auf nationaler und internationaler Basis“, sagt Reichelt, die auch die Forschungsgesellschaft Kunst & Recht leitet und das Ludwig-Boltzmann-Institut für Europarecht mitbegründete. Der neue Zertifikatskurs auf postgradualer Ebene sei nun für sie „eine Möglichkeit, auf die Wichtigkeit des Kunstrechts für die Praxis aufmerksam zu machen und Expertenwissen weiterzugeben“. Als Referenten konnten international anerkannte Kunstrechtsexperten, Kunsthändler und -sammler aus ganz Mitteleuropa gewonnen werden.

Auch was Geld betrifft, ist das Erkennen von Fälschungen ein großes Thema, zum Beispiel im Masterstudium „Numismatik und Geldgeschichte“ am gleichnamigen Institut der Universität Wien. Ziel ist eine wissenschaftlich fundierte, breite Materialkenntnis von Objekten der Münz- und Geldgeschichte, von der Antike bis in die Neuzeit. Die Absolventen sollen zum einen befähigt sein, in der Forschung zu arbeiten und wissenschaftliche Untersuchungen an Münzen, Medaillen, Papiergeld und anderen Geldformen durchzuführen. Zum anderen sollen sie auch im Münzhandel oder in Museen tätig sein können, wofür unter anderem ein Praxismodul vorgesehen ist.

In diversen Fortbildungsinstituten werden Fälschungen ebenfalls behandelt. Auch wenn ihnen keine eigenen Kurse gewidmet sind, gibt es eine Reihe von Seminaren, die das Thema teilweise abdecken. So bietet die Akademie für Recht, Steuern und Wirtschaft (ARS) demnächst ein Seminar für Markenrecht an, in dem es auch um Markenstreitigkeiten und Lizenzverträge gehen wird.

INFORMATION

Ausgewählte Ausbildungen mit Bezug zum Thema Fälschung:

• Zertifikatskurs „Forum Kunstrecht“, Universität Wien:

www.postgraduatecenter.at/kunstrecht

• Masterstudium „Numismatik und Geldgeschichte“, Universität Wien

http://studentpoint.univie.ac.at

www.postgraduatecenter.at

• Seminar „Markenrecht in der Praxis“, Akademie für Recht, Steuern und Wirtschaft (ARS), 24. 3. 2015

www.ars.at/nc/kategorien/seminar

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2015)

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