Lehrercoaching: „Es zeigt, wo man selbst steht“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Zeiten, als Pädagogen reine Wissensvermittler waren, sind vorbei. Heute müssen sie von Vertrauensperson bis Abteilungsleiter diverse Aufgaben erfüllen. Spezielles Coaching kann helfen.

Zunehmend wird von Lehrern erwartet, dass sie als reflektierende Praktiker ihr professionelles Tun während ihres gesamten Berufslebens weiterentwickeln“, schreibt Fritz Staub, Inhaber des Lehrstuhls für Gymnasialpädagogik sowie Lehr- und Lernforschung an der Universität Zürich, in einem bereits 2001 formulierten Essay. 14 Jahre später sind die Anforderungen um vieles umfassender geworden, und spezielles Coaching für Pädagogen wird vermehrt angeboten. Was sollen diese Programme leisten?


Beziehungsaufbau. „Pädagogen sollen heute Sozialarbeiter, Vertrauensperson, Abteilungsleiter und Wissensvermittler in einem sein“, sagt Clemens Österreicher, Mitgründer des Vereins Wellenkreise. „Das ist natürlich viel auf einmal.“ Und zu viele Anforderungen schaden jeder Beziehung, auch jener zwischen Lehrer und Schüler. Der Verein für nachhaltige Bildungsprojekte veranstaltet daher nicht nur ein Lehrercoaching, sondern kombiniert dieses mit einem Get-together mit Schülern. „Das erleichtert den Beziehungsaufbau auch jenseits der Klasse und fördert die Arbeitsfähigkeit und den Zusammenhalt in der Gemeinschaft.“ So kann das Lernen konstruktiv und nachhaltig gestaltet werden.

In der Lehrerfortbildung der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems KPH wird berufsfeldbezogenes Coaching und berufsfeldbezogene Supervision in Gruppen angeboten. „Neben der notwendigen fachlichen Kompetenz eines Lehrenden ist Beziehungsarbeit ein wesentliches Element gelingenden Unterrichts. In Beziehung zu treten, mit Menschen täglich in einer Intensität, wie sie nur Pädagogen erleben, zusammen zu sein, kostet sehr viel Energie und Kraft“, erklärt Andrea Gerstenberger, Leiterin des KPH-Beratungszentrums Kompass auf dem Campus Krems. Wer hier ein Coaching in Anspruch nimmt, wird über ein ganzes Schuljahr mit jeweils drei Terminen pro Semester begleitet: „Die Lehrerteams werden bei der Klärung und Gestaltung von Aufgaben, Aufträgen, Funktionen und Rollen unterstützt. Coaching hilft, innovative Lösungen bei neuen Fragestellungen zu erkennen, und begleitet bei Veränderungsprozessen.“


Orientierung.
Eine wichtige Aufgabe des Coachings ist auch der Abbau von Frust – indem man ungehemmt über alles reden kann. Und dabei auch frei wird für neue Sichtweisen, die den Arbeitsalltag erleichtern. Gründe für Frust gibt es leider viele. „Das ständige Bewerten, das zu einem eingeengten Blick führt, und das Scheitern an den Lehrplan-Zielen, weil nicht alle Schüler dorthin geführt werden können, wo Schule sie haben will“, zählt Brigitte Lion, Leiterin des Musikpädagogischen Zentrums MPZ der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, auf. „Und oft auch die Ohnmacht, viele Kinderschicksale zu sehen und nicht genügend Einfluss nehmen zu können.“ Zahlreiche Coachings beschäftigen sich genau mit der Problematik Idealismus/Machbarkeit, am MPZ gibt es eines speziell für Musiklehrer.


Qualitätssicherung. Um sich weder als Versager zu fühlen noch einer zu werden, kann Coaching auch dabei helfen, den Werdegang als Lehrer zu kontrollieren. Gerade Junglehrer und Praktikanten „müssen sich damit arrangieren, dass das im Studium Erlernte nicht eins zu eins auf Schüler übertragen werden kann“, so Lion, die am MPZ auch ein spezielles Coaching für Junglehrer anbietet. Ältere Semester können sich der gesellschaftlichen Entwicklung nicht entziehen, was oft ein Überdenken tradierter Werte nötig macht – ein sehr persönliches Thema. „Hier unterstützt Coaching nicht nur die persönliche Weiterentwicklung, sondern ist ein wunderbares Tool zur eigenen Qualitätssicherung“, so Clemens Österreicher. „Es zeigt, wo man selbst steht.“

INFORMATION

Coaching und/oder Supervision für Lehrer wird an vielen Pädagogischen Hochschulen, aber auch in Organisationen wie Landesschulräten und Gewerkschaften angeboten.

Links (Auswahl):

www.musiceducation.at

www.wellenkreise.at

www.kphvie.ac.at

Am Tag der Supervision(27. April 2015) kann man sich über die Vorgehensweise und praktische Erfahrungen informieren.

www.lbz-stmk.at , www.lsr-ooe.gv.at

www.bildungsgewerkschaft.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2015)

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