Von Osterglück und Leidensdruck

Erhard Weiher
Erhard Weiher(C) Archiv
  • Drucken

Was bewegt Menschen in schweren Zeiten? Was hilft? Lehrgänge für spirituelle Begleitung, Palliative Care und Spiritual Care vermitteln theologisches und medizinisches Wissen.

Die einen suchen Ostereier, die anderen Antworten auf grundlegende Fragen – und viele beides: Die Feiertage bringen Themen wie Frühlingserwachen und Lebensfreude ebenso mit sich wie Sterben, Leid, Tod und ein Leben danach. Theologe Ernst Fürlinger, Leiter des Universitätslehrganges für „Spirituelle Begleitung in der globalisierten Gesellschaft“ an der Donau-Universität Krems, und Dozent sowie Krankenhausseelsorger Erhard Weiher über die Begleitung von Menschen in schweren Zeiten, und darüber, was man dafür können muss.

Die Presse: Herr Weiher, Sie haben jahrzehntelange Erfahrung mit der Begleitung sterbender Menschen und deren Angehöriger. Was passiert, wenn man sich verabschieden muss – oft schockierend plötzlich, wie von den jüngsten Flugzeugabsturzopfern?

Erhard Weiher: Für Angehörige ist das Erleben sicher zuerst ein Karfreitag und -samstag. Das gilt es in der seelsorglichen Begleitung mitzutragen. Ostern ist für sie, wenn sie das realisieren können, ein Leuchtturm am fernen Horizont eines aufgewühlten Meeres, über das sie hinüberkommen müssen.

Was würden Sie Studierenden im Lehrgang „Spirituelle Begleitung“ raten, wie mit solchen Menschen umzugehen ist?

Am Lehrgang nehmen viele Psychotherapeuten und Berater teil. Ihre Aufgabe ist es dann nicht, psychotherapeutisch das Leben der Betroffenen zu bearbeiten, sondern die erste Trauer aufzufangen, Erinnerungen aus der Beziehungsgeschichte mit den Angehörigen aufzurufen. Spiritualität wird dann eher in Form achtsamer Haltung aktiviert. Aber auch in den Erinnerungsgeschichten kommt die Spiritualität zum Vorschein.

Woher rührt das Interesse? Mit welcher Motivation kommen die Studenten?

Ernst Fürlinger: In vielen berufsspezifischen Ausbildungen werden Fragen von Religion und Spiritualität aus verschiedenen Gründen nicht oder kaum behandelt. In der beruflichen Praxis sind dann viele Menschen aber mit diesen Fragen bei ihren Klienten oder Patienten konfrontiert, sei es in der Arbeit mit gefährdeten, traumatisierten Kindern und Jugendlichen, mit Flüchtlingen, mit Suchtkranken oder im Rahmen der Psychotherapie. Es geht im Lehrgang darum, den eigenen Standpunkt in diesem Feld zu klären und Kompetenzen für den Umgang mit der religiösen und spirituellen Dimension im jeweiligen Berufsfeld, in der Begleitung von Menschen weiterzuentwickeln und Spiritualität als Ressource dabei zu nutzen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den zeitgenössischen Kontext dieser Beschäftigung gerichtet, nämlich den der globalisierten, weltanschaulich pluralen Gesellschaft.

Weiher: Die Studierenden sind von ihren Begegnungserfahrungen und ihrem Menschenbild her überzeugt, dass die rein fachlichen Methoden ihres Berufs nicht ausreichen, Klienten ganzheitlich zu begleiten. Die Patienten und Klienten bringen ja außer ihrem Problem auch ihre Gefühle und ihre Spiritualität in die Behandlung mit. Sie sind Krankenhausseelsorger.

Welche Fragen beschäftigen die Menschen am Ende des Lebens? Ist Auferstehung da ein Thema?

Weiher:Zunehmend mehr Menschen haben heute nur noch schwache Vorstellungen von Auferstehung. Ihnen geht es in der Begleitung eher darum, mit ihnen das gelebte Leben anzuschauen und es zu würdigen. Das ist das Seil, an dem sie sich in die unbekannte Zukunft vortasten. Seelsorge segnet diese Lebensgeschichte mit ihren Höhen und Tiefen und signalisiert damit, dass es einen Wert hat, der über den Tod hinausreicht.

Wie unterschiedlich wirken sich Religionen und Kulturen auf die Einstellung zum Sterben aus?

Weiher: So ziemlich alle Kulturen der Menschheitsgeschichte haben eine Deutung für Sterben, Tod und Schicksal. Menschen, die in einer solchen religiösen Kultur verwurzelt sind, können – statistisch gesehen – leichter sterben. Sie können sich mit ihrer Religion sozusagen über den Tod hinwegsetzen und sich bleibend aufgehoben wissen.

Ihr Lehrgang bringt Personen mit unterschiedlichen Kulturen und Hintergründen zusammen. Was für Diskussionen ergeben sich aus diesem Umstand?

Fürlinger: Ein markantes Beispiel ist die Begegnung mit einem Rabbiner aus Wien. Er erklärte von Vornherein klipp und klar, dass es so etwas wie Spiritualität aus jüdischer Sicht gar nicht gibt. Entscheidend in der jüdischen Glaubenspraxis sei der Bezug zu den konkreten Dingen des irdischen Lebens im Hier und Jetzt. Das zeigt, dass zu den Kompetenzen, die der Lehrgang vermittelt, gehört, unterschiedliche religiös geprägte Weisen der Weltsicht wahrzunehmen und das eigene Verständnis nicht einfach absolut zu setzen und auf das Gegenüber zu projizieren. Gleichzeitig geht es darum, mit der Vielfalt innerhalb einer Religionsgemeinschaft zu rechnen – denn natürlich gibt es im Judentum auch dezidiert spirituelle und mystische Strömungen, die der betreffende Rabbiner aber nicht angesprochen hat, weil er einer anderen Richtung angehört.

Was sollten Absolventen des Lehrgangs aus Ihrer Sicht unbedingt mitnehmen?

Fürlinger: Sie sollten spirituelle Ansätze und Zugänge, zum Beispiel aus dem Bereich der Achtsamkeitstraditionen oder der Ritualarbeit, für ihre spezifische berufliche Tätigkeit sehr genau und reflektiert anwenden und in die Praxis umsetzen können – und diese zugleich als Ressource für sich persönlich nutzen können.

Weiher: Absolventen haben in diesem Lehrgang gelernt, nicht zuerst ihre eigene Spiritualität in die Begleitung einzubringen, sondern jene ihrer Klienten zu entdecken und so zu „potenzieren“, dass sie zur Ressource wird, mit der sie ihr Leben und Leiden besser bewältigen können. Sie sollen fähig sein, ganzheitlich mit den Menschen umzugehen, die Hilfe brauchen.

INFORMATION

Weiterbildungslehrgänge für Spirituelle Begleitung und Palliativmedizin

Donau-Universität Krems,

Universitätslehrgang „Spirituelle Begleitung in der globalisierten Gesellschaft“, ab Oktober, Graduierungen: Master of Arts, Akademische/r Experte/-in www.donau-uni.ac.at/religion

Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) in Salzburg,
Universitätslehrgang „Hospiz & Palliative Care“, ab Herbst,
Graduierungen: Master of Science Palliative Care, Akademische/r Palliativexperte/-in

www.hospiz.at

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Internationaler Universitätslehrgang „Palliative Care“, seit März, Master of Advanced Studies Palliative Care

www.uni-klu.ac.at/pallorg

Kardinal-König-Haus Wien

Interprofessioneller Palliative-Lehrgang, ab Oktober,

www.kardinal-koenig-akademie.at

ZUR PERSON

Ernst Fürlinger ist Leiter des Universitätslehrganges für „Spirituelle Begleitung in der globalisierten Gesellschaft“ an der Donau-Universität Krems. [ Donau-Universität Krems ]

Eberhard Weiher ist Krankenhausseelsorger und Dozent im oben erwähnten Lehrgang der Donau-Uni Krems. [ Uni-Medizin Mainz ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.