Und nach der Flucht?

Schatten
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Mitgefühl und Engagement hilft Flüchtlingen sehr, ohne Expertise sind Traumata und Integration aber kaum zu bewältigen. Wo es Know-how gibt, und was jeder lernen kann.

Sechs Jahre war Emmanuel Mbolela unterwegs – nicht aus Abenteuerlust, sondern aus purer Not. Vergangenen Donnerstag stellte er sein Buch „Mein Weg vom Kongo nach Europa“ an der FH Vorarlberg vor, eingeladen vom Department für Sozial- und Organisationswissenschaften. Das Interesse: groß. Obwohl der Aktivist gegen Rassismus kein Unbekannter, das Buch nicht mehr neu ist.

Vom Gehen und Bleiben

„Das Thema beschäftigt die Studenten, immer mehr fragen, ob sie ihre Bachelor- oder Masterarbeit dazu schreiben können“, berichtet Belachew Gebrewold, Leiter des Departments Department für Soziale Arbeit am Management Center Innsbruck (MCI). Sowohl im Bachelor als auch im Master ist Migration ein zentrales Thema mit diversen Schwerpunkten. Unter anderem soll dabei geholfen werden, im Kosovo einen Masterstudiengang Soziale Arbeit aufzubauen. Geforscht wird auch: In der Arbeit „Movers and Stayers“ etwa, die dieses Jahr als Buch herauskommen wird, wurden die Auswirkungen des Arabischen Frühlings auf die Migration untersucht. Gebrewold zum Ergebnis: „Die Entscheidung aufzubrechen wird nicht beeinflusst, die politischen Neuerungen sind gar nicht immer bekannt. Doch der Fluss hat sich verändert. Die Pufferfunktion, die zum Beispiel Libyen unter Gaddafi innehatte, fällt weg, die Migranten werden nicht wie früher oft dort ansässig, sondern sofort weitergeschickt.“ Im vergangenen Jahr waren es 60.000.

Hohe Frustrationstoleranz

„Die Tragödien im Mittelmeer waren zu erwarten“, so Bernd Wachter, Generalsekretär der Caritas. „Die Einstellung von Mare Nostrum gehört nicht zu dem Europa, für das ich gestimmt habe.“ Es brauche eine hohe Frustrationstoleranz – nicht nur politisch, sondern vor allem sozial –, um in der Flüchtlingshilfe zu arbeiten. Bei Bewerbungsgesprächen wird besonders auf drei Punkte geachtet, so Christian Schörkhuber von der Volkshilfe Oberösterreich: „Hohe Frustrationsgrenze, soziale Kompetenz und Verantwortlichkeit, und im Idealfall interkulturelle oder auch Migrationserfahrung.“

Die soziale Vorbildung wird meist durch Bachelor (und Master) an den Fachhochschulen garantiert. „Es braucht Kompetenzen auf drei Ebenen: zum einen Asyl, Flucht, Ankunft und Betreuung in Österreich“, so Gertraud Pantucek von der FH St. Pölten. „Zudem Umgang mit Traumata, drittens Kenntnisse im Asyl- und Fremdenrecht.“ Die FH St. Pölten bietet dazu die Lehrveranstaltung Diversität und Interkulturalität, das Wahlfach Migration, und eine Projektarbeit, die sich mit Asylwerbern beschäftigt.

Diese Grundausbildung sei in allen FH-Bachelor ähnlich. Die jeweiligen Master sind Spezialisierungen, etwa International Health & Social Management (MCI), Interkulturelle Soziale Arbeit (FH Vorarlberg), Soziale Arbeit: Entwickeln und Gestalten (FH Kärnten) oder Transkulturelles Handeln (FH Campus Wien). „Meist wird nach dem Bachelor gearbeitet, eine Weiterbildung wird je nach Anforderung an einer Hochschule oder beim Arbeitgeber absolviert“, so Pantucek. In der Volkshilfe OÖ etwa macht jeder neue Mitarbeiter im Migrationsbereich einen zweisemestrigen Lehrgang zum Thema, der berufsbegleitend in elf Modulen abgehalten wird. „Damit können Migranten, die am Deutsch oder Englisch für einen FH-Bachelor scheitern, bei uns als Betreuer tätig werden“, so Schörkhuber.

Beim Roten Kreuz oder der Caritas gehören interne Fortbildungen und externe Weiterbildungen ebenfalls fix dazu. Bei der Caritas ist der berufsbegleitende Lehrgang Asyl- und Fremdenrecht nicht nur bei Juristen beliebt, die sich spezialisieren möchten, sondern auch bei juristischen Laien aus dem Sozialbereich, „die wissen möchten, was Sache ist“, so Wachter. Wichtige Inhalte sind neben Rechtsfragen auch Soft Skills. Wachter: „Ein Beratungsgespräch mit einem traumatisierten Menschen zu führen, der vielleicht kürzlich seine ganze Familie verloren hat, ist ja nicht einfach.“

Wissen für alle

Nicht nur für Mitarbeiter im Asyl- und Flüchtlingsbereich, sondern für jeden Interessierten sind die Angebote der Asylkoordination in Wien gedacht: etwa „Kultur und Trauma“ am 7. Mai oder „Einführung Fremdenrecht“ am 11./12. Juni. Auf Anfrage werden auch Workshops abgehalten, etwa Argumentationstrainings gegen Stammtischparolen oder Burn-out-Prävention. Pantucek: „Das Wissen, wie man sich selbst von Fremdenfeindlichkeit und vom Leid der Betroffenen abgrenzt, ist extrem wichtig .“

Das betrifft auch viele der ehrenamtlich Tätigen, die sich bei NGOs melden „und etwas tun möchten. Durch Patenschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, kleine Projekte oder einfach ein Fußballspiel bringen diese Menschen Alltag und Normalität in die Unterkünfte“, so Wachter. „Wir begleiten daher jedes Engagement.“

INFORMATIONEN

Bachelor & Master Soziale Arbeit sowie akademische Weiterbildung (Auswahl):

www.fhv.at, www.fhstp.ac.at

www.mci.edu, www.fh-kärnten.ac.at

www.fh-campuswien.ac.at

www.donau-uni.ac.at

Weiterbildung und Engagement bei Hilfsorganisationen (Auswahl):

www.roteskreuz.at, www.caritas.at (Lehrgang Asyl-und Fremdenwesen)

www.volkshilfe.at (Kurse & Lehrgang)

www.asyl.at (Seminare und Workshops)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2015)

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