Lernen im und für das Leben im Alter

Seniorin mit Laptop
Seniorin mit Laptop(c) Erwin Wodicka - BilderBox.com (Erwin Wodicka - BilderBox.com)
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Geragogik. Dass sich die neuronalen Verknüpfungen in der fortgeschrittenen Lebensphase wieder lösen, ist ebenso eine Mär wie das unausweichliche Pensionsloch.

Lernen im Alter soll das Leben leichter, qualitätsvoller und sinnerfüllter machen“, sagt Andreas Weissenbäck, Vizerektor der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems. Sie bietet den österreichweit einzigen Masterstudiengang zum Thema Geragogik an. Unter dieser noch jungen Wissenschaftsdisziplin versteht man „die Querschnittsmaterie aus der Andragogik (Erwachsenenbildung) und Gerontologie (Alternswissenschaft). Bisweilen wird auch der Begriff Alterspädagogik verwendet. Mittlerweile findet eine Etablierung der Geragogik als selbstständige Wissenschaftsdisziplin statt“, so Weissenbäck. Der sechssemestrige Studiengang eignet sich für alle, die mit lernenden, älteren Menschen zu tun haben. Wobei die Beschreibung „ältere Menschen“ heutzutage zu indifferent sei: „Die ehemals sogenannte dritte Lebensphase ist zumindest in eine dritte und vierte Lebensphase zu unterteilen. Die Lebenswelt eines 55-Jährigen mag sich mitunter signifikant von jener eines 90-Jährigen unterscheiden. Den stereotypen älteren Menschen gibt es nicht.“

In den Köpfen vieler Menschen hält sich das Vorurteil von Hänschen und Hans hartnäckig, sagt Geragogin Veronika Felmer: „Dabei haben Studien bewiesen, dass zwar die Schnelligkeit des Lernens, aber nicht die generelle Fähigkeit dazu abnimmt. Die neuronalen Verbindungen funktionieren nach wie vor.“ Immer wieder begegne sie Menschen, die glauben, vor allem nach dem aktiven Berufsleben auch ihr Gehirn in Pension schicken zu müssen: „Lernen ist nur im Beruf anerkannt.“ Dabei ist es immens wichtig, sich auf das Älterwerden selbst vorzubereiten, denn Alterungsprozesse können manchmal schlagartig beginnen. Christine Mitterlechner, Projektleiterin von „L3M – Lebensbegleitend Lustvoll Lernen“ nach Montessori, tritt deshalb für präventives Lernen ein: „Bildung hat damit zu tun, dass ich mich auf später, etwa eine Krankheit, vorbereiten kann. Es fördert die Selbstbestimmung von Senioren und gibt Antworten darauf, wie man diese Lebensphase nutzen und würdigen kann.“ Im Rahmen dieses Projekts werden Menschen aus sozialen Berufen, aber auch solche, die am Ende ihres Berufslebens stehen, über die vielen Aspekte des Älterwerdens informiert. Sprachliche Veränderungen im Alter sind während des achtteiligen Lehrgangs ebenso ein Thema wie Einsamkeit oder intergenerationelle Kommunikation.

Angebote an Bedürfnisse anpassen

Dass die 50-plus-Generation lernunwilliger ist als Jüngere, ist auch für Monika Traurig ein Vorurteil. Sie ist am Zentrum für Geranimation als Geragogin tätig und sagt: „Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die der Zielgruppe angepasst sind und den persönlichen Vorteil für die Teilnehmer hervorheben. Die Lernarrangements müssen sowohl auf Bedürfnisse und Kompetenzen als auch auf mögliche Defizite Rücksicht nehmen.“ Wer sich zum Geranimationstrainer ausbilden lässt, begegnet im achtwöchigen Grundkurs Lerninhalten aus dem kreativ-musischen, kognitiven und motorischen Bereich. Danach folgt eine vierwöchige Vertiefung in ausgewählte Themen wie Management von ehrenamtlichen Mitarbeitern, Brauchtum im Jahreskreis und Veranstaltungsorganisation. Abschließend folgt ein achtwöchiges Praktikum. „Menschen, die den Lehrgang besuchen, wollen sich beruflich neu orientieren, einen intensiveren Umgang mit älteren Menschen, eventuell eigenen Angehörigen, haben, und ein tieferes Verständnis dafür entwickeln, weshalb Kommunikation zwischen verschiedenen Altersgruppen schwierig ist, um diese verbessern zu können.“

INFORMATION

Geragogik bezieht sich sowohl auf Bildungsangebote für ältere Menschen als auch auf Weiterbildung für alle, die mit älteren Menschen leben, lernen oder arbeiten. Adressaten geragogischer Bildungsangebote sind nicht nur ältere Menschen selbst, sondern alle, die sich mit dem Altern auseinandersetzen.

Web:www.geranimation.at,www.kphvie.ac.at, www.bildung-ohne-altersgrenzen.at,www.montessori-geragogik.at, www.fernfh.ac.at/studienrichtungen/aging-services-management/

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2015)

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