Sprachkunst in Hülle und Fülle

GERMANY LITERATURE
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Buchstudien. Linguistik oder Philologie sind nicht die einzigen Möglichkeiten, um seine Liebe zu Büchern und Literatur in einem Studium zu leben. Darunter das neue Studium „Buchgestaltung“.

Wie wird man Literat? Kann man die Schriftstellerei erlernen? Und ist es nicht kontraproduktiv, ein literarisches Talent akademischen Zwängen zu unterwerfen? Der Literatur billigen wir weniger gern zu, was in der Malerei oder der Komposition selbstverständlich erscheint: die Notwendigkeit, Grundtechniken zu studieren, aber auch Einzigartigkeit zu fördern, von Meistern ihres Faches zu lernen und kritisiert zu werden.

Dass man sich bei Autoren derartige Lernprozesse weniger vorstellen könne, liege wohl an einem Genie-Klischeebegriff, mutmaßt der Autor Ferdinand Schmatz, der Österreichs einziges Studium für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst leitet.

Schreiben lernen

Die hohe Nachfrage nach dem Bachelor zeigt, wie groß der Wunsch nach Betreuung und Professionalisierung ist. Für das jährliche Aufnahmeverfahren verzeichnet man jeweils zwei- bis dreihundert Einsendungen. Letztlich werden 15 Personen ausgewählt. „Ganz wichtig ist uns das eigene Schreiben, die Heterogenität“, sagt Schmatz. Aus diesem Grund würden als Lehrende keine Literaturwissenschaftler verpflichtet, sondern ausschließlich Dichter und Autoren. Robert Schindel, Vladimir Vertlib oder Josef Winkler sind etwa darunter zu finden. „Wir können den Studierenden nicht sagen, wie ein literarischer Text funktionieren kann, wohin er gehen soll oder gar muss“, sagt Schmatz. „Aber im Sinn einer konstruktiven Kritik wollen wir aufzeigen, was nicht geht, nicht stimmig ist, nicht passt in einem Text oder anderem sprachkünstlerischen Projekt.“ Sehr wichtig seien den Studierenden auch die großen Feedback-Runden, in denen ihre Texte besprochen werden.

Große Möglichkeiten ergeben sich durch den Studienort: Die Angewandte eröffnet mit all ihren künstlerischen Richtungen – grafisches Gestalten, transmediale Kunst oder Poetry Film beispielsweise – jede Menge Möglichkeiten zum künstlerischen Austausch oder für gemeinsame Projekte mit anderen Sparten. In Österreich gibt es bisher kein anderes vergleichbares Studium auf Bachelorniveau. In Deutschland bieten die Unis Leipzig und Hildesheim „Literarisches Schreiben“ an, in der Schweiz die FH Biel ein Bachelorstudium „Literary Writing“.

Bücher designen

Wem keine schriftstellerische Gabe in die Wiege gelegt wurde, wohl aber gestalterisches Talent, dem dürfte vielleicht eine andere, für Österreich neue Ausbildung liegen: der Universitätslehrgang „Buchgestaltung“, den die New Design University – Privatuniversität St. Pölten ab Herbst dieses Jahres erstmals anbieten wird. Die Teilnehmer des dreisemestrigen Lehrgangs werden mit dem gesamten Ablauf einer Buchproduktion vertraut gemacht– von der Konzeption und Redaktion über die Gestaltung und Herstellung, sie lernen aber auch Entwicklungen im zeitgenössischen Buchdesign kennen. „Vor allem benötigen Buchdesigner die Fähigkeit zum konzeptionellen Denken und Gestalten, aber auch Kompetenz im Projektmanagement“, sagt Lehrgangsleiterin Gabriele Lenz, selbst vielfach preisgekrönte Gestalterin etwa von Architektur-, Kunst- oder Fotobänden. Der Universitätslehrgang, den die Absolventen als „akademisch geprüfte Buchgestalter“ abschließen, kann als Rarität bezeichnet werden, gibt es doch im gesamten deutschsprachigen Raum kein einziges Masterstudium und auch keinerlei Lehrgänge oder Zusatzausbildungen in diesem Bereich. Einzig die „Buchstadt“ und historische Typografie-Hochburg Leipzig bietet einen Diplomstudiengang in „Buchkunst/Grafikdesign“ an. Der neue Lehrgang kommt laut Lenz „sowohl für gestalterisch Ausgebildete“ infrage „als auch für Interessenten, die einen Schwerpunkt in der inhaltlichen Konzeption haben, wie Buch- und Designaffine in den Bereichen Journalismus, Marketing, Architektur, Kunstgeschichte, Kulturmanagement, aber auch für Fachleute aus dem Druck- und Verlagswesen“. Bei der Aufnahmeklausur ist ein gestalterisches oder inhaltliches Buchkonzept vorzulegen.

Eine Art Gegenwelt zur traditionellen Buchherstellung erschließt sich im Universitätslehrgang „Digital Media Publishing“, den die Donau-Universität Krems im Jahr 2013 ins Leben gerufen hat. Hier geht es darum, Studierende aus Buch- und Zeitschriftenverlagen, aber auch aus Medienagenturen auf die digitalen Herausforderungen vorzubereiten und ihnen ein ganzheitliches Denken zu vermitteln. „Geschäftsmodell, Produktion, Content, Marketing und Vertrieb müssen im digitalen Umfeld gemeinsam gedacht werden“, sagt Editz Blaschitz, Leiterin des Stabsbereichs „Digital Memory Studies“ der Donau-Uni.

Mobiles Publizieren

Ein momentan großes Thema sei etwa Mobile Publishing oder plattformübergreifendes Publizieren. „Wenn ich darüber nachdenke, wie ein bestimmter Inhalt medienübergreifend funktionieren kann – auf mobilen Endgeräten, im Internet oder im Printbereich –, so hat dies auch Auswirkungen auf den Inhalt selbst. Crossmediales oder transmediales Storytelling ist hier ein wichtiger Baustein.“ Andere wichtige Themen seien beispielsweise die Schlagwörter Discoverability (Wahrnehmbarkeit im Überfluss des digitalen Angebots) oder Finanzierungsmöglichkeiten (Bezahlmodelle für Onlinemedien oder Crowdfunding).

Aus der klassischen Verlagsbranche sei gegenüber den digitalen Möglichkeiten noch immer eine abwartende und teilweise sogar ablehnende Haltung wahrzunehmen. Immer wieder werden die Sorge um den Verlust der Qualität und die Angst vor der „Gratismentalität“ im Internet thematisiert, sagt Blaschitz. „Die digitalen Möglichkeiten erweitern aber das Handlungsspektrum und bieten für kleinere Verlage und Medienunternehmen spannende Nischen, Geschäftsfelder und Ansatzpunkte. Hier muss allerdings neu gedacht und vor allem ausprobiert werden.“

INFORMATION

Bachelorstudium „Sprachkunst“,

Universität für angewandte Kunst,

www.dieangewandte.at

Universitätslehrgang „Buchgestaltung“, New Design University – Privatuniversität St. Pölten, www.ndu.ac.at

Universitätslehrgang „Digital Media Publishing“, Donau-Universität Krems,

www.donau-uni.ac.at

Veranstaltung (30. 11./1. 12. 2015): Symposium „Verfransung“

des Instituts für Sprachkunst

in den Räumlichkeiten

der Universität für angewandte Kunst und der Alten Schmiede

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2015)

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