Medientraining für Frauen: „Niemand kann perfekt sein“

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Woran es liegt, wenn sich vor allem Frauen in der Öffentlichkeit nicht selbstbewusst präsentieren. Und Ansätze, wie man es ändern kann.

Vorausschauend, empathisch, selbstkritisch und vernetzt denkend: erfolgversprechende Eigenschaften, möchte man meinen. Stimmt aber nicht immer – vor allem, wenn vor diesen Eigenschaften ein latentes „zu“ steht. Und das, so sagt es die Statistik und so manche eigene Erfahrung, ist öfter bei Frauen als bei Männern der Fall.

Warum das so ist? „Frauen sind traditionell zum ,Wir haben uns alle lieb‘-Prinzip erzogen“, so Andrea Köck, Trainerin für gehirngerechte Kommunikation und Rhetorikexpertin. „Daher scheuen sie die mit einem Außerordentlichsein oftmals verbundene Einsamkeit, zumal sie den Wunsch nach Respekt, der im Job gefragt ist, mit dem Wunsch nach Liebe verwechseln, der in den privaten Bereich gehört“, sagt die Expertin.

Altlasten entsorgen

Trainerin Ursula Scarimbolo spricht in diesem Zusammenhang von transgenerationalen Auswirkungen. Ihrer Meinung nach wirken Familienwerte und Aussagen lange nach, vor allem unbewusst: „Ein Beispiel: Wenn meiner Großmutter, die Ärztin war und aus der Stadt kam, von ihrem Mann mit einer Landarztpraxis gesagt wurde, dass er sie nicht geheiratet hätte, damit sie feine Dame spiele – und ich zwei Generationen später aus einem mir unbekannten Grund Feine-Dame-Spielen ablehne und mir ein hartes Leben mit viel Arbeit gebe, merkt man, dass Botschaften oft tiefe, lange Auswirkungen haben.“ Man brauche viel Weiterbildung, um zu erkennen, dass Konditionierungen nicht nur auf äußere Umstände, sondern auch innere Programmierungen zurückzuführen sind. Die von ihr entwickelte Methode heißt Metamorphósis – Time for a Change. Ausgehend von der Beziehung zum (eigenen) Geld als Symbol für die sichtbare Selbstwirksamkeit ist dies ein systemisch-integrativer Coachingprozess, der alle Bereiche der Persönlichkeit und Lebensumstände umfasst. „Ich arbeite mit kreativen Medien, Gespräch und übend beziehungsweise ausführend körpertherapeutisch an Auftritt und Präsentation, Wirkung, Stimme, Gefühlen, Dialogen und Gedanken über sich selbst.“

Weg mit dem Scheffel...

Doch auch wer keine Altlasten mit sich herumschleppt, wagt oft nicht, frank und frei sein Bestes zu geben. „Unsere Gespräche mit vielen Frauen zeigen, dass sie zur Perfektion neigen“, so Mehrdokht Tesar, Geschäftsleiterin der Kommunikationsagentur Floorfour. „Da aber niemand perfekt sein kann und alle Fehler machen, schämen sie sich und machen sich Vorwürfe, wenn etwas nicht gelingt.“ Dadurch würden Frauen kontinuierlich an Selbstachtung und Selbstwertgefühl verlieren. Hier müsse man dagegenhalten: „Sobald Frauen mit ihren vermeintlichen Fehlern zurechtkommen und sie nicht mehr wichtig nehmen, fühlen sie sich selbstbewusster und treten auch so auf.“ Deshalb ist das Floorfoor-Seminar „Bühne frei für Frauen“ kein reines Medientraining, sondern eine Kombination aus Auftritts-, Motivations- und Medientraining.

Der Fokus liegt auf dem Abbau der Ängste mithilfe von Medien, denn es liege an den Auftrittsängsten, warum immer noch wenig Frauen bei Podiums- und Fernsehdiskussionen zu sehen seien: „Wir schaffen eine Atmosphäre, in der Frauen sehr offen sprechen können. So finden wir schnell heraus, was die Gründe dafür sind, dass sie nicht auftreten wollen oder sich vor Präsentationen fürchten“, erläutert Tesar. Nach dem Training gehe die Betreuung weiter, insofern, „dass die Teilnehmerinnen von uns regelmäßig Aufgaben bekommen und daran erinnert werden, was sie gelernt haben.“

...her mit dem Licht

Oft befördere schon die Erkenntnis, dass frau mit ihren Themenstellungen nicht allein dasteht, die Motivation, sagt Unternehmensberaterin und Coach Monika Kobzina. Selbstkritik könne „ein Motor für Wachstum, Innovation und Veränderung sein, ist bis zu einem gewissen Maß förderlich und positiv. Wenn Selbstkritik dazu führt, Chancen nicht anzunehmen und sich selbst im Weg zu stehen, sollte sie transformiert werden.“ In Trainings und Coachings tritt sie der Selbstentwertung in drei Schritten entgegen: das Erkennen der übermäßigen Selbstkritik, die Anerkennung der positiven Absicht dahinter und die schrittweise Reduktion der Selbstkritik auf ein situations- und persönlichkeitsadäquates Maß. „Meiner Erfahrung nach führt oftmals das Erkennen der positiven Absicht bereits zu einer konstruktiven Verhaltensänderung.“

Gisela Kokron, Mediatorin und Trainerin, sieht Ursache wie Lösung in der Biologie: „Frauen weisen um 30 Prozent mehr Nervenverbindungen zwischen den beiden Gehirnhälften auf, was natürlich die unterschiedliche Kommunikationsweise von Frau und Mann erklärt.“ Das solle man auch nutzen: „Hier kann man gezielt eingreifen, indem man die Stärken der Frauen noch weiter fördert: die Fähigkeit zur Empathie, zur offenen Kommunikation, zum vernetzten Denken.“ Zu beachten sei auch, dass Frauen als Autoritätspersonen mitunter in einen Konflikt kämen, da sie Autorität eigentlich nicht befürworten würden. „Diese Gegenläufigkeit – autoritär sein zu sollen, aber doch wieder nicht – verursacht dann natürlich Stress.“ Hier sind Coaching und Training angesagt, um sich der eigenen Werte bewusst zu werden.

Dass Männer mit ähnlichen Themen kämpfen wie Frauen, ist Köck aber auch nicht fremd. Ihr Rezept für beide Geschlechter: „Menschen wieder an sich glauben zu lassen, sie von ihrer eigenen Größe zu überzeugen, sie mit ihren Stärken bekannt zu machen und mit ihren Schwächen zu versöhnen.“

INFORMATION

Training, Beratung und Coaching für selbstbewusstes und medientaugliches Auftreten wird immer öfter in Anspruch genommen – von Männern wie Frauen. Dabei kommen unterschiedlichste Methoden zur Anwendung – von systemischer Arbeit über Sprechtraining und Auftritts-Coaching bis zum Style-Check. Die Angebote für Frauen zielen dabei vermehrt darauf, nicht nur einzelne Stärken zu fördern, sondern die eigenen Werte und damit das eigene Auftreten zu hinterfragen und zu verändern.

Web:www.andrea-koeck.at,www.floorfour.atwww.proverbo.at, www.kobzina.at

www.meta-morphosis.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2015)

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