Wider Sprechblasen und Florianiprinzip

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FL�CHTLINGS-UNTERKUNFT(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Menschenrechte. Das Themenspektrum von Menschenrechtsausbildungen ist ziemlich breit – von Flucht und Asyl bis zu Debatten über die Freiheit der Kunst und Ratingagenturen, die über das Schicksal ganzer Staaten entscheiden.

Wenn der UNHCR wie jedes Jahr am Weltflüchtlingstag (20. Juni) die aktuellen Zahlen veröffentlicht, so ist heuer von Höchstständen an Flüchtlings- und Asylsuchendenzahlen auszugehen. Österreich ist davon im internationalen Vergleich nur marginal betroffen, dennoch schlagen die Wogen hoch. Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, hält die jüngste Idee eines Asylstopps für „höchst aufklärungsbedürftig“ und völlig unverständlich. „Es ist unfassbar, dass ein Land, das in Summe relativ gut arbeitet, sich selbst so mies macht, und eine Ministerin, die bisher auf hetzerische Untertöne verzichtet hat, nun mit solchen Methoden und Sprechblasen Stimmung macht.“

Wenn jemand wie Patzelt dem Land konzediert, vieles richtig zu machen, aber anderes wie etwa die derzeitige Erstunterbringung von Flüchtlingen nur als „erbärmlich und peinlich“ bezeichnen kann, wirft dies ein Licht auf die Ambivalenz des Umgangs mit Menschenrechten in Österreich. Das Fehlen einer Gesamtstrategie, die emotionale Aufgeladenheit des Themas und unappetitliche Diskussionsbeiträge fordern nicht nur Politik und NGO heraus, sondern auch alle Ausbildner in Sachen Menschenrechte.

•Universität Wien. Das Florianiprinzip ist die erste Assoziation, die dem Menschenrechtsexperten Manfred Nowak in den Sinn kommt, wenn er an „Österreich und Flüchtlinge“ denkt. Auf keiner Ebene, von der EU über den österreichischen Bundesstaat bis zu den Gemeinden, gebe es die Bereitschaft, das Problem gemeinsam zu lösen. „Es ist beschämend, wie Europa mit Menschen umgeht, die aus Staaten wie Syrien, Eritrea oder Somalia kommen und um ihr Leben laufen mussten.“ Seit drei Jahren leitet Nowak den Masterlehrgang Human Rights am Postgraduate Center der Universität Wien. Flucht und deren häufigste Gründe – Kriege, Konflikte, Armut– zählen zu den großen Themen dieses Studiums. In dem viersemestrigen, englischsprachigen Programm beschäftigen sich Menschen aus aller Welt und aus den verschiedensten Branchen mit Menschenrechtsfragen. „Wir haben Ökonomen, Juristen oder Leute aus NGO dabei, aber auch aus technischen Bereichen. Was sie alle eint, ist der Wunsch, im Menschenrechtsbereich tätig zu werden“, sagt Nowak. Bei den Herkunftsstaaten der Teilnehmer seien bisher asiatische Länder stark vertreten, aber auch der Nahe Osten und Afrika sowie auch Nord- und Südamerika.

Die internationale Ausrichtung des Studiums prädestiniert die Absolventen vor allem für eine Tätigkeit in weltweiten Organisationen, also für Menschenrechtsfeldarbeit oder Monitoring etwa in Postkonfliktsituationen oder bei UN-Operationen, in diplomatischen Missionen oder EU-Delegationen, in den Länderbüros des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte oder der Austrian Development Agency. „Auch in der Entwicklungszusammenarbeit liegt immer mehr der Akzent auf Menschenrechten“, sagt Nowak. Die Absolventen des Studiums seien breit ausgebildet und sehr gefragt. „Sie wissen, dass sie nicht zu den Topverdienern gehören, aber dafür ein befriedigendes Berufsleben haben werden.“


•Donau-Universität Krems. An eine ähnliche Zielgruppe wendet sich, allerdings in deutscher Unterrichtssprache, das ebenso berufsbegleitende, viersemestrige Masterstudium Menschenrechte/Human Rights des Departments für Wirtschaftsrecht und Europäische Integration der Donau-Universität Krems. Der Universitätslehrgang mit dem Abschluss Master of Arts (M.A.) besteht bereits seit fünf Jahren. Ab dem 2015/16 wird eine Variante angeboten, die sich speziell an Juristen richtet und mit dem Master of Laws (LL.M.) abschließt. Zielgruppe sind Juristen aus internationalen Organisationen, NGO, humanitären Einrichtungen, Interessenvertretungen, Thinktanks, Rechtsanwaltskanzleien, aus der Wissenschaft und der öffentlichen Verwaltung.

Thomas Ratka, Professor für Wirtschaftsrecht und Leiter des Departments, denkt beim Stichwort Flüchtlinge beispielsweise an Rechtsanwälte, die Asylbewerber durch Verfahren begleiten, aber auch an Mitarbeiter der Ministerien oder Asylgerichte, die für ihre Aufgabe besser ausgebildet sein sollten. Für Flüchtlinge in Europa stelle vor allem das Einstimmigkeitsprinzip der EU, aber auch die Dublin-Verordnung das größte Problem dar. Der Studiengang reagiere auf die neuen Herausforderungen, „indem wir den Fokus auf globale Perspektiven richten, nicht mehr nur auf innereuropäische“, sagt Ratka. Wichtig sei beispielsweise, sich intensiver mit den Menschenrechten in den Herkunftsstaaten von Flüchtlingen und Migranten zu befassen. Zunehmend aktuell werden Menschenrechte aber auch in anderen Bereichen, etwa wenn es um die Freiheit der Kunst geht: „In Ungarn kann es zu einer strafrechtlichen Verurteilung kommen, wenn man sich über die Stephanskrone lustig macht“, sagt Ratka.

Brisant seien Menschenrechtsfragen auch für Unternehmen, etwa bei Enteignungen oder Bürgerbeteiligungsverfahren, „in jedem Wirtschaftsverfahren, in dem entschieden wird, ohne alle Rechtsgründe anzuhören“, und nicht zuletzt auf globaler Ebene: „Ratingagenturen, die über Schicksale ganzer Staaten entscheiden, berufen sich auf die Meinungsfreiheit.“

WER, WAS, WO

Masterstudium Human Rights (M.A.): Die postgradualen Programme des Weiterbildungszentrums der Uni Wien sind meist berufsbegleitend aufgebaut und unterliegen internationalen Qualitätssicherungskriterien. Postgraduate Center der Universität Wien, postgraduatecenter.at/lehrgaenge/internationales-wirtschaft/human-rights/

Masterstudium Menschenrechte/Human Rights (M.A. und LL.M.): Als einzige Universität im deutschsprachigen Raum, die ausschließlich für Weiterbildung geschaffen wurde, bietet die Donau-Universität Krems Masterstudiengänge und Kurzprogramme an, die auf die Bedürfnisse von Berufstätigen zugeschnitten sind. Donau-Universität Krems, donau-uni.ac.at/de/studium/menschenrechte/

Lehrgänge und Programm der Amnesty Academy: Die Bildungseinrichtung von Amnesty International Österreich bietet kompakte Programme und Workshops zu menschenrechtlich und politisch aktuellen Themen an, zum Beispiel einen offenen Anti-Rassismus-Lehrgang ab März 2016. academy.amnesty.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2015)

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