Gewaltprävention: „Als Mensch bist du trotzdem okay“

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Was tun gegen gewalttätige Jugendliche in Familien, Schule und Gesellschaft? Drei Beispiele für Weiterbildungen, die sich des Themas annehmen.

Österreich ist keine Insel der Seligen. Wenn es um Gewalt unter Jugendlichen geht. Bei Bullying – dem systematischen und wiederholten Mobbing unter Schülern – weist die im März veröffentlichte OECD-Studie „Skills for Social Progress“ der Alpenrepublik den traurigen ersten Platz von 27 Staaten zu. Jeder fünfte Bub zwischen elf und 15 macht hierzulande Bullying-Erfahrungen. Als Gegenmaßnahmen empfehlen die Studienautoren, vor allem in der Schule mit Aktionen anzusetzen.

Für die Polizei sei, wenn es um Gewalt an Schulen geht, der steigende Einsatz neuer Medien auffällig, etwa das Verbreiten von Unwahrheiten und Beleidigungen per Handy oder beschämende Videos, manchmal kombiniert mit Erpressung, sagt Chefinspektor Rupert Huttegger, Leiter der Kriminalprävention am LKA Salzburg. Das zweite große Thema sei verbale Gewalt. „Meistens regeln Schulen das selbst, die Lehrer machen sehr oft einen tollen Job“, so Huttegger.

Der Kriminalpolizist arbeitet seit Jahrzehnten mit Jugendlichen aus allen Schultypen. Man könne durchaus zu gewaltbereiten Schülern vordringen, sagt Huttegger. Es sei wichtig, eines zu vermitteln: „Deine Tat ist verurteilungswürdig, aber als Mensch bist du trotzdem okay.“ Das rüttle manche Jugendliche auf und tue ihnen gut.

Wichtig sei, mit den Jugendlichen interaktiv zu arbeiten statt zu dozieren, ihre Sprache zu sprechen und sie – auch durch Rollenspiele – für Gewaltsituationen zu sensibilisieren. „Gewalt beginnt nicht erst dann, wenn jemand schon am Boden liegt, sondern dann, wenn wir uns nicht anständig zueinander verhalten.“ Das müsse klargemacht werden.

Wissenstransfer fördern

Neben internen Schulungen werden die Polizisten auf ihre Tätigkeit auch durch die Seminarreihe „Gemeinsam gegen Gewalt“ der PH Salzburg vorbereitet, zusammen mit Lehrern und Schulärzten. „Zwischen den Berufsgruppen ergibt sich dabei ein Wissenstransfer, der als großer Mehrwert wahrgenommen wird“, sagt Pia Pröglhöf, Leiterin des Instituts für Fort- und Weiterbildung der Hochschule.

Die Teilnehmer werden darin geschult, Konflikte und Drogenkonsum zu erkennen, Aggression zu lindern, Krisen zu managen, psychologisch fundiert zu beraten sowie rechtlich korrekt zu vermitteln beziehungsweise weiterzuleiten. „Aufgrund der enorm hohen Nachfrage wird diese kostenlose Ausbildung auch im Schuljahr 2015/2016 angeboten, und die Lehrer der Berufsschulen werden ebenso eingebunden, dort ist der Bedarf groß“, sagt Pröglhof.

Gewalt und Familien

Etwas aufwendiger ist der privat zu finanzierende, einsemestrige Lehrgang „Gewalt- und Radikalisierungsprävention in Familien“ des Instituts für Gewaltprävention und Konfliktmanagement (IFGK) in Wien. Auch hier setzt man auf eine gemischte Teilnehmerschaft. Sozialarbeiter, Lehrer und Berater seien genauso vertreten wie Polizisten, sagt Alexander Janda, Direktor des Instituts. „Wir bekommen immer wieder das Feedback, dass die gemischte Konstellation viel Wert ist, da ein solcher Austausch in der beruflichen Praxis nie möglich ist.“

Das als gemeinnütziger Verein organisierte Institut widmet sich insbesondere Gewalt im familiären Bereich. Wer damit in seiner beruflichen oder ehrenamtlichen Funktion zu tun hat, bekommt im Lehrgang „Konfliktmanagement, Gewalt- und Radikalisierungsprävention in Familien“ theoretische Hintergründe und praktische Lösungsansätze vermittelt. Die Attentate von Paris im Frühling dieses Jahres waren Anlass, das Thema Radikalisierungsprävention zu integrieren. Die Vortragenden sind Experten aus verschiedenen Sparten. Dazu zählen der Familienforscher Wolfgang Mazal, der frühere Jugendgerichtshof-Präsident und nunmehrige Präsident des Weißen Rings, Udo Jesionek, und die Vorsitzende der Fachgruppe Familienrecht der Österreichischen Richtervereinigung, Doris Täubel-Weinreich.

Gewalt und Sucht

Ebenso interdisziplinär besetzt sind der Hochschul- und der Masterlehrgang für Sucht- und Gewaltprävention in pädagogischen Handlungsfeldern. Diese werden an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich in Kooperation mit dem Institut Suchtprävention Pro Mente Oberösterreich, der Johannes-Kepler-Universität Linz und der FH OÖ durchgeführt. Die Bereiche Sucht und Gewalt werden hier unter dem verbindenden Aspekt einer „präventiven Brille“ behandelt. Schließlich sei Prävention-Know-how für beide Themen relevant, erklärt Lehrgangsleiter Rainer Schmidbauer vom Institut Suchtprävention Pro Mente OÖ. „Man ist hier als Teilnehmer nach drei Jahren ein anderer Mensch, und zwar, weil Sucht- und Gewaltprävention viel mit einem selbst zu tun hat. Wie gehe ich mit Rausch, mit Ekstase, Risiko und Gefahr um, wie mit sozialen Systemen oder Familie?“ Um solche Fragen komme hier niemand herum, so Schmidbauer. Das Angebot richtet sich an Personen, die in den relevanten gesellschaftlichen Bereichen arbeiten wie Lehrkräfte, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Psychologen und Soziologen, Krankenpflegepersonal, Bewährungshelfer, Exekutivorgane und Jugendbetreuer.

Information

Gewaltprävention-Lehrgänge (Auswahl)

► Seminarreihe „Gemeinsam gegen Gewalt“ PH Salzburg Stefan Zweig, www.phsalzburg.at
► „Lehrgang für Konfliktmanagement, Gewalt- und Radikalisierungsprävention in Familien“ des IFGK, www.ifgk.at
► Masterstudium „Gewaltprävention und Mediation“, Private PH der Diözese Linz
► Hochschul- und Masterlehrgang „Sucht- und Gewaltprävention in pädagogischen Handlungsfeldern“, PH OÖ et. al., http://praevention.ph-ooe.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2015)

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