Materialexperten gesucht

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WOLLSDORF LEDER ENTWICKELTE LEICHTLEDER FUeR FLUGZEUGSITZEAPA/Austrian Airlines
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Österreichs Industrie wünscht sich mehr spezialisierte Techniker. Fachhochschulen haben passende Studienangebote entwickelt, zwei werden 2016 starten.

Es ist kein Geheimnis, dass die Industrie ihren Bedarf an Arbeitskräften nicht decken kann, und zwar nicht nur an Facharbeitern“, meint Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung. „Die Industrie sucht nach wie vor verstärkt nach FH-Absolventen im naturwissenschaftlich-technischen Bereich.“ Noch immer hätten acht von zehn Industrieunternehmen Rekrutierungsprobleme in Zukunftsbereichen wie Technik, Produktion oder Forschung und Entwicklung. Neumayer: „Die drei meistgesuchten tertiären Ausbildungsformen sind Maschinenbau, Wirtschaftsingenieurwesen und Elektrotechnik. Erst auf Platz vier folgt BWL.“

Das Wissenschaftsministerium vergab daher zwei Drittel der für das Studienjahr 2016/17 geplanten, neuen 315 FH-Studienplätze an technische Studiengänge, ein Drittel wirtschaftliche.

Leichtbau und Composite-Werkstoffe

20 dieser Studienplätze wurden für ein neues Bachelorstudium der Fachhochschule Oberösterreich am Standort Wels genehmigt, das dem Zukunftsthema Leichtbau gewidmet ist. Da Gewichts- auch Kosteneinsparungen bedeuten, spielt Leichtbau nicht nur für Hersteller von Autos, Flugzeugen, Sportgeräten oder Windrädern eine Rolle, sondern auch überall dort, wo Lasten bewegt werden: Robotik, Anlagenbau sowie industrielle Produktionsprozesse. Der Standort Wels wurde gewählt, da oberösterreichische Industrie und speziell Unternehmen des Innviertels Leichtbaukomponenten oder Maschinen für deren Herstellung produzieren.

Zum Thema Composite-Werkstoffe (Verbundwerkstoffe) ist im Vorjahr ein akademischer Lehrgang gestartet, der 2016 mit dem neuen Bachelor zusammengeführt werden wird. Der Bachelor sei in Österreich einzigartig, sagt Studiengangsleiter Wolfgang Stadlbauer. Es gebe zwar nach seinem Wissensstand einige Ausbildungslehrgänge – sowohl auf Fachhochschul- als auch auf Universitätsebene. „Sie werden aber meist als Spezialisierung in einem Fachbereich, wie zum Beispiel Maschinenbau, angeboten und sind im Masterstudium angesiedelt. Im Bereich des Bachelorstudiums ist mir bis dato nichts Vergleichbares bekannt“, sagt Stadlbauer. Verbundwerkstoffe – also Werkstoffe mit neuen Eigenschaften, die durch die Kombination zweier oder mehrerer Materialien entstehen – gelten als boomende Branche. Allein die Region Innviertel verzeichnete in diesem Bereich in den vergangenen Jahren ein überdurchschnittliches Wachstum im zweistelligen Bereich.

Mehr Verfahrenstechnik

25 der neuen Studienplätze werden vom Wissenschaftsministerium der Fachhochschule Kärnten für den neuen Bachelorstudiengang Verfahrenstechnik in Villach zugestanden, der ebenfalls 2016 starten soll. Zwar sind Ausbildungen in Verfahrenstechnik in Österreich keine Rarität mehr. Es gibt dafür Studienmöglichkeiten an den beiden Technischen Universitäten Wien und Graz (jeweils schlicht Verfahrenstechnik benannt) und der Montanuniversität Leoben (Industrielle Umweltschutz- und Verfahrenstechnik) sowie FH-Studiengänge in Wels (Verfahrenstechnische Produktion) und am MCI (Umwelt-, Verfahrens- und Energietechnik). Den Bedarf an Verfahrenstechnikern decken sie nicht.

Die Verfahrenstechnik vereint Kenntnisse der Chemie, Mechanik und Biologie und lehrt, wie aus Rohstoffen mittels chemischer, thermomechanischer und biologischer Vorgänge ein Produkt entsteht, wie Stoffe hergestellt sowie Prozessanlagen geplant und realisiert werden. Wegen ihrer multidisziplinären Ausrichtung sind Verfahrenstechniker stark nachgefragt, wie etwa das AMS-Trendbarometer 2015 bestätigt.

Schwerpunkt: Forschung

„Verfahrenstechniker setzen errechnete Ergebnisse auf den Produktionsmaßstab um“, erklärt Erwin Baumgartner, Leiter des Entwicklungsteams für den neuen Studiengang. „Unsere Absolventen werden daher zunächst stark mit Forschungsthemen beschäftigt sein, etwa mit der Erstellung von Energiekonzepten oder der idealen Installation einer Anlage.“ Danach können sie beispielsweise als Assistenten der Produktionsleitung tätig sein. Baumgartner: „Wenn sie auch ein Masterstudium absolvieren und sich parallel zu ihrer Berufstätigkeit auch Wirtschafts- oder Finanzwissen aneignen, ist auch vorstellbar, Produktions- oder Projektleitung übernehmen zu können.“ Mit dem neuen Bachelorstudium am Standort Villach der Fachhochschule Kärnten soll eine klassische Ausbildung in Verfahrenstechnik angeboten werden. Schwerpunktsetzungen oder Spezialisierungen, etwa für den Umwelt- oder Energiebereich, seien erst in einem noch zu entwickelnden weiterführenden Masterstudium angedacht.

INFORMATIONEN

Bachelor Verfahrenstechnik, FH KärntenBachelor Leichtbau und Composite-Werkstoffe,FH OÖ

Weitere Möglichkeiten: Verfahrenstechnik: TU Graz, TU Wien; Industrielle Umweltschutz- und Verfahrenstechnik: Montanuniversität Leoben;Verfahrenstechnische Produktion: FH OÖ;Umwelt-, Verfahrens- und Energietechnik: MCI.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2015)

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