Soziale Familienarbeit: Konflikte angehen, bevor es kracht

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Gewalt zu verhindern, indem man Familien stärkt – das kommt vor allem Kindern zugute. Wo man lernen kann, Menschen einen besseren Weg ins Leben zu ermöglichen. Und was man dabei beachten sollte.

Dass ein Kind sorglos und geborgen in einem gut funktionierenden Familienverband aufwächst, entspricht leider nicht immer der Realität. Der Alltag mancher Familien ist von Problemen wie Armut, Krankheit, Sucht, Beziehungs- und interkulturellen Konflikten geprägt. Und die Folge der Spannungen ist oft: Gewalt. Um eine Eskalation zu verhindern und Familien in schwierigen Situationen zu helfen, suchen einschlägige Einrichtungen vermehrt umfassend ausgebildete Experten.

Ambulant betreuen

Ab Herbst 2016 bietet etwa die FH Campus Wien das neue Masterstudium Kinder- und Familienzentrierte Soziale Arbeit an. „Wir setzten in der Kinder- und Familiensozialarbeit verstärkt auf ambulante und präventive Lösungen“, erklärt Josef Bakic, Leiter des Bachelorstudiengangs Soziale Arbeit an der FH. „Die Trennung von ihren Familien ist für Kinder nicht immer die beste Lösung.“

Auch für Dagmar Strohmeier, die zu den Lehrenden im Masterstudiengang Soziale Arbeit der FH Oberösterreich gehört, ist es der letzte Schritt nach einem sehr langen Prozess. „Zuerst wird man versuchen, Unterstützung anzubieten – etwa, indem man der betreffenden Familie eine Hilfe zur Seite stellt, um bestimmte Kompetenzen zu steigern“, so die Expertin. Im Master wird den Studierenden umfassendes Grundlagenwissen aus Psychologie, Soziologie und Pädagogik mit auf den Weg gegeben. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Vermittlung von interkultureller Kompetenz.

Dass in der Kinder- und Jugendsozialarbeit besondere und umfassende Skills gefragt sind, liegt auf der Hand: „Es kommen oft sehr viele Probleme zusammen“, so Bakic. Wie Strohmeier erklärt, bestätigen Studien, dass Gewalt in der Familie seit Jahren auf einem stabilen Niveau ist. „Anders ist heute allerdings, dass dem Thema mehr Aufmerksamkeit zukommt.“ Insgesamt werden mehr Gewaltphänomene wahrgenommen. „Früher stand körperliche Gewalt im Fokus, jetzt auch andere Ausprägungen wie Mobbing in der Familie oder am Arbeitsplatz“.

Alexander Janda, Direktor des Instituts für Gewaltprävention und Konfliktmanagement (IFGK), ist der Meinung, dass heute das Bewusstsein gegenüber Gewaltproblemen ausgeprägter ist. Ebenso geändert habe sich, dass bei einschlägigen Einrichtungen wie Vereinen oder Behörden der Präventivgedanke im Vordergrund steht. „Es geht nicht nur darum, nachher einzugreifen, sondern bereits vor einer möglicher Eskalation entsprechende Maßnahmen zu setzen oder Hilfe anzubieten“, so Janda.

Deeskalationsupdate

Der Präventivgedanke steht auch bei dem vom IFGK angebotenen Lehrgang für Gewaltprävention und Konfliktmanagement in Familien im Mittelpunkt. Der Lehrgang, der am 19. Februar zum mittlerweile vierten Mal startet, ist in fünf Modulen aufgebaut: Theoretische Grundlagen, Recht und Organisation, Besondere Konfliktsituationen und Herausforderungen, Radikalisierungsprävention sowie Antworten und Instrumente. Die Teilnehmer – etwa Sozialarbeiter, Kindergartenpädagogen, Lehrer und Polizisten – würden laut Janda von dem „multidisziplinären Zugang“ profitieren. Er spricht von einem „professionellen Upgrade“. Im Vorjahr wurde das Programm um den Aspekt Radikalisierungsprävention erweitert. Dieser sei nicht nur in einem religiösen, sondern ideologischen Kontext zu verstehen.

Laut Martin Kolbinger, Leiter des Bachelorstudiengangs Soziale Arbeit der FH Salzburg, ist das Thema Familie in der Sozialarbeit so präsent, weil es in den vergangenen Jahrzehnten einem großen Wandel unterworfen war. „Heute gibt es völlig andere Familienverbände als früher“, sagt er und verweist auf Patchworkfamilien und Alleinerziehende. Sozialarbeit für Kinder und Familien ist daher einer von zwei Schwerpunkten, für den sich die Teilnehmer ab dem fünften Semester entscheiden könnten. Wie wichtig das Thema in der Praxis ist, unterstreicht nicht zuletzt die Tatsache, dass die meisten Absolventen in der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind.

Reflektiert und gefestigt

Wer sich für Sozialarbeit mit Kindern und Familien interessiert, sollte laut Kolbinger eine Idee von Beziehungsarbeit haben. In die gleich Kerbe schlägt Strohmeier: „Es eignen sich Personen, die gern mit anderen Menschen zusammenarbeiten“, sagt sie. Wichtig sei die Bereitschaft, die eigenen Einstellungen, Vorurteile und die eigene Lebensbiografie zu reflektieren. „Schließlich hat man es häufig mit Menschen zu tun, die mit sehr herausfordernden Lebenswirklichkeiten konfrontiert sind“, so Strohmeier.

Zu den Schlüsselkompetenzen zählt sie professionelle Gesprächsführung ebenso wie Beratungskompetenz.
„Vor allem im hocheskalativen Bereich sollte man persönlich besonders gefestigt sein“, so Bakic. An der FH Campus Wien würden die Studenten daher auch lernen, auf ihre persönliche Psychohygiene schauen und damit den professionellen Umgang mit Nähe und Distanz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2016)

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