Ethik: Was gut ist, muss nicht richtig sein

Flucht und Asyl: Ai Weiweis künstlerische Sicht. Wissenschaftliche Ansichten vermitteln diverse Studien.
Flucht und Asyl: Ai Weiweis künstlerische Sicht. Wissenschaftliche Ansichten vermitteln diverse Studien.(c) APA/AFP/JOHN MACDOUGALL
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Obwohl in vielen Bereichen heiß über die Gründe menschlichen Handelns und seiner Bewertung – also über ethische Fragen – diskutiert wird, gibt es noch wenige Ausbildungen dafür.

Ein Wahlkampfmanager werde am Ergebnis der ersten Hochrechnung gemessen, nicht an der Menschenfreundlichkeit seiner Kampagnen – sagte kürzlich sinngemäß Ex-Politiker und Inhaber einer PR-Agentur zur Politikerberatung Stefan Petzner in einer Fernsehdiskussion. Und löste damit im Studio greifbares Entsetzen aus: Ethikthemen polarisieren und machen oft ratlos, ob es sich um Nutzerdatenspeicherung in sozialen Medien, Armutsbekämpfung durch Mindestsicherung, Pränataldiagnostik oder an ertrunkene Flüchtlinge erinnernde Kunstaktionen Ai Weiweis handelt.

Ethische Weiterbildung

Orientierung ist also gefragt – und wird in diversen Ausrichtungen auch angeboten. Das einzige kostenfreie Ethikstudium ist der Master Angewandte Ethik der Universität Graz – ein überfakultäres Studium, das von der Katholisch-Theologischen Fakultät administriert wird. Zum Curriculum tragen die geisteswissenschaftliche, juridische, sozial- und wirtschaftswissenschaftliche und theologische Fakultät sowie externe Experten bei. Nach einem Grundlagenteil absolvieren die Studierenden je zwei Vertiefungsmodule aus den Themenbereichen Bildung, Medizin oder Wirtschaft. „Dadurch ist die Palette ethisch relevanter Themen breit gefächert“, erklärt Studienkoordinator Hans-Walter Ruckenbauer. So qualifiziert etwa das Vertiefungsmodul Bildung Lehramtsabsolventen für den Ethikunterricht an Schulen, aber auch für Erwachsenenbildung und NGOs. Eine Vertiefung im Wirtschaftsbereich kann in der Unternehmens- und Politikberatung von Nutzen sein, in der Qualitätsentwicklung sowie bei der Beratung und Führung von NGOs. Wer Tätigkeiten in Gesundheitsmanagement, Qualitätsentwicklung oder Ethikkommissionen anstrebt, ist in der Medizin-Vertiefung richtig.

Armutsforschung

Ganz anderen Aspekten angewandter Ethik widmet man sich an der Universität Salzburg. Hier wurde ein Zentrum für Ethik und Armutsforschung (ZEA) eingerichtet, das organisatorisch an den Fachbereich Philosophie angebunden ist, jedoch als Forschungskoordinationsstelle Wissenschaftler aller Fakultäten vernetzt. Zwei Programme werden angeboten: die interdisziplinäre Studienergänzung Armut und soziale Ausgrenzung sowie das Zertifikatsprogramm Soziales Engagement.

Die viersemestrige Studienergänzung kann von allen an einer österreichischen Hochschule Studierenden gewählt werden. „Das Zertifikatsprogramm umfasst die Vorlesung Einführung in die Armutsforschung, die eigenständige Suche nach einer Praktikumsstelle im Sozialbereich sowie 20 Stunden freiwillige Mithilfe, einen Praktikumsbericht und Reflexionstreffen der Gruppe“, sagt Andreas Koch, der das ZEA leitet. Der Geografieprofessor zeigt anhand seines eigenen Fachs, dass die Beschäftigung mit Ethik nicht nur Sache der Geisteswissenschaften ist. Ethische Bezüge seien auch herzustellen, wenn es um regionale Infrastrukturen gehe, den Landraub in der sogenannten Dritten Welt durch multinationale Konzerne, die Ghettobildung in Städten oder Armut in urbanen wie ländlichen Räumen.

Gesundheitswesen

Seit Jahrzehnten zeichnet sich die Brisanz ethischer Fragen in der Medizin ab. Mitarbeiter im Spitalswesen sind täglich mit ethischen Problemen konfrontiert. Die Fortpflanzungsmedizin, alle Fragen um den Beginn und das Ende des Lebens oder auch die Gestaltung der Arzt-Patient-Beziehung sind für den Medizinethiker Peter Kampits Themen, die in der Weiterbildung auf besonderes Interesse stoßen.

Der Philosoph und Vorsitzende etlicher Ethik-Forschungsstellen und -Kommissionen leitet seit 2013 das Zentrum für Ethik in der Medizin an der Donau-Universität Krems. Im Rahmen des Universitätslehrgangs Angewandte Ethik im Gesundheitswesen werden drei Programme angeboten, die Orientierungshilfe für die klinische Praxis, aber auch bei ethischen Implikationen in der Forschung geben sollen – ein einjähriges Certified Program sowie eine dreisemestrige Ausbildung zum Akademischen Experten oder der viersemestrige Lehrgang zum Master of Science.

Bioethik dank Unesco

Der erste und einzige Lehrstuhl für Bioethik in Österreich wird derzeit an der Med-Uni Wien etabliert, und zwar von der Unesco, die sich weltweit der Ausbildung von Ethikkommissionen widmet. Österreich hinke diesbezüglich etlichen Ländern hinterher, sagt Christiane Druml, die den Lehrstuhl bekleiden wird. „Wir vermissen etablierte Universitätsinstitute, die eine Pflichtlehre auf dem Gebiet der Medizinethik oder Bioethik standardmäßig anbieten. Das wäre wichtig, damit Forschung und vor allem Nachwuchsförderung stattfinden können.“ Druml ist auch wissenschaftliche Leiterin des zweisemestrigen Zertifikatskurses der Med-Uni Wien für Ethik und Recht in der klinischen Forschung. Der nächste Start dieses Kurses, der sich vor allem an Mitglieder von Ethikkommissionen, Patientenvertreter und Studienärzte im deutschsprachigen Raum wendet, ist für das Sommersemester 2017 geplant.

Web: angewante-ethik.uni-graz.at
www.uni-salzburg.at/zea
www.meduniwien.ac.at/forschungsethik
www.donau-uni.ac.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2016)

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