Weniger Betreuung, aber mehr Jobs an den Unis

Großer Lesesaal der Hauptuni Wien
Großer Lesesaal der Hauptuni WienClemens Fabry
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Viele Österreicher studieren in Deutschland. Attraktive Studienorte sind nicht nur Berlin oder München.

Trotz der viel beschworenen kulturellen Gräben zieht es sowohl viele unserer nördlichen Nachbarn zum Studium nach Österreich (und zwar nicht immer nur, um dem Numerus clausus zu entfliehen) als auch umgekehrt nicht wenige österreichische Studenten nach Deutschland. Im Wintersemester 2014/15 stellten Österreicher mit knapp 11.800 Studierenden (von insgesamt 96.000) den zweithöchsten Anteil unter den EU-Staaten und wurden zahlenmäßig nur von den Italienern knapp übertroffen. Bezieht man Nicht-EU-Mitglieder mit ein, liegen die Türkei und die Russische Föderation auf den ersten beiden Plätzen. Der größte Teil der österreichischen Studierenden, gut 4000, belegt ein Studium der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

An der bekannten Münchner Ludwig-Maximilians-Universität etwa sind derzeit 851 Österreicher immatrikuliert und stellen dort die größte Ausländergruppe. Dass diese Zahl nur 36 Erasmus-Studierende beinhaltet, spricht dafür, dass der Löwenanteil gekommen ist, um eine komplette Ausbildung zu absolvieren. Monique Esnouf vom Referat für Soziale Betreuung internationaler Studierender erklärt das nicht nur durch den guten Ruf der Universität, sondern auch durch die geografische Lage. „München ist eine attraktive Stadt und gut mit Österreich verbunden“, so Esnouf. „Das Studienfach Tiermedizin zum Beispiel wird in Österreich nur in Wien angeboten. Das veranlasst die Studenten aus Tirol, sich eher für München zu entscheiden.“ Deutschland werde traditionell von österreichischen Studierenden nicht als „Ausland“ wahrgenommen, weiß Esnouf.

Vergleich Wien und Berlin

Der österreichische Historiker Dietmar Neutatz, Universitätsprofessor in Freiburg, kennt die Atmosphäre etlicher deutscher Universitäten als Lehrender. Seit 24 Jahren ist er in Deutschland tätig. Vor Freiburg waren Düsseldorf, Berlin und Göttingen, aber auch Wien Stationen seiner Berufslaufbahn.

Die beiden Hauptstädte Wien und Berlin sind aus seiner Sicht in ihrer Attraktivität für Studierende vergleichbar. „Da spielen das kulturelle Angebot und die Größe des Arbeitsmarktes eine wichtige Rolle. Wien lockt darüber hinaus mit hervorragenden Bibliotheken und einem – aus deutscher Perspektive – sagenhaft guten Betreuungsverhältnis, weil es in den einzelnen Fächern viel mehr Professoren gibt.“

Berlin wiederum hat sich in den vergangenen Jahren als Zentrum der deutschen Kreativwirtschaft einen Namen gemacht. In diesem Segment verzeichnen auch kleine Hochschulen wie die Design Akademie Berlin – eine private Fachhochschule mit rund 350 Studierenden – rund neun Prozent Österreicher. Jährlich auf der Best in Wien vertreten, stoße die Hochschule auf großes Interesse, erzählt Dekan Gilbert Beronneau. Wer dann schließlich tatsächlich zum Studium in die deutsche Hauptstadt komme – die doppelt so groß ist wie Wien –, brauche erst ein wenig Zeit, um sich zu orientieren, sagt Beronneau. „Wenn die Studierenden im vierten Semester ihr Praktikum machen, sind die meisten voll angekommen in der Berliner Kreativwirtschaft und genießen die Größe der Agenturlandschaft und der Start-up-Szene, in denen sie Jobs finden können.

Grundsätzlich seien sich die deutschen Universitäten untereinander sehr ähnlich, vor allem ihre Struktur betreffend, sagt Neutatz. Unterschiede ergäben sich eher durch ihre Lage und Tradition. So sei Düsseldorf eine junge Universität, die als Campus angelegt sei, was kurze Wege zwischen den Instituten, jedoch lange Wege in die Stadt bedeute. Ein anderes Flair liege über Städten wie Göttingen und Freiburg, die auf lange Traditionen zurückblickten und mit der Stadt verwachsen seien, während sich die Städte selbst wiederum über ihre Universität definierten.

Überschaubare Uni-Städte

„Für die Studierenden sind diese Universitäten überschaubarer. Als Professor begegnet man seinen Studierenden und Doktoranden häufig auch außerhalb der Universität. Das erzeugt eine stärkere Verbundenheit.“ In „seiner“ Universität Freiburg seien ihm zwar nur wenige österreichische Studierende begegnet, sagt Neutatz, der Anteil auswärtiger Studierender sei jedoch generell groß, da die Universität in den deutschen Rankings der letzten 20 Jahre regelmäßig in der Spitzengruppe zu finden sei.

Ein großer Vorteil des deutschen Systems sind die umfangreicheren Möglichkeiten der Universitäten, Studierende in den Instituten als Hilfskräfte zu beschäftigen. „Das erleichtert den Professoren die Arbeit, weil sie vieles delegieren können, und schafft für Studierende Chancen, Geld innerhalb der Universität zu verdienen und durch die Arbeit an einem Lehrstuhl oder in einem Forschungsprojekt in sehr engen persönlichen Kontakt mit Wissenschaftlern zu treten und Einblicke in den internen Betrieb zu erhalten.“ An der Uni Freiburg zum Beispiel machten sogenannte studentische Hilfskräfte fast die Hälfte des wissenschaftlichen Personals aus. „Viele heutige Professoren haben einmal als solche Hilfskräfte angefangen.“

("undefined", Print-Ausgabe, 26.03.2016)

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