Stand der Wissenschaft in Praxis umsetzen

Der typische Arbeitsplatz eines Bachelor der Gesundheits- und Krankenpflege ist direkt beim Patienten.
Der typische Arbeitsplatz eines Bachelor der Gesundheits- und Krankenpflege ist direkt beim Patienten.FH Burgenland
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Gesundheit. Die Pflegeausbildung wird – gleichgestellt anderen Gesundheitsberufen – künftig im Bologna-System passieren. Neue Herausforderungen können damit besser bewältigt und internationale Standards erfüllt werden.

Dass immer mehr Pflegekräfte gebraucht werden, ist allgemein bekannt. Doch nicht nur die Zahl, auch die Qualifikation muss erhöht werden, um die steigenden Anforderungen zu erfüllen. Das Stichwort heißt Akademisierung der Pflege und ist international – mit Ausnahme von Deutschland und Österreich – längst üblich. Ein wesentlicher Aspekt, der von allen befragten Experten betont wird, ist die Umsetzung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. „Akademisch gebildete Pfleger sind in der Lage, dem wissenschaftlichen Diskurs zu folgen und die Ergebnisse in der Praxis umzusetzen“so Christa Lohrmann, Vorständin Institut für Pflegewissenschaften der Med-Uni Graz. An Bedeutung gewinnt hier die Spezialisierung. Als Beispiele werden neben Onkologie und Wundversorgung vor allem Bereiche wie Langzeitpflege, Pflege chronisch Kranker und Demenzkranker sowie Beratung von Angehörigen genannt, die die Pflegekräfte vor neue Herausforderungen stellen.

Arbeit direkt am Patienten

Mittlerweile werden an zahlreichen FH und Unis Studien- und Lehrgänge für Pflege angeboten (siehe Kasten), die Kosten variieren stark: von quasi kostenlos bis in den fünfstelligen Bereich. Das Berufsbild des Bachelors ist wie das des diplomierten Pflegers auf die Tätigkeit am Patienten ausgelegt. „Die Absolventen sollen weiter am Bett arbeiten“, so Lohrmann. Das Studium zum Pflege-Bachelor beinhaltet in der Regel auch die Inhalte (und die Berufsberechtigung) von Diplomkrankenpflegern. Entsprechend hoch ist der Anteil an praktischer Tätigkeit im Curriculum.

Vorteile des Bachelors sind neben der stärkeren Anbindung an die Forschung die internationale Harmonisierung und die dadurch gewährleistete Wettbewerbsfähigkeit der Absolventen, so Christa Thiem, Leiterin des Instituts für Pflegewissenschaften an der Umit. „Die Vergleichbarkeit in Form von ECTS-Punkten ist auch bei kürzeren Weiterbildungskursenimmer wichtiger und wird zunehmend gefragt.“ Und natürlich stehen mit einem Bachelor auch Weiterführende Master-Studiengänge und in der Folge auch das Doktorat offen.

Weiteres Ziel einer akademisierten Pflegeausbildung ist die Ausweitung von Kompetenzen. Auch vor dem Hintergrund, dass Pfleger komplexe Aufgaben und insbesondere außerhalb des Krankenhauses etwa in Heimen und der Hauskrankenpflege hohe Gesamtverantwortung übernehmen müssen. Exemplarisch wünscht sich Thiem etwa, dass Pflegekräfte Heilbehelfe verschreiben dürfen.

Diese erweiterten Kompetenzen werden in den Studiengängen Advanced Nursing Practice (ANP) vertieft, die in der Regel auf Masterniveau angesiedelt sind. Hier besteht allerdings die Problematik, dass die von der Branche angestrebte Kompetenzerweiterung noch nicht erfolgt ist.

Warten auf Gesetzesnovelle

Eine entsprechende Gesetzesnovelle, die – mit Übergangsfristen – auch die Akademisierung der Pflege festschreiben soll, ist zwar in Arbeit, lässt aber auf sich warten. Grund für die Verzögerung ist die Sensibilität der Materie, die eine große Berufsgruppe betrifft. Christa Tag, Pflegedirektorin des LKH-Universitätsklinikums Graz, ortet etwa Bedenken wegen möglicher Verteuerungen. Der Schlüssel hier ist für die Experten ein Grade- und Skill-Mix. Hilfstätigkeiten sollen dabei von anderen Berufsgruppen wie Pflegehelfern geleistet werden. Befürchtungen der klassischen Diplomkrankenpfleger, mit dem Aufkommen akademischer Pflegekräfte benachteiligt zu werden, zerstreut Petra Ganaus, Studiengangsleiterin Gesundheits- und Krankenpflege an der FH St. Pölten. Rein aus rechtlichen Gründen wären diplomierte den akademischen Krankenpflegern bezüglich Gehalt und Verwendung innerhalb der Pflege gleichgestellt. In der Praxis scheint die Zusammenarbeit zwischen diplomierten und akademischen Pflegern reibungslos zu funktionieren, das berichtet jedenfalls die Pflegedirektorin. Am LKH Graz sind mittlerweile rund 15 Prozent der 3500 Pflegekräfte Akademiker.

Was die Voraussetzungen angeht, so können Bachelorstudien sowohl Maturanten als auch Krankenpfleger mit Studienberechtigungsprüfung beginnen, wobei Letztere je nach Hochschule ihre pflegerischen Vorkenntnisse anrechnen lassen können. Der Umstand, dass die Pflegeausbildung mit der Akademisierung frühestens mit 18 statt wie bisher mit 16 begonnen wird, wird von den Experten positiv beurteilt, sowohl was die notwendige emotionale Stabilität als auch die logisch-analytischen Fähigkeiten angeht. „Das macht viel aus, die Burn-out-Rate und die Fluktuationsind niedriger“, berichtet Karin Dolmanits, Studiengangsleiterin an der FH Burgenland und Direktorin der Gesundheits- und Krankenpflegeschule Oberwart.

Einhellig rosig werden die Jobaussichten geschildert. So würden laut Umit aktuelle Bachelor-Absolventen zu praktisch 100 Prozent sofort einen Job finden. „Und in der Regel kann man sich auch den Bereich aussuchen, in dem man arbeiten will“, ergänzt Them.

(Print-Ausgabe, 02.04.2016)

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