Spannender, vergleichbarer, individueller

Didaktik. An den Hochschulen werden laufend Initiativen zur Verbesserung der Qualität der Lehre gestartet. Drei Best-Practice-Beispiele an heimischen Fachhochschulen.

Die Ausgangssituation bei Bürgerliches Recht an der FH BFI Wien war typisch für viele klassische Lehrveranstaltungen: Frontalunterricht, individuelle Falllösung mit Nachbesprechung in der Gruppe und nur kurze Interaktionen während des Vortrags. „Auf Studierende, die den Anschluss an den Stoff verloren hatten oder die bei Verständnisschwierigkeiten nicht nachfragten, konnte von Seiten der Vortragenden nicht eingegangen werden“, erklärt Kai Erenider, der für die Neuausrichtung seiner Lehrveranstaltung vergangenes Jahr den Staatspreis Ars docendi in der Kategorie Wirtschaft und Recht erhalten hat. Ziel der Neukonzeption: Der Unterricht sollte spannender, emotionaler und praxisnäher gestalt werden, um die Studierenden besser zu erreichen. Die Lösung fand sich im immersiven Lernen, also umfassend und vertiefend. Typische Merkmale sind Storytelling, Rollenspiel, Gruppenarbeit (Jigsaw-Methode) und Peer-Feedback.

Durch den technologischen Fortschritt wird immersives Lernen immer professioneller, entpuppt sich in der Anwendung aber bislang als aufwendig und teuer. Noch steckt das neue Lernkonzept in Kinderschuhen, aber Entwicklungen wie Virtual und Augmented Reality bieten neue Möglichkeiten.

Eine internationale Dimension hat das EU-Projekt Impecd (Improvement of Education and Competences in Dietetics), das vom Studiengang Diätologie der FH St. Pölten initiiert wurde. Das Problem hier: In der Diätologie gibt es für Diagnose und Therapie in Europa keine standardisierten Ansätze. Diese sollten nun gemeinsam mit internationalen Partnerhochschulen erarbeitet und in der Lehre etabliert werden. „Das Konzept wurde kollaborativ von allen beteiligten Partnern der Hochschulen in Österreich, Deutschland, Belgien und den Niederlanden entwickelt“, sagt Impecd-Projektleiterin Alexandra Kolm vom Institut für Gesundheitswissenschaften der FH St. Pölten. Die Partnerhochschulen befinden sich in Antwerpen (B), Groningen (N) sowie in Fulda und Neubrandenburg (D).

Mooc für einheitliche Lehre

Mittels Onlinekurs (Massive Open Online Course – Mooc) soll eine europaweit einheitliche Basis für Abläufe und Arbeitsweisen in der Diätologie entstehen. Trainiert wird dabei an virtuellen Patienten. Kolm über die Vorteile des Konzepts: „Lernen ist ein sozialer Prozess, in dem die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden eine wichtige Rolle spielt. Die Verwendung der neuen Kommunikations- und Informationstechnologien erleichtert diese Interaktion und stellt gleichzeitig einen einfachen, zeitlich und räumlich unabhängigen sowie kostengünstigen Zugang zu neuen Lernmaterialien und Wissen dar.“ Bei der Entwicklung des Mooc wird die FH St. Pölten vom Institut für Creative Media Technologies und Skill an der FH St. Pölten unterstützt. „Moocs gibt es bereits für alle erdenklichen Studienrichtungen“, so Kolm. „Die Elite-Universitäten der USA wie Harvard und Stanford sind hier besonders gut vertreten. Auch im Bereich Medizin und Pharmazie gibt es viele öffentliche Onlinekurse, allerdings ist das Konzept der Integration von virtuellen Patientenfallbeispielen noch nicht weit verbreitet und wird in Zukunft jedenfalls für medizinisch-therapeutische Berufsgruppen wichtig sein.“ Angedacht ist für das Impecd-Projekt ein blended Mooc (bMooc), bei dem Wissenserwerb durch den Mooc mit Lernen im Klassenraum, etwa in Austauschwochen, verknüpft wird. „Dadurch sollen die Leistungen und die Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden verbessert werden, bei gleichzeitig hoher Flexibilität, qualitativ hochwertigen Inhalten und innovativen Lernmethoden“, sagt Kolm.

Auf persönliche Betreuung jedes Einzelnen setzt man an der FH Burgenland. Das Motto: Kein Studierender soll zur Nummer verkommen. Das soll über das personalisierte Lernen noch besser gelingen. Mit der sogenannten p.learning-Strategie wird bei der Konzeption einer jeden Lehrveranstaltung überlegt, in welcher Form Vorkenntnisse, Erfahrungen und besondere Umstände der Studierenden mit eingeplant werden können. „Personalized Learning unterstützt vor allem das berufsbegleitende Studium und fördert nachhaltiges Lernen“, sagt Marlene Anger von der FH Burgenland.

Situation der Studierenen

„In den berufsbegleitenden Studiengängen werden die individuellen Voraussetzungen der Studierenden in allen drei Phasen berücksichtigt – Präsenzphase, Onlinephase und Selbststudienphase.“ Bis Juni soll die Implementierung der p.learning-Strategie in die Studienordnung der FH Burgenland stattfinden. Zur Gesamtumsetzung mit speziellen Programmen hat man sich an der FH Burgenland noch bis 2025 Zeit gegeben.

Bei der didaktischen Gestaltung der Lehrveranstaltung vor Ort und bei der Gestaltung der Fernlehre werden die Lehrenden von der FH unterstützt. „Im Zuge von Coachings und Schulungen lernen sie, die Lehrveranstaltungen unter Berücksichtigung der drei Lernphasen zu gestalten“, so Anger. „Die Herausforderung liegt darin, die unterschiedlichen Kompetenzen und Zugänge aller Beteiligten auf einen Nenner zu bringen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2016)

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