Archäologie: „Grabungen nur der sichtbare Teil“

WIEN: VENUS VON WILLENDORF IM NATURHISTORISCHEN MUSEUM (NHM)
WIEN: VENUS VON WILLENDORF IM NATURHISTORISCHEN MUSEUM (NHM)(c) APA/HELMUT FOHRINGER
  • Drucken

Schlapphut und Peitsche gehören zwar nicht zum Arbeitsgerät eines typischen Archäologen, spannend und vielfältig ist ihre Arbeit trotzdem.

Als Jäger des verlorenen Schatzes immer in waghalsige Abenteuer verwickelt – so kennen Kinogeher den Archäologen. Bloß: Indiana Jones gibt es nur im Film. Für derartige Eskapaden haben die Altertumsforscher der realen Welt keine Zeit, rückt Peter Scherrer, Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Archäologie, das Bild zurecht. Auch muss es nicht unbedingt die Bundeslade sein: Jede Tonscherbe im Ackerboden, jedes Hügelgrab, jedes Mauerwerk aus vergangenen Jahrhunderten kann eine interessante Geschichte erzählen. „Ziel unserer Arbeit ist es ja nicht nur, Fundgegenstände zu bewahren und in Ausstellungen zu zeigen“, klärt Marko Mele, Chefkurator am Grazer Archäologiemuseum, auf. Vielmehr gehe es darum, mithilfe solcher Zeugnisse Rückschlüsse auf das Leben der Menschen in früheren Epochen zu ziehen. „Grabungen im Gelände sind zwar der sichtbarste Teil der Arbeit, vom Zeitumfang her allerdings der geringste.“ Die Recherche davor, die wissenschaftliche Aufarbeitung danach nehmen wesentlich mehr Zeit in Anspruch.

Dazu kommt, dass das Buddeln in der Erde zwar dem Klischee entsprechen mag, doch bediene sich die Archäologie längst auch anderer Methoden, um verborgene Dokumente der Vergangenheit aufzuspüren, sagt Scherrer. Mithilfe von Laserstrahlen könne man vom Flugzeug aus Geländereliefs erstellen, um Hügelgräber selbst unter dichter Vegetation zu finden. Georadar und Geomagnetik erlauben es, Mauerreste, Keramikteile und Ähnliches bis zu drei Meter unter die Erdoberfläche zu entdecken. Und Profilbohrungen helfen unter anderem, Altersbestimmungen durchzuführen. Der Archäologe kann freilich nicht Fachmann auf all diesen Gebieten sein. „Doch er muss wissen, welche Experten er zurate zieht, und er muss die Ergebnisse zusammenfassen.“ Grabungen als invasive Methode dienen der Ergebnissicherung oder sind erforderlich, wenn man Funde sichtbar machen will.

Grabungsfirmen, Museen und Unis

Ausnahmen bestätigen die Regel. Elfriede Huber von der Forschungsgesellschaft Wiener Stadtarchäologie weiß, dass im urbanen Umfeld Grabungen meist die einzige Möglichkeit sind. „Wenn alles verbaut ist, hilft ein Georadar nicht viel.“ In der Großstadt geht es auch weniger darum, wertvolle Funde aufzuspüren. „Stadtarchäologen sind gefragt, wenn man etwa bei Bauprojekten feststellen soll, was sich im Untergrund befindet.“ Durchgeführt werden Grabungen meist von spezialisierten Firmen. Rund ein Drittel der 1200 Archäologen, die in Österreich als solche beschäftigt sind, findet in diesen Unternehmen einen Job. Ein weiteres Drittel arbeitet in Museen, Archiven oder Bibliotheken. Und ein Drittel ist an Universitäten oder anderen Forschungseinrichtungen tätig. „Ein Studium ist der einzige Ausbildungsweg“, weiß Scherrer, der auch Leiter des Archäologie-Instituts an der Grazer Uni ist.

Ohne Studium geht gar nichts

„Ohne abgeschlossenes Studium bekommt man vom Bundesdenkmalamt keine Grabungsgenehmigung, die für jedes Projekt erforderlich ist.“ Und in der Wissenschaft geht es ohne akademischen Titel sowieso nicht.

Vier heimische Universitäten bieten Archäologistudien an, jeweils mit Schwerpunkten: Wien (Ur- und Frühgeschichte), Graz (Provinzialrömische Archäologie), Innsbruck (Ur- und Frühgeschichte, Mittelalter und Neuzeit, Provinzialrömische und Vorderasiatische Archäologie) und Salzburg (Vorderasiatische Archäologie). In Wien gibt es zudem Studien mit archäologischen Inhalten wie Ägyptologie oder Keltologie.

Der Stellenmarkt ist, zumindest hierzulande, überschaubar. Nicht wenige retten sich mit Praktika über die Zeit bis zur Fixanstellung oder nehmen an Grabungen im Ausland teil. Wer vergeblich sucht, kommt häufig im Tourismus als Reiseführer unter, einige bei Wissenschaftsmagazinen oder sie geben ihr Wissen in der Erwachsenenbildung weiter. Oder sie werden wissenschaftliche Berater – etwa für Filme wie „Indiana Jones“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.