Kant, Kunst, Gott und die Welt

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Denkertreffen. Die spät- und nachsommerlichen Gipfelrunden in Alpbach und Lech machen heuer Krisen und Möglichkeiten in all ihren Facetten zum Thema. Und die Kunst.

Was würde aus uns allen werden, wenn die Poesie uns nicht hülfe, begreiflich zu machen, wie wenig klar die Dinge sind, die wir klar nennen ...“, schrieb José Saramago in „Das steinerne Floß“. Beim 71. Forum Alpbach wird Ähnliches versucht. Zum Thema „Neue Aufklärung – New Enlightenment“ vom 17. August bis 2. September gesellt sich Kunst in den öffentlichen Raum, die Alpbach „in ein Dorf der neuen Aufklärung verwandeln soll. Keine Behübschung, sondern Vermittlung“, erklärt Forum-Präsident und Ex-EU-Agrarkommisar Franz Fischler. „Künstler haben einen anderen Blickwinkel als Wissenschaftler oder Wirtschaftler, und er ist wichtig.“

So werden Künstler in Arbeitsgruppen ebenso wie ihre Werke im Dorf präsent sein, wird „Das homerische Gelächter“ dreimal täglich zu hören sein oder sich „Pandoras Büchse der verbotenen Wörter“ öffnen. Gleich zur Eröffnung können die Teilnehmer über „Der schwankende Horizont“ – eine Fotoinstallation auf den Glasflächen des neuen Kongresszentrums, dessen Farb- und Schattenspiel sich je nach Lichteinfall verändert – und damit über die Frage, wie der Blickwinkel die Wahrnehmung ändert, wie man etwa Chancen in einer Krise erkennen kann, diskutieren.

Hilft Vernunft gegen Torheit?

Dass es eine Krise gibt, ist klar. Die Frage ist: Wie geht man mit einer globalisierten Welt, in der so viel Torheit herrscht, um? Wie die Mittel der Aufklärung einsetzen, wenn stattdessen nationalstaatliches Denken und Nationalismus boomen, Menschenrechte nicht für alle gelten sollen und kritisches, naturwissenschaftliches Denken gegen stärker werdende Skeptizismen und Ideologien bestehen muss? „Wir müssen die Werte der Aufklärung wieder stärker ins Zentrum politischer Strategien rücken und uns überlegen, welche neuen Elemente wir brauchen“, so Fischler. „In einer globalisierten Welt kann man mit den alten Konzepten allein nicht vernünftig steuern.“ In der Seminarwoche geht es in 16 Workshops mit international besetzten Chairmen und -women dann zur Sache – von Energie über Umwelt, Wirtschaft und Nachhaltigkeit bis zu Religion. In all diesen Punkten „stellt sich die Frage, wie wir mit der EU als Modellfall sein wollen“. Welche Entscheidungen in Brüssel und welche in den Ländern getroffen werden sollen, wird einer der Verhandlungspunkte sein. Das Kant'sche Ideal der Aufklärung löst natürlich nicht alle (Denk-)Probleme: Der Kolonialismus wirkt in Konflikten und Kriegen bis heute nach, ebenso die Ausgrenzung der Frau aus dem Kant'schen Denkformat. Workshops zum Thema Gender, Afrika oder Europas Ethos stehen daher auch auf dem Programm. Die rund 5000 Teilnehmer erwarten heuer übrigens rund 700 Vortragende, insgesamt 200 Veranstaltungen und ein neues Kongresszentrum.

Hilft Philosophie gegen Angst?

In die Berge gehen, zuhören, nachdenken, mit anderen diskutieren und mit neuen Ideen wieder ins Tal steigen – das gilt auch beim Philosophicum Lech. Heuer wird vom 21. bis 25. September über nichts Geringeres als „Über Gott und die Welt“ gesprochen, die existenziellen Fragen wie „Existiert Gott? Darf man diese Frage überhaupt stellen? In welcher Welt wollen wir leben? Was gibt unserem Leben Sinn? Warum Krieg, warum Gewalt, warum Terror? Was können, dürfen wir uns erhoffen?“ von 14 Vortragenden erörtert und diskutiert. Die Sehnsucht nach Verbindlichkeit und Orientierung ist sichtlich groß. „Wir sind mit 700 Anmeldungen an der Kapazitätsgrenze angelangt“ so Sprecherin Lisa-Maria Innerhofer. „Nur an zwei Tagen gibt es noch Plätze.“ Das Philosophicum Lech ist weniger international als das Forum Alpbach, es sind hauptsächlich Österreicher und Süddeutsche sowie Schweizer zu Gast. Auch hier beginnt man mit Kunst – einem philosophisch-literarischen Vorabend mit Michael Köhlmeier. Der Vorarlberger Autor, Sprecher und Musiker gilt gemeinsam mit dem Lecher Bürgermeister, Ludwig Muxel, als Initiator des 1997 in die Welt gesetzten Philosophicums, für dessen heutiges Konzept der wissenschaftliche Leiter, Philosoph Konrad Paul Liessmann, verantwortlich zeichnet.

STIPENDIUM

„Die Presse“ und die Gemeinde Lech vergeben vier Plätze für das 20. Philosophicum Lech an Studenten der Philosophie, Naturwissenschaft, Kultur- und Gesellschaftswissenschaft in den Abschlusssemestern. Bewerbungsunterlagen mit Motivationsschreiben, Lebenslauf und Foto an chefredaktion@diepresse.com, Anmeldeschluss ist der 31. Juli. Weitere Infos:

www.philosophicum.com

www.alpbach.org

www.congressalpbach.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2016)

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