Die Last der Verantwortung

Die Presse
  • Drucken

Was belastet Führungskräfte? Warum? Und wo holen sie sich Trost und Rat? Ein Hernstein-Report über die dunkleren Seiten der Macht.

Konflikte aushalten und lösen, heikle Gespräche über Gehalt und Leistung führen und mitunter Mitarbeiter kündigen – das gehört zum Jobprofil von Führungskräften wie das Gelbe zum Ei. Obwohl es das für die meisten natürlich nicht ist – verständlicherweise können solche Aufgaben an die Nieren gehen.

So fühlen sich auch 70 Prozent jener 800 Manager und Personen mit Führungsverantwortung aus Österreich und Deutschland belastet, die für den Hernstein-Report „Schwierige Führungssituationen“ befragt wurden. Dabei werden mit 37 Prozent die Arbeitsanforderungen am häufigsten genannt, gefolgt von Mitarbeitern mit 26 Prozent und strukturellen Gegebenheiten mit zwölf Prozent. Finanzielles wird mit acht Prozent angegeben.

Eigene Einstellung hinterfragen

Als besonders schwierig werden Kündigungsgespräche empfunden. 59 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen das schwer oder sogar sehr schwer falle, 22 Prozent wählten teils/teils. Dabei gab es Unterschiede zwischen den Ländern: Österreicher fanden die Situation belastender als Deutsche – um elf Prozent. Was tun? „Wenn es darum geht, schlechte Nachrichten wie eine Kündigung zu überbringen, ist es gut zu wissen, dass der Betroffene meist vier Phasen durchlebt: Schock, Verzweiflung, Aggression, Anpassung/Neubeginn“, meint Eva-Maria Ayberck, Leiterin des Hernstein-Instituts für Management. Führungskräfte sollten beachten, dass sie meist einen Informationsvorsprung haben und in der Verarbeitung schon weiter sind. „Den Mitarbeitern Zeit zu geben und auch auf ungewöhnliche Reaktionen vorbereitet zu sein hilft.“ Auch bei Konfliktsituationen mit eigenen Vorgesetzten fühlen sich heimische Führungskräfte belasteter als die deutschen Kollegen (um sieben Prozent), insgesamt fühlen sich 38 Prozent dabei gar nicht wohl in ihrer Haut. Ähnliches gilt für Konflikte mit Kollegen (35 Prozent). „Es ist sinnvoll, bei Problemen die eigene Einstellung zu hinterfragen. Konflikte per se sind nichts Schlimmes oder ganz vermeidbar. Und heikle Gespräche gehören zur Führung dazu“, meint Ayberck. „Sie sind im Grunde nichts anderes als schwierige Verhandlungen. Es hilft, sich gut vorzubereiten: Was will ich erreichen? Zu welchen Zugeständnissen bin ich bereit? Welche Alternativen gibt es? Was wird mein Gesprächspartner vorbringen?“ Am meisten Unterstützung holen sich die Befragten allerdings nicht im professionellen, sondern im privaten Bereich (zu 51 Prozent), bei einem Freund oder der Familie (siehe Grafik). Mit anderen Kollegen in Führungsverantwortung sprechen 44 Prozent, mit der eigenen Führungskraft 37 Prozent. Nur neun Prozent ziehen einen Coach zu Rate, jeweils sechs Prozent nutzen einen unternehmensinternen Mentor oder eine interne Fachabteilung. Dabei gibt es zahlreiche professionelle Angebote. Warum sich Führungskräfte lieber Rat von Kollegen oder im privaten Kreis holen? „Führungsprobleme sind im Kern persönliche Probleme – so wird es zumindest oft gesehen“, meintAyberck. „Man will sich aussuchen, wann und mit wem man spricht und wessen Rat man annimmt.“ Außerdem habe man es in der Hand, wie offiziell die Probleme gemacht würden. Wie hilfreich die Tipps für den beruflichen Alltag wirklich sind, sei dahingestellt. Auch dürfe man nicht vergessen, dass, anders als bei zu Stillschweigen verpflichtender professioneller Hilfe, auch Nachfragen kämen, ob man den Rat auch befolgt habe – mit zusätzlichem Konfliktpotenzial, falls nicht.

Üben, üben, üben

Aber es gibt auch erfreuliche Nachrichten: Nur sechs Prozent empfinden Vorgesetzte und Kollegen, Individuelles und Unternehmensexternes als Belastung. Rekrutierungsgespräche führen 38 Prozent gern, Gespräche mit dem eigenen Team mögen 40 Prozent, solche über Weiterbildung und Karriereperspektiven von Mitarbeitern 35 Prozent. Auch Delegationsgespräche wie Aufgabenverteilung oder Kompetenzregelungen mögen 37 Prozent. Vertragsverhandlungen mit Lieferanten finden 33 Prozent erfreulich. Lieferantenreklamationen fallen 27 Prozent leicht, Kundenreklamationen immerhin 20 Prozent.

In allen Bereichen hilft: „Üben, üben, üben. Am besten in weniger heiklen Situationen“, so Ayberck. Und man solle Konflikte als das sehen, was sie meistens sind: kostenlose Anzeiger dafür, dass Klärungsbedarf besteht.

FÜHRUNGSWISSEN

Der Management-Report des Hernstein-Instituts für Management und Leadership, ausgeführt von Vieconsult, behandelt regelmäßig Themen zu Führung und spezifischer Weiterbildung. Der nächste Report am 10. September widmet sich der Personalentwicklung. www.hernstein.at

(Print-Ausgabe, 23.07.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.