E-Book und Beamer statt Kreide, Tafel und Schwamm

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Unterrichtsprinzip: Papierlos. Ob Schule oder Uni – beliebt bei Generation Z, für Lehrkräfte eine Herausforderung.

Sprachunterricht ohne Papier und Kugelschreiber, ohne ein die Haptik ansprechendes Lehrbuch und ohne Tafel? Nicht jeden begeistert diese Vorstellung. Zwar finden etliche Sprachlehrer inzwischen Gefallen daran, auf digitalen Lernplattformen ihrer Schulen oder Hochschulen Kreuzworträtsel aus neu erlernten Vokabeln zu erstellen, Spiele zu gestalten und Tests automatisationsunterstützt zu korrigieren. Die meisten aber nutzen Plattformen wie Blackboard oder Moodle nur als elektronische Dokumentenablage.

Nicht so Kristina Maddedu. Die Italienisch-Lektorin an der FH Salzburg ist schon vor Jahren auf fast ausschließlich elektronischen Unterricht umgestiegen. „Ganz ohne Papier geht es noch nicht“, sagt Maddedu. „Selbst die jungen Studierenden brauchen ein altmodisches Buch. E-Books sind günstiger, cool und praktisch, aber für Grammatikübungen brauchen sie – und ich – noch Stift und Papier. Digitalübungen werden meistens nicht sorgfältig ausgeführt, sie fallen für viele noch in die Kategorie Spiel.“ Seit fünf Jahren schon sei das Italienisch-Textbuch, das sie im Unterricht verwendet, als E-Book erhältlich. Erst ein Student habe es bisher in dieser Form gekauft. Für die Lehrenden biete diese Version hingegen eindeutig Vorteile: „Ich zeige mein E-Book mit dem Beamer, damit auch die folgen können, die das Buch vergessen haben. Mit einem Beamer kann man Bilder, Videos, Lieder, Karten, Nachrichten et cetera sofort zeigen, auch Ungeplantes.“ Zudem verringere sich der Korrekturaufwand enorm. Und den Studierenden gefalle, dass der Unterricht weniger „schriftlich“ werde, dafür visueller und „mündlicher“.

Die Beobachtungen der Sprachlektorin, dass Studierende, die im digitalen Zeitalter aufgewachsen sind, zwar Gefallen am mehrheitlich elektronischen Unterricht finden, gleichzeitig aber nach wie vor ein gedrucktes Lehrbuch schätzen, ist wenig überraschend für den Usability-Forscher Manfred Tscheligi, Professor für Human-Computer Interaction der Universität Salzburg und Gründer des Forschungszentrums Cure in Wien. „Junge Leute haben auch Lust, manchmal nicht digital zu lesen oder zu kommunizieren.“ Wichtig wäre für Tscheligi, statt Dogmatik einen spielerischen Umgang mit mehreren Methoden zu vermitteln. „Manchmal drücke ich meinen Studenten einen Artikel bewusst auf Papier in die Hand, dann schauen sie mich groß an, und ich bitte sie, ihn wie früher mit einem Stift zu bearbeiten. Gleichzeitig bekommen sie ein PDF davon und sollen den Unterschied in der Arbeitsweise bewusst wahrnehmen.“

Auch Schulen sollten lernen, beide Möglichkeiten neutral zu betrachten. „Es hat keinen Sinn zu negieren, dass unsere Welt auch aus digitalen Inhalten besteht. Wenn Tablets zu Hause herumliegen, soll man sie nicht aus dem Unterricht verbannen, sondern sich damit beschäftigen, was sie können und was sie nicht können. Wichtig ist, dass man einen eigenen Weg findet und sich erarbeitet, was für einen am besten ist, genauso wie man vieles online einkauft, bei manchen Gütern aber doch den realen Supermarkt schätzt.“

Holografie und virtuelle Realität

Über digitale Unterrichtsmittel der Zukunft macht man sich im Zentrum für Angewandte Spieleforschung der Donau-Uni Krems Gedanken. Das größte Potenzial, die Unterrichtswelt zu verändern, hat aus der Sicht von Zentrumsleiter Alexander Pfeiffer die Holografie. Durch projizierte Lichtpunkte auf ein Glasvisier werden virtuelle Objekte in den realen Raum gelegt. In einfachster Form sind solche Augmented-Reality-Anwendungen bereits mit dem Display des Smartphones möglich (wie etwa die Taschenmonster von „Pokémon Go“ zeigen).

Ein wesentlich spektakulärerer Effekt entstehe bei der Verwendung holografischer Brillen. „Stellen Sie sich zum Beispiel die Darstellung eines interaktiven Sonnensystems vor, bei dem man auch den Abstand der Planeten ändern kann und die Auswirkungen sieht. Oder einen Motor, bei dem man leicht die Teile austauschen und schauen kann, was passiert. Spielerischer Unterricht heißt auch Erproben, das geht mit guten Apps für die Holografie-Brillen besonders gut”, sagt Pfeiffer. Die Brillen würden in wenigen Jahren unter 400 Euro pro Stück kosten, dann werde sich wie auch bei Tablets, Laptops und Virtual Reality (VR) die Frage stellen, wer dafür aufzukommen habe.

Potenzial für den didaktischen Einsatz hat auch virtuelle Realität, beginnend bei einem beliebigen Smartphone mit selbst gebastelter VR-Brille bis hin zur Königsklasse – der Kreation virtueller Welten mittels spezieller Hardware, die etwa mit Controllern oder Bewegungssensoren verbunden wird. „Da sehe ich großartige Einsatzmöglichkeiten etwa in Museen oder auf Messen, um Schülern virtuelle Erlebnisräume zu bieten, die nicht so schnell vergessen werden. Ein aktuelles Schaustück der TU Wien simuliert etwa, wie sich das Fliegen anfühlt.“

Aus der Sicht von Pfeiffer brauchte es für die Lehrer und Schulleiter wesentlich mehr Fortbildung, um die Technik, die bereits vorhanden ist oder mittelfristig zur Verfügung stehen wird, zu nutzen. „Für alle, die diese Ausbildung nicht hatten, sollten es Kurse zumindest im Ausmaß von 30 ECTS sein, um die Angst vor dem Medieneinsatz zu verlieren, eine medienwissenschaftliche Einführung zu erhalten, praktische Unterrichtsszenarien durchzuspielen und Eltern und Kindern letztendlich auch Frage und Antwort stehen zu können.” (epi)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2016)

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