Ernste Absichten oder kurzer Flirt? Von der Liebe zur Weisheit

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Diskussion zur Abgeordnetenhauswahl Veranstaltung der Reihe GehtAuchAnders mit einerimago/Christian Ditsch
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Die Welt zu hinterfragen ist nicht nur Berufsphilosophen vorbehalten. Kurse und Workshops laden auch Laien zur Lust am Denken, Argumentieren und Fragen ein.

Es ist kein Zufall, dass der bevorstehende Welttag der Philosophie (alljährlich am dritten Donnerstag im November) von der Bildungsorganisation der Vereinten Nationen ins Leben gerufen wurde. In der Unesco begann man sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Gedanken zu befassen, durch ein allgemeines Philosophieprogramm künftig mehr Freiheit im Denken und Respekt für andere hervorzubringen statt Nationalismus und Engstirnigkeit. Im 21. Jahrhundert hat sich neben Unesco-Lehrstühlen und -Netzwerken für Philosophen das Prinzip etabliert, Philosophie für alle zu fördern, als Basis für eine friedliche, solidarische und für andere Kulturen offene Grundhaltung. Auch in Österreich zeigen Initiativen, wie etwa das Institut für Kinder- und Jugendphilosophie oder die Möglichkeit des Seniorenstudiums der Philosophie an Universitäten, dass es inzwischen auf verschiedensten Levels und in jedem Alter möglich ist, sich mit der Liebe zur Weisheit zu beschäftigen.An den Wiener Volkshochschulen seien Philosophiekurse und -vorträge schon Ende des 19. Jahrhunderts ein fixer Bestandteil des Bildungsangebots gewesen, sagt Erhard Chvojka, Fachreferent für Politik und Gesellschaft der VHS Wien. Seit dieser Zeit gehöre Philosophie zum Programm, die Nachfrage sei in den vergangenen Jahren sehr stabil.

Workshops mit Spaßfaktor

Dazu trage unter anderem das Spezialprogramm Science bei, das die Kooperation zwischen der VHS Wien, den Universitäten und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen Wiens etabliere. „Vortragende wie Konrad Paul Liessmann und andere prominente Vertreter der populären Wissenschaftsvermittlung haben dazu beigetragen, das Fach Philosophie an der VHS Wien fest zu verankern und neues Publikum dafür zu gewinnen“, sagt Chvojka. Für Philosophie wie für das übrige Angebot im geistes- und kulturwissenschaftlichen Bereich interessierten sich Menschen unterschiedlichster sozialer und kultureller Herkunft. Sie sei dort jedenfalls keine elitäre Veranstaltung, sondern ein niederschwelliges Angebot mit breitem inhaltlichen Spektrum, zu dem Grundinformationen über Strömungen der westlichen und asiatischen Philosophie gehörten sowievergleichende Kurse und Vorträge. „Meist werden die Teilnehmenden gezielt zum Diskutieren und gemeinsamen aktiven Erarbeiten der betreffenden Inhalte animiert.“ Sowohl Kurse als auch Einzelveranstaltungen im Bereich Philosophie haben laut Chvojka überwiegend Workshop-Charakter.

Schnittstelle Spiritualität

Auch in den Theologischen Kursen, der ältesten Erwachsenenbildungseinrichtung der römisch-katholischen Kirche, werden immer wieder eigene Formate für Philosophie angeboten. Zeitgenössische Philosophie und Gemeinschaft nennt sich etwa ein Spezialkurs (vergleichbar einem Blockseminar an der Universität), der sich dem philosophischen Interesse an der biblischen Tradition widmet. Hier werden keine Vorkenntnisse vorausgesetzt, dennoch geht der Kurs in die Tiefe und widmet sich insbesondere der Lektüre philosophischer Texte. Im Mittelpunkt stehen zeitgenössische Philosophen, besonders aus dem französisch- und italienischsprachigen Raum, wie etwa Michel Foucault, Jacques Derrida, aber auch etwa Judith Butler oder Agnes Heller. „Es werden jene Passagen aus den Texten der Autoren gelesen und erläutert, die verständlich machen, wieso die zeitgenössischen Philosophen – ohnereligiös zu sein – ein besonderes Interesse an den monotheistischen Traditionen haben und welchen Bezug zu aktuellen Fragen sie darin sehen“, sagt der Kursleiter, Theologe und Lektor für zeitgenössische Philosophie an der Universität Wien, Peter Zeillinger. Zielgruppe sind „Menschen, die sich für Hintergründe und Zusammenhänge interessieren“. Der Kurs wird aktuell im November und Dezember an der Wiener Adresse der Theologischen Kurse am Stephansplatz (Start heute, Samstag – Restplätze sind noch frei) angeboten.

Gespräch im kleinen Kreis

Wer ein eher akademisch orientiertes Diskussionsforum sucht und zudem das Gespräch im kleinen Kreis schätzt, ist möglicherweise bei einer informellen, aber regelmäßig stattfindenden Gesprächsrunde des Instituts Wiener Kreis gut aufgehoben, dem Wissenschaftsphilosophischen Kolloquium, das jeden Donnerstag nach 17 Uhr in der Uni Wien abgehalten wird. Zwar seien die Veranstaltungen nicht wirklich für eine breite Allgemeinheit konzipiert, die Treffen stünden jedoch allen offen und je nach Thema sei es durchaus möglich mitzudiskutieren, wenn man über Philosophiekenntnisse auf Maturaniveau verfüge und sich im jeweiligen Gebiet ein wenig auskenne. De facto werde das Angebot von einem kleinen Kreis genutzt. „Wir sind meist vier bis sechs Personen, nur bei externen Vorträgen manchmal mehr als zehn“, so Christian Damböck, Koorganisator, Moderator und Initiator. Das Institut Wiener Kreis, zu Beginn der 1990er-Jahre als Verein gegründet, widmet sich der Tradition des Wiener Kreises im Bereich der Wissenschaft und Volksbildung. (epi)

AUF EINEN BLICK

Volkshochschulen: „Philosophische Reise – Der Sinn des Lebens (Monty Python)“, „Kapitalismus versus Sozialismus – Die Wirtschaftsphilosophie Josef Schumpeters“, www.vhs.at

Wissenschaftsphilosophisches Kolloquium am Institut Wiener Kreis: www.univie.ac.at

Spezialkurs „Zeitgenössische Philosophie und Gemeinschaft“ der Theologischen Kurse: www.theologischekurse.at

(Print-Ausgabe, 12.11.2016)

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