„Man ist immer in einer Rolle“

Symbolbild Bühne
Symbolbild Bühneimago/Future Image
  • Drucken

Stimmbildung, Kommunikation, emotionale Präsenz: Viele Elemente des Schauspiels lassen sich gezielt für die persönliche Weiterbildung im Business nutzen.

Die Kundin ist sichtlich aufgebracht. „Eine Frechheit ist das, das funktioniert noch immer nicht!“, beschwert sie sich beim Verkäufer. Dieser reagiert souverän und gelassen. Plötzlich ertönt aus dem Off ein „Stopp!“ Und dann: „Jetzt wird die Kundin noch ärgerlicher!“

Eine Szene aus einem Business-Training, bei der Berufsschauspieler in die Rolle des Querulanten, Verhandlungspartners, Chefs, Mitarbeiters oder von wem auch immer schlüpfen – und damit zum Sparringpartner und Feedbackgeber mutieren. Und das „Stopp!“ kam von der Trainerin, Silvia Agha-Schantl. „Auf die Idee bin ich gekommen, als ich einem Teilnehmenden sein Verhalten nach einem Rollenspiel erklärt habe – und er dieses mündliche Feedback nicht konkret nachvollziehen konnte“, erklärt Agha-Schantl. „Da habe ich ihn einfach aus dem Stegreif dargestellt, und dadurch erkannte er sofort, was ich meinte.“ Die Business-Trainerin, Moderatorin und Speakerin arbeitet bei diesen Trainings mit dafür ausgebildeten Business-Schauspielern, die sich diese Rollen ausführlich erarbeiten, „damit das passend rüberkommt und die Zusammenarbeit im Ablauf präzise ist“. Auch ihre Teilnehmer werden schon vor dem Training kontaktiert, „damit ich deren Bedarf kenne, bevor wir mit dem Training beginnen“. Neben dem Wow-Effekt der Unmittelbarkeit und der Umsetzbarkeit im Alltag setzt Agha-Schantl auch auf Nachhaltigkeit. Diverse Angebote sind deshalb an ihrer Online-Akademie als Auffrischung oder Pakete konzipiert, die man sich jederzeit wieder zu Gemüte führen kann.

Person und Rolle

Situationen und Rollen aus dem Business-Alltag nicht nur per Vortrag und Factsheet abzuarbeiten ist auch das Metier von Jenny Simanowitz. Die Pionierin auf dem Gebiet der performativen und kabarettistischen Business-Arbeit in Österreich stammt aus Südafrika und war lange Jahre in London tätig, unter anderem als Dramatherapeutin. Ins Business-Fach wechselte sie als Key-Account-Managerin, später gründete sie ihre Agentur Happy Business in Wien. Angeboten werden Coachings, Workshops und Communication Cabaret. Ein Schwerpunkt dabei ist auch die Sicht der weiblichen Rolle(n) im Business. „Am Anfang eines Seminars sagen viele: ,Ich bin ich, was soll ich da anderes sein.‘“ Dabei ist man „egal, ob im Supermarkt als Kunde, im Büro als Angestellter, auf dem Elternsprechtag als Elternteil, immer in einer Rolle“. Die Frage sei, wie bewusst man sich dessen ist – und wie viel Repertoire man deswegen hat. „Manche Rollen liegen brach, weil sie irgendwann aus Anpassung abgelegt oder verdrängt wurden“, so Simanowitz. „Aber es ist nicht ungewöhnlich, wenn in einem künstlerischen Rahmen ein braver Mensch plötzlich als Bösewicht brilliert oder ein schüchterner als Opernstar aufgeht“. Dass herkömmliche Rollenspiele einen unguten Ruf haben, nimmt sie sehr gelassen. „Alles, was aufgesetzt und unter Druck passieren soll, kann natürlich nicht funktionieren.“ Es gehe nur darum, die starren Rollen einfach einmal sein zu lassen, ein bisschen anders zu agieren. Klare Aufgabenstellungen helfen: etwa eine Präsentation nur in Drei-Wort-Sätzen zu versuchen oder ähnlich ungewohnt Regelbrechendes. „Das lockert auf, und schon hat jeder seinen Spaß.“ Das gelte auch bei Sprech-, Stimm- oder Kommunikationstraining.

Ehrlich oder Fake?

Nicht in gewohnten Rollen zu verharren sei immer die Ausgangslage jedweder Persönlichkeitsentwicklung, meint Stefan Rieder, Abteilungsleiter für Schauspiel an der Open Acting Academy. Mit Fake habe das nichts zu tun „im Gegenteil, man wird authentischer, wenn man sich besser kennt“. Seine Ressourcen zu kennen und zu nutzen, um in einer unsicheren Arbeitswelt besser aufgestellt zu sein, sei vielen jedenfalls ein Anliegen. An der Academy werden sowohl Berufsschauspieler (Diplom) als auch Interessierte (offene Kurse) ausgebildet. Ried sieht die Trainings als Mischung aus Technikvermittlung und „Labor, in dem es Begriffe wie lächerlich oder unpassend nicht gibt“. Es gehe darum, die Hürden im Kopf zu vergessen und das Instrument Körper zu nutzen. Falsch zu singen, andere wüst zu beschimpfen oder gar den Kursleiter zu attackieren – alles ungewohnte Rollen, die einzunehmen sehr verquer dünken. Doch wer seine Stimme bilden, seine Emotionen besser einsetzen oder seine Präsenz verbessern will, kann das nicht nur im Kopf machen. „Um die Komfortzone, den Handlungsspielraum zu erweitern, muss man ausprobieren, lernen und üben“, so Ried.

WEITERBILDUNG

► Business-Training mit Berufsschauspielern, Coaching, Sprech- und Stimmtraining, www.agha-schantl.com

► Open Acting Academy, offene Kurse und Coaching, www.actingacademy.at

Tipp: Gratisschnupperkurse am 4. Dezember zwischen 10 und 17 Uhr

►Happy Business, Communication-Cabaret, Trainings, Workshops, Seminare, www.happybusiness.at

Buchtipp: „Performance Coaching: Kreative Rollen- und Statusspiele im Job. Parkettsicher in und aus der Reihe tanzen“, Beltz Verlag 2016

(Print-Ausgabe, 26.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.