Wie viel Forschung darf's denn sein?

Fachhhochschule Krems.
Fachhhochschule Krems.(c) IMC Fachhhochschule Krems - IMC (IMC Fachhhochschule Krems - IMC)
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Experten aus Hochschule, Forschungsförderung und Wirtschaft trafen sich an der IMC FH Krems, um beim elften FH-Forschungsforum über den Stellenwert und die Aufgaben von Forschung an den FH zu diskutieren.

Im Rahmen des elften FH-Forschungsforums an der IMC FH Krems diskutierten Experten über die Rolle der Fachhochschulen in Österreichs Forschungslandschaft. In seiner Eröffnungsrede forderte Staatssekretär Harald Mahrer angesichts der Entwicklung hin zum Postfaktischen die Hochschulen generell auf, sich mehr in die öffentliche Debatte einzubringen. „Wissenschaftliche Institutionen müssen Stimmen für das Faktenorientierte sein“, wünscht sich Mahrer. Was die Rolle und die Zukunftsperspektiven der FH angeht, so hätten diese vieles richtig gemacht und die drei Prinzipien Exzellenz – sowohl in Forschung als auch in Lehre –, Impact und Offenheit für Neues erfüllt. Die Herausforderung sei die Ausdifferenzierung zwischen FH und Unis. „Nicht jeder kann alles machen“, sagte Mahrer. Ähnlich äußerten sich auch die Teilnehmer der anschließenden Podiumsdiskussion, etwa Henrietta Egerth, Geschäftsführerin der Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), die 2016 mit 15 Millionen Euro mehr Gelder als je zuvor an FH ausschüttete. Generell sei Forschung für State-of-the-Art-Lehre wichtig, allerdings dürfe man Forschung auch nicht romantisieren, sagt Egerth. Die Expertin ist gegen eine harte Differenzierung zwischen Unis und FH.

„Nicht alle FH gleich stark“

„Nicht alle FH sind gleich stark. Einige sind auf Augenhöhe mit den Unis, andere forschen sehr anwendungsorientiert für die Wirtschaft“, sagte Egerth und warnte davor, die FH zu stark auf Einwerbung von Mitteln aus Unternehmen zu drängen. Sie plädierte für einen Wettbewerb der besten Projekte und wünscht sich mehr Geld für kompetitive Forschungsförderung. Reinhart Kögerler, Präsident der Christian-Doppler-Forschungsgesellschaft, der sich selbst als „Universitätsmenschen“ bezeichnet und der Forschung an FH lang skeptisch gegenüberstand, änderte seine Meinung: „Wissensgesellschaft braucht Forschung, nicht nur, um Wissen zu generieren, sondern auch, um es intelligent einzusetzen. Dabei ist es egal, wo diese Forschung stattfindet und ob die Fragestellungen von innen oder außen kommen.“Die FH müssten für Kögerler zumindest grundlagennahe sein, und deren Forschung solle in Kooperation mit Universitäten stattfinden. In diesem Zusammenhang kritisierte er – wie auch andere Teilnehmer – einen gewissen Standesdünkel, der vielfach an den Unis vorherrsche. Zu diesem Punkt meinte Egerth dass es hier wohl Anreize für die Unis – etwa im Rahmen der Leistungsvereinbarungen – bedürfe.

In der Frage, ob Fachhochschulen auch Doktorate vergeben können sollen,sind die Meinungen gespalten. Während der Leiter des F&E-Ausschusses der Fachhochschulkonferenz (FHK), Johann Kastner, auch hier für Pluralität und ein anwendungsorientiertes Doktorat plädierte und auf Beispiele aus Deutschland verweist, sieht Kögerler das Doktorat an den Unis, da an den FH (noch) dienötige Breite der Forschung fehle.

Naturgemäß wurde auch immer wieder die Finanzierung angesprochen. Kastner thematisierte in diesem Zusammenhang die Bewertung der Qualität. Während in der Grundlagenforschung vor allem wissenschaftliche Publikationen zählen, sei in der angewandten Forschung der Impact entscheidend. „FH müssten auf beides achten“, so Kögerler. Als Problem sieht er die rein projektorientierte Forschungsförderung an den FH. Gut funktionierende Forschungsgruppen müssten dadurch reduziert werden, wobei Know-how verloren geht. Um entsprechende Kontinuität sicherzustellen, brauche es daher eine Form von Basisfinanzierung für die Forschung auch an den FH. Eine Forderung, die in unterschiedlichem Ausmaß auch von den anderen Teilnehmern geteilt wurde. Einigkeit herrschte aber auch darin, dass diese nicht in Form einer „Gießkanne“, sondern gezielt, an forschungsaffine FH, ausgeschüttet werden sollte. Dass wohl nicht alle FH diesen Kriterien entsprechen, ist für Kögerler „kein Beinbruch“.

Funktion für Regionen

Betont wurde auch die Rolle der FH in den Regionen, und zwar sowohl als oft einzige tertiäre Bildungsinstitution als auch als Forschungseinrichtung. Laut der zuständigen Sektionschefin im BMWFW, Barbara Weitgruber, seien die österreichischen FH eininternationales Best-Practice-Modell. Die Expertin wünscht sich mehr Einbindung der Zivilgesellschaft an FH-Forschung. Ein Beispiel für eine gelungene Kooperation zwischen FH und Wirtschaft präsentierte Friedrich Scheiflinger, Vice President R&D von Shire. Das Pharmaunternehmen hat – einem Trend zur Auslagerung der Forschung in der Branche folgend – mittlerweile einen Großteil der angewandten Forschung an die FH Krems ausgelagert, entscheidend wären dabei sowohl die Qualität als auch die regionale Nähe gewesen.

Information

Das FH-Forschungsforum ist eine alljährliche Veranstaltung, bei der die heimischen Fachhochschulen ihre Forschungsleistungen präsentieren. Es findet jedes Jahr an einer anderen FH statt. Gastgeber des elften Forschungsforums am 18. und 19. April war die IMC FH Krems. Neben Vorträgen und Diskussionen zur Forschung mit Blick auf die FH haben die FH-Forscher Gelegenheit, sich in fachspezifischen Kleingruppen über aktuelle Projekte auszutauschen und sich zu vernetzen. Ein Highlight des Forschungsforums ist der Best Paper Award, bei dem drei von Fachexperten am besten bewertete Projekte ausgezeichnet werden (siehe auch „Wissen & Innovation“).

www.fh-krems.ac.at/de/forschung/fh-forschungsforum-2017/

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2017)

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