Wenn Wirtschaft strafbar wird

Recht. Die Wirtschaftskriminalität nimmt zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung zu. Zudem sind die Fälle oft sehr komplex und verlangen juristisches wie ökonomisches Know-how.

Bedingt durch eine Reihe spektakulärer Fälle haben Wirtschaftskriminalität und Korruption in den vergangenen Jahren für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Auch wenn die Experten in der Frage, ob das Problem tatsächlich gravierender ist als in der Vergangenheit, uneins sind, so scheint zumindest eines klar: Die Bekämpfung erfordert spezielles juristisches und wirtschaftliches Know-how, das im klassischen Jusstudium nicht abgedeckt wird. Eine Reihe von Weiterbildungsprogrammen schafft hier Abhilfe.

Gestiegene Klagebereitschaft

Thomas Ratka, Leiter des Departments für Rechtswissenschaft und Internationale Beziehungen der Donau-Universität Krems, glaubt nicht, dass die Zahl der Delikte in den vergangenen Jahren zugenommen hat. „Sehr wohl aber die Klagebereitschaft.“ Auch sei die Anklagetätigkeit der Staatsanwaltschaften gestiegen. Zudem wäre vieles früher nicht als strafwürdig eingeschätzt worden. So seien vielen Vorgängen in Unternehmen – etwa wenn der Aufsichtsrat in bestimmte Entscheidungen der Geschäftsführung nicht eingebunden sei – strafrechtlich relevante Sachverhalte.

An der Donau-Uni startet im Wintersemester zum dritten Mal das viersemestrige Masterprogramm Strafrecht, Wirtschaftsrecht und Kriminologie. „Das Studium richtet sich nicht an Juristen, sondern an Ermittlungsbeamte im Innenministerium, aber auch an Mitarbeiter der Staatsanwaltschaften“, sagt Ratka. Angesichts der Tatsache, dass heute die Angeklagten in vielen Verfahren von einer ganzen Armada an Rechtsanwälten vertreten würden, sei es für die Ermittler besonders wichtig, über einschlägiges Wissen zu verfügen.

Laut Ratka handelt es sich um ein umfangreiches, interdisziplinäres Programm, das nicht nur die Praxis der Strafrechtspflege abdeckt, sondern auch Themen wie Compliance, Kriminalprävention, Resozialisierung, Strafvollzug und Jugendstrafrecht. „Das Studium ist zwar wirtschaftlich orientiert, deckt aber auch andere Bereiche – wie etwa Umweltrecht – ab, in denen sich die Täter durch gesetzeswidrige Handlungen wirtschaftliche Vorteile erhoffen“, sagt der Experte.

An der Universität Innsbruck ist kürzlich der erste Jahrgang des L.L.M. „Wirtschaftskriminalität, Korruption und Recht“ über die Bühne gegangen. Wie Bernhard Innerhofer vom Institut für Zivilrecht erklärt, wurde das Programm, mit dem vorwiegend Richter und Staatsanwälte angesprochen werden sollen, in Kooperation mit dem Oberlandesgericht Innsbruck entwickelt. Unter den Teilnehmern des ersten Jahrgangs waren auch Anwälte sowie Bank- und Verwaltungsmitarbeiter.

Als Absolvent wird man jedenfalls in der Lage sein, strafrechtlich relevante Sachverhalte zu erkennen und entsprechend zu agieren. Auf dem Lehrplan stehen externes Rechnungswesen und Jahresabschluss, Insolvenzrecht, Finanzmärkte und Finanzinstrumente, relevante Teile des Steuerrechts und des materiellen und formellen Finanzstrafrechts sowie strafrechtlich relevante Bereiche des Öffentlichen Rechts inklusive Wettbewerbsrecht.

Experten gegen Korruption

Ganz im Zeichen der Korruptionsbekämpfung steht der englischsprachige Master in Anti-Corruption Studies (MACS), der von der in Laxenburg ansässigen Internationalen Antikorruptionsakademie (IACA) angeboten wird. Insgesamt sieben Modulen behandeln – jeweils mit Blick auf Korruption – Ökonomie und Recht, Politikwissenschaft, Psychologie sowie Philosophie und Ethik auseinander. Im Rahmen des vor kurzem stattgefundenen Präsenzteils befassten sich die Teilnehmenden aus 18 Nationen mit nationalen Anti-Korruptionsgesetzen, Korruption und Menschenrechte sowie Korruption unter Sicherheitskräften.

Ist Korruption ein kulturelles Phänomen? Andy Spalding, Vortragender im MACS, sieht das nicht so – auch wenn er einräumt, dass es Ländern gebe, in denen Korruption allgegenwärtig sei und die Bürger diese tolerieren und resignieren. „Trotzdem gibt es weltweit keine Kultur, die vermittelt, dass es gut ist, einen Koffer voller Bargeld unter dem Tisch für Vorteile einzutauschen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2017)

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