Religionspädagogik: Kein verlängerter Arm der Kirche

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Immer mehr Menschen in Österreich sind muslimischen Glaubens oder ganz ohne Bekenntnis. Das hat auch Auswirkungen auf den Religionsunterricht.

Die zunehmende Zahl an Menschen anderen Glaubens stellt den Religionsunterricht vor Herausforderungen. „Der konfessionelle Religionsunterricht hat nicht nur in Bezug auf die eigene Religion hin zu informieren und ein möglichst überzeugendes Angebot an die Schüler zu machen, sondern auch über andere Konfessionen sachgerecht zu informieren und das Gespräch mit diesen zu suchen“, sagt Wolfgang Weirer, Vizedekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz. Ziel des Religionsunterrichts sei es nicht, bestimmte Glaubensüberzeugungen zu übernehmen, sondern begründen zu können, warum man sich eben für oder gegen eine Religion entscheidet. Insofern habe sich das inhaltliche Profil des Religionsunterrichts in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt, „von einem ,verlängerten Arm‘ der Kirche in der Schule hin zu einem Angebot religiöser Bildung, das sich primär als Teil des allgemeinen Bildungsauftrags der Schule versteht“. Ab sofort bietet die Uni Graz deshalb nicht nur religionswissenschaftliche Lehrveranstaltungen über andere Religionen an, sondern in fachdidaktischen Lehrveranstaltungen auch Begegnungsmöglichkeiten mit islamischen Religionspädagogen.

„Der katholische Religionsunterricht macht schon seit Jahren die religiösen Pluralisierungsphänomene zum Thema“, sagt Philipp Klutz, Assistenzprofessor am Institut für Katechetik, Religionspädagogik und Pädagogik der Katholischen Privatuniversität Linz. Ziel sei, einen konstruktiven Umgang mit religiöser Vielfalt zu fördern. Dieser Grundsatz durchziehe sämtliche einschlägige Lehrpläne von der Volksschule bis zu Schulen mit Matura. An der KU Linz studiert man katholische Religionspädagogik als Bachelor- und Masterstudium. Darüber hinaus wird das Bachelorstudium Lehramt Sekundarstufe (Allgemeinbildung) angeboten. Zum angemessenen Umgang mit konfessioneller Diversität gehört laut Klutz nicht nur ein fundiertes Wissen über andere Religionen. „Wir legen insbesondere in den religionspädagogischen Lehrveranstaltungen das Augenmerk auf die Initiierung und Begleitung von Lehr-Lern-Prozessen“, so Klutz.

2009 begann mit dem Reformprozess „PädagogInnenbildung neu“ auch die Überarbeitung der Ausbildung von Religionslehrern. Das bisher an Kirchlichen Pädagogischen Hochschulen (KPH) angebotene Studium Katholische Religion an Pflichtschulen läuft mit dem aktuellen Studienjahr aus. Künftige Volksschullehrer wählen nun einen Schwerpunkt. An den KPH wird unter anderem der Schwerpunkt Religionspädagogik angeboten. Dieser umfasst etwa ein Viertel des achtsemestrigen Bachelorstudiums und kann im Masterstudium für den angrenzenden Altersbereich erweitert werden“, erklärt Elmar Fiechter-Alber, Vizerektor der KPH Edith Stein.

Neues Berufsverständnis

Die veränderte Ausbildung bringe ein neues Verständnis in der Primarstufe mit sich: „Es gibt nicht mehr den reinen Religionslehrer, sondern eine Volksschullehrkraft hat zusätzlich die Befähigung zum Fach Religion. Dadurch kann religiöse Bildung verstärkt interdisziplinär durchgeführt werden.“ Hinsichtlich der interreligiösen Herausforderungen stehe die Fähigkeit im Vordergrund, „aus dem eigenen Profil heraus Begegnungen mit dem anderen zu ermöglichen. Dieses Konzept schlägt sich in der Aus- und Fortbildungs- sowie in der religionspädagogischen Forschung nieder.“

Organisierte Begegnung

In Wien können interessierte Studierende verschiedene konfessionelle Richtungen einschlagen. Das kommt auch den Studierenden der Religionspädagogik an der Uni Wien zugute: „Aufgrund der räumlichen Nähe ergeben sich schon während des Studiums vielfältige Kontaktmöglichkeiten. Durch Kooperationen erhalten die Studierenden zumindest punktuell Möglichkeiten für Auseinandersetzungen mit Vertretern anderer Konfessionen und Religionen“, sagt Andrea Lehner-Hartmann, stellvertretende Vorständin des Instituts für Praktische Theologie. Neben diesen Möglichkeiten der persönlichen Begegnung gibt es die inhaltliche Vertiefung zu anderen Religionen. Dass mit einer Ausbildung nicht alles abgedeckt werden könne, verstehe sich von selbst, bedauert Lehner-Hartmann.

Einen interreligiösen Schwerpunkt bietet die KPH Wien/Krems an. Hier kann man sich in Christentum und Islam, Judentum und alevitischer Religion sowie ab kommendem Schuljahr im Buddhismus aus-, fort- und weiterbilden lassen. Die zunehmende Diversität wirkt sich auf den Religionsunterricht in mehrfacher Hinsicht aus. „Aufgrund demografischer Veränderungen und Säkularisierung werden die Schülergruppen im katholischen Religionsunterricht kleiner. Andererseits wächst angesichts dieser Pluralität in vielen Schulen eine neue Dialogkultur. Lehrer und Schüler berichten davon, dass sie durch die Begegnung mit Kollegen anderer Konfessionen ihre eigene religiöse Welt besser verstehen und ihre religiöse Identität bewusster erfassen können“, beschreibt Sylvia Inou, Leiterin des Instituts Religiöse Bildung – Christliche Konfessionen. Schule bilde Gesellschaft ab, und religiöse Bildung, die Selbstverständnis und Anerkennung des anderen lehre, stärke den Frieden in dieser Gesellschaft, ergänzt Inou.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2017)

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