Ehrenamt: Gratis, aber gar nicht umsonst

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Freiwillige Arbeit in sozialen Einrichtungen bringt nicht nur Pluspunkte fürs Karma, sondern meist auch Zusatzqualifikationen – von informellem Wissen über Soft Skills bis zu Kursen und Seminaren.

Ob Seniorenbetreuung im Pflegeheim, Freizeitgestaltung für behinderte Jugendliche, Besuchsdienste im Krankenhaus oder Suppenausgabe für Obdachlose – die Möglichkeiten zur freiwilligen Mitarbeit in Sozialeinrichtungen sind groß. So unterschiedlich wie die Tätigkeiten sind aber auch die Anforderungen an Ehrenamtliche und der Nutzen, den diese daraus ziehen können. „Für bestimmte Aufgaben braucht es eine sehr gute Vorbereitung. Will man etwa in der Hospizbegleitung arbeiten, sind neben Orientierungsgesprächen auch Ausbildungskurse und Seminare verpflichtend“, sagt Judit Marte-Huainigg, Referentin für Sozialpolitik und Grundlagenarbeit der Caritas Österreich. Im Mittelpunkt der Caritas-internen Ausbildung für Hospizbegleitung stehen Selbstreflexion, ein Grundkurs in Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung sowie ein 40-Stunden-Praktikum, um in die Arbeit hineinzuwachsen. Auch für die Vorbereitung auf Besuchsdienste bei älteren und pflegebedürftigen Menschen bietet die Caritas eigene Kurse an, die die freiwilligen Helfer beispielsweise auch in sozialen Berufen gut gebrauchen können.

Für andere Tätigkeiten wie die Begleitung von Flüchtlingen, die Ausflugsbetreuung von Menschen mit Behinderung oder die Mithilfe bei Veranstaltungen braucht es hingegen keine eigene Ausbildung. Hier zählt auf der Nutzenseite die persönliche Erfahrung. „Am Beginn steht immer ein Gespräch über die Motivation und die gegenseitigen Erwartungen. Dabei wird auch besprochen, wie intensiv die Mitarbeit sein wird“, so Marte-Huainigg. Die Zeiteinteilung ist sehr flexibel, weshalb neben Studenten oder Pensionisten auch Berufstätige mithelfen. Je nach Altersgruppe gibt es immer wieder eigene Programme.

Mitarbeit auf hohem Niveau

Die Motive für ehrenamtliches Engagement in Sozialeinrichtungen sind unterschiedlich. So können beispielsweise junge Menschen auch in soziale Berufsfelder hineinschnuppern. Marte-Huainigg: „Viele wollen etwas Sinnvolles tun, etwas auf die Beine stellen und dazu beitragen, dass es anderen besser geht. Andere machen die Arbeit, weil sie dankbar sind, dass sie selbst es besser haben.“ Auch Klaus Priechenfried, Regionalleiter des Vereins Neustart in Wien, kennt diese Motive aus zahlreichen Bewerbungsgesprächen: „Manche suchen Anschluss an eine Organisation oder wollen den Lebensbereich anderer Menschen kennenlernen. Vielen Leuten macht die unmittelbare Arbeit mit Menschen einfach viel Spaß, vor allem, weil sie auf sehr hohem professionellem Niveau stattfindet.“

Bei dem Programm Neustart arbeiten Ehrenamtliche als Bewährungshelfer – sie begleiten Straffällige und unterstützen etwa bei der Wohnungs- und Arbeitssuche. Für die Klienten besteht kein Unterschied zwischen ehren- und hauptamtlichen Bewährungshelfern – sie übernehmen die gleichen Aufgaben und arbeiten nach der Ausbildung, einer Kombination aus Einschulung und Auswahl, selbstständig.

Soziale Kompetenz gefragt

„Unsere Mitarbeiter lernen zunächst rechtliche Grundlagen der Bewährungshilfe, die Pflichten aller Beteiligten sowie Gesprächstechniken, um etwa mit einem Konflikt entsprechend umgehen zu können“, so der Psychologe. In der Auswahl wird neben der Motivation insbesondere auf Gesprächsfähigkeit, soziale Kompetenz, Offenheit und Vorurteilsfreiheit geachtet. Außerdem sollte die Bereitschaft vorhanden sein, für mehr als drei Jahre die Betreuung von zwei bis fünf Klienten zu übernehmen.

„Ehrenamtliche Mitarbeiter helfen bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Sie sehen, dass Verbrechen mehr ist als eine Zeitungsschlagzeile und tragen dazu bei, dass ehemalige Straffällige weniger ausgegrenzt werden“, so Priechenfried. Vor allem in ländlichen Regionen sei Bewährungshilfe aufgrund der Entfernungen nur mithilfe von Freiwilligen möglich. Etwa ein Drittel der ehrenamtlichen Bewährungshelfer kommt aus der Sozialarbeit oder ähnlichen Berufsfeldern und arbeitet nebenberuflich bei Neustart. Auf diese Weise können sie ihren Wissensstand erweitern.

Für stattgefundene Treffen mit den Klienten erhalten sie eine pauschale Aufwandsentschädigung von 50 Euro pro Monat. Einmal pro Monat treffen sie sich im Team aus ehrenamtlichen und angestellten Mitarbeitern zum Erfahrungsaustausch.

Grundkenntnisse und Motivation

Der Austausch unter Kollegen sei sehr wichtig, sagt auch Christina Fenz. Die 23-Jährige besucht als ehrenamtliche Mitarbeiterin der Österreichischen Kinder-Krebshilfe (ÖKK) regelmäßig krebskranke Kinder und Jugendliche im Krankenhaus. Das Programm basiert auf dem Prinzip „Betroffene helfen Betroffenen“. „Viele der jungen Erwachsenen, die selbst einmal an Krebs erkrankt waren, hätten sich damals gewünscht, jemanden kennenzulernen, der die Krankheit bewältigt hat. Allerdings mussten wir zunächst eine entsprechende Ausbildung aufbauen, denn neben der Fähigkeit, jemanden zu begleiten, braucht es auch gewisse Grundkenntnisse“, sagt Anita Kienesberger, Geschäftsführerin der ÖKK. Der Trainingslehrgang umfasst Selbsterfahrung, Gesprächstechniken aber auch Kenntnisse rund um Tumorarten oder Krankenhaushygiene und kann von ehemaligen Krebspatienten ab 18 Jahren nach einem Bewerbungsgespräch absolviert werden. Besteht Bedarf nach einer Weiterbildung, werden individuell passende Seminare angeboten.

„Bei Ehrenamtlichen ist Supervision oft Mangelware. Man sollte diese Möglichkeit aber unbedingt anbieten beziehungsweise nutzen, weil es guttut, über die Erfahrungen zu sprechen“, so Fenz, die an der Fachhochschule St.Pölten Soziale Arbeit studiert und in ihrer Tätigkeit auch eine Zusatzqualifikation für später sieht. „Die regelmäßige Supervision ist verpflichtend. Das nehmen wir sehr ernst, denn die Arbeit bedeutet auch die Auseinandersetzung und einen sensiblen Umgang mit der eigenen Krankheitsgeschichte“, meint Kienesberger. Dass die Besucher ähnliche Erfahrungen gemacht haben, schaffe dabei eine besondere Beziehung. In den Gesprächen mit den Kindern und Jugendlichen geht es vor allem um Erfahrungsaustausch. Wichtig sei aber auch, dem anderen Mut zu machen, zu lernen und zu zeigen, wie man motivieren kann.

Besondere Form des Lernens

Caritas-Referentin Marte-Huainigg erklärt die besondere Situation: „Freiwillige haben oft eine ganz andere Wirkung auf Klienten als Angestellte. Abhängig von der Qualität der Beziehung entsteht das Gefühl, dass sich die Person für den Klienten interessiert und zwar nicht aus der Profession heraus, sondern rein aus Interesse am Menschen selbst. Das ist sicherlich eine andere Form der Begegnung.“

Dieser Anforderung gerecht zu werden, ist eine besondere Form des Lernens, die sich nicht nur im Lebenslauf gut macht – sondern auch persönlich überzeugt.

Auf einen Blick

Insgesamt arbeiten laut Statistik Austria rund 1,9 Millionen Österreicher unbezahlt in Vereinen und Organisationen.
Je nach Tätigkeit werden Fahrtkosten ersetzt und Aufwandsentschädigungen bezahlt. Drei Beispiele dafür, was man lernen kann:

Caritas Österreich: In Ausbildungskursen und Seminaren werden Themen wie Selbstreflexion oder Trauerbegleitung behandelt. www.caritas.at

Neustart: Hier wird ehemaligen Straffälligen Hilfe geboten. Vermittelt werden in der Vorbereitung unter anderem rechtliche Grundlagen der Bewährungshilfe oder Gesprächstechniken zum Umgang mit Konflikten.
www.neustart.at

Österreichische Kinder-Krebshilfe: Freiwillige lernen in einem Trainingslehrgang Grundlagen rund um Tumorarten oder Krankenhaushygiene, aber auch Selbstreflexion.
www.kinderkrebshilfe.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2012)

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