"Es reicht!"

Die mazedonische Regierung ist stolz auf das niedrige Defizit des Landes. Doch die horrende Arbeitslosigkeit und soziale Probleme zwingen die Menschen auf die Straße.

Die Abendsonne scheint auf den Triumphbogen „Porta Macedonia" nahe dem Hauptplatz von Skopje. Unter ihm versammelt sich eine Gruppe von Menschen. Sie bekleben ein rotes Auto der jugoslawischen Kultmarke „Yugo" mit Informationsbroschüren. Währenddessen kommen mehr und mehr Leute zum Treffpunkt. Am Straßenrand bereiten sie Schilder und Transparente vor. Die Bürgerinitiative „Aman"(leitet sich aus dem Türkischen ab und heißt so viel wie „Es reicht!") hat zum Protestmarsch gerufen, so wie jeden Dienstag Abend. Und wie jede Woche sind einige hundert Einwohner Mazedoniens ihrem Ruf gefolgt.

Mazedonier und Albaner protestieren gemeinsam gegen Arbeitslosigkeit und hohe Preise
Mazedonier und Albaner protestieren gemeinsam gegen Arbeitslosigkeit und hohe PreiseWieland Schneider

Sie sind gekommen, um gegen die hohen Lebenserhaltungskosten zu protestieren. Strom, Gas, Benzin und Lebensmittel sind für viele Bewohner Mazedoniens zu schwer leistbaren Gütern geworden. Alleine Strom kostet die Einwohner Mazedoniens rund 100 Euro monatlich. Das ist viel. Vor allem wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche Monatslohn etwas mehr als 330 Euro beträgt. Und sehr viel, wenn man bedenkt, dass fast ein Drittel der Mazedonier keine Arbeit und somit kein Einkommen zur Verfügung hat.

Die Zahlen Mazedoniens auf makroökonomischer Ebene können sich durchaus sehen lassen, aber dieser Erfolg kommt bei vielen Menschen nicht an. Die mazedonische Regierung ist stolz darauf, dass das Land die Kriterien für einen Beitritt zur Euro-Zone erfüllen würde und die Wirtschafts- und Finanzkrise besser als so mancher EU-Staat meistert. Doch das niedrige Haushaltsdefizit von 2,5 Prozent und der geringe Schuldenstand von 32,4 Prozent des Bruttoinlandproduktes gehen auf Kosten der Sozialleistungen. Und das wollen sich viele nicht gefallen lassen.

Die Proteste im Inneren der mazedonischen Hauptstadt haben vor mehr als einem Jahr begonnen. Anfänglich richteten sie sich gegen Polizeigewalt, nachdem ein Polizist einen 22-jährigen zu Tode geprügelt hatte. Damals wie heute sehen die Demonstranten die Verantwortung bei Premier Nikola Gruevski und seiner Regierungsmannschaft rund um die mazedonische Partei VRMO-DPMNE und die albanische DUI.

Zdravko Saveski, Sprecher von Aman:
Zdravko Saveski, Sprecher von Aman: "Mazedonier und Albaner leiden unter der gleichen Politik"Sebastian Wedl

Insgesamt finden die Proteste in fünf Städten Mazedoniens statt. Neben Skopje unter anderem in der hauptsächlich von Albanern bewohnten Stadt Tetovo. Laut Zdravko Saveski, einem der Organisatoren der Proteste, ist Mazedonien nicht gerade dafür bekannt eine Protestnation zu sein. Darum sind sie mit der Anzahl der Protestierenden sehr zufrieden. Die mehreren Hundert Demonstranten sind keiner spezifischen Altersgruppe zuzuordnen. Großmütter mit ihren Enkelkindern an der Hand beteiligen sich genauso an den Protestmärschen wie Studenten, Jugendliche und Arbeiter.

Vor allem aber schaffen die Proteste etwas, worin die Politik in Mazedonien seit jeher ihre Probleme hat: Sie bringen die verschiedenen Ethnien näher zueinander. Saveski, selbst ein slawischer Mazedonier, sagt: „Diese Initiativen bilden Brücken zwischen Menschen jeder Ethnizität. Wir hoffen, dass wir die Mauern zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen niederreißen können und ich denke, dass wir damit Erfolg haben. Wenn die Menschen zu Protesten wie diesem kommen, dann fühlen sie, dass sie geeint sind und unter der gleichen Politik leiden."

Kritik üben die Demonstranten auch an der Medienlandschaft Mazedoniens, die ihrer Meinung nach in fester Hand von Premierminister Gruevski und seiner Regierung ist. Auch Reporter ohne Grenzen äußerte vergangenes Jahr nach der Schließung von privaten Sendern und Zeitungen ernsthafte Bedenken. Deshalb marschiert die Gruppe von Protestlern dieses Mal am Parlament vorbei zum Gebäude des staatlichen Fernsehens. Sie trägt die Nachricht direkt vor die Haustür des Senders. Denn im Gegensatz zu anderen Medien, berichtet dieser nicht über die Proteste.

"Yugo" schieben gegen hohe BenzinpreiseWieland Schneider

Die Schilder werden verteilt, die Spruchbänder aufgerollt und präsentiert. Langsam beginnt die Menge zu marschieren. An vorderster Front wird der „Yugo" von den Demonstranten geschoben, symbolisch für die immer höheren Benzinpreise. Manche haben ein Megaphon mitgebracht, um ihre Parolen lauter vortragen zu können. Begleitet werden sie von einer überschaubaren Schar von Polizisten, die dem Treiben relativ gelassen zusieht. Die dienstäglichen Proteste sind sie schließlich schon gewöhnt. Und sie werden auch nächste Woche wieder dabei sein, wenn wieder einige hundert dem Ruf von „Aman" folgen werden.

Video vom Protest auf Vimeo:

https://vimeo.com/50205001

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.