Wo Goldkettchen zu Goldbarren werden

Diese Woche waren wir bei Ögussa, der österreichischen Gold- und
Silberscheideanstalt. Geschäftsführer Mag. Marcus Fasching führte uns
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Diese Woche waren wir bei Ögussa, der österreichischen Gold- und Silberscheideanstalt. Geschäftsführer Mag. Marcus Fasching führte uns durch den Standort in Wien-Liesing. Das Goldfieber hat uns beim Besuch nicht gepackt. Aber nachdem wir selbst Goldbarren in Händen gehalten haben, wurde die Faszination Gold, im wahrsten Sinne des Wortes, greifbar.

Die Scheideanstalt Ögussa besteht seit fast 150 Jahren und ist im Wesentlichen ein Materialtechnologieunternehmen. Einen Teil ihres Edelmetallbedarfs beziehen sie über die internationalen Handelsplätze. Der überwiegende Teil wird aber durch den Recyclingkreislauf gedeckt. Gold, Silber und Metalle der Platingruppe werden in jeglicher Form angekauft: Schmuck- oder Industrieabfälle, gebrauchte galvanische Lösungen oder Abwässer. Die Edelmetalle werden in chemischen Verfahren aufbereitet und weiterverarbeitet, oft nach spezifischen Kundenwünschen. Die größten Abnehmer sind Schmuckindustrie und kleinere Goldschmiede sowie die chemische Industrie oder Automobilzulieferer. Auch Banken oder Münzprägeanstalten zählen zu den Kunden der Ögussa.

"Wir vergüten nicht den ideellen Wert"

Am Einlöseschalter der Ögussa in Liesing sowie in sechs weiteren Filialen österreichweit kann jeder seine persönlichen Goldreserven zu barem Geld machen. Seien es Zahngold, Münzen oder alter Schmuck. Ein wenig Material wird dabei auf einen Schieferstein gerieben, dann wird mit verschiedenen Prüfsäuren (z.B. Salpetersäure oder Königswasser) der Goldgehalt festgestellt. Nachdem die Ware auf der Waage gelandet ist, wird nach dem Tageskurs vergütet. Gekauft wird nur der reine Edelmetallwert. Der emotionale Wert, der an einzelnen Schmuckstücken hängen mag, spielt hier keine Rolle.

Bereits am nächsten Tag wird das angekaufte Gold bei etwa 1200 C° in einem Gefäß geschmolzen. Durch verschiedene Schmelzzusätze schlacken unedle Substanzen ab. Bei größeren Kunden wird aus ihrer gesamten Lieferung ein homogener Barren gegossen. Erst durch eine Bohrprobe werden der Anteil und der Reinheitsgrad der verschiedenen Edelmetalle festgestellt. Das Gold wird in einem weiteren Schritt granuliert und mit verschiedenen chemischen Verfahren behandelt bis der gewünschte Reinheitsgrad erreicht ist.


Beim Gießen von Barrengold wird eine abgewogene Menge Feingold in Granulatform in einem Gefäß erhitzt. Es dauert nur wenige Minuten bis es geschmolzen ist. Anschließend wird es in Form gegossen. Die Schlieren, die dabei an der Oberfläche entstehen, sind ein Zeichen der Echtheit. Nach dem Erstarren in kaltem Wasser bekommen die Barren ihre Prägung - das Emblem der Ögussa, Reinheitsgrad, Gewicht sowie eine fortlaufende Nummer. Der Ein-Kilo-Goldbarren hat aktuell einen Wert von ca. 23.000 Euro.

Im Oktober und November 2008 ist die Nachfrage nach Goldbarren bei Ögussa enorm angesprungen. Um lieferfähig zu bleiben mussten Nacht- und Wochenendschichten eingelegt werden. Für Privatkunden waren früher eher kleinere, gestanzte Barren interessant. Seit Ende letzten Jahres werden aber verstärkt Goldbarren zwischen 100 Gramm und einem Kilogramm gekauft - mit einer eindeutigen Investmentabsicht.

Der psychologische Faktor

Gold verfügt neben seiner Schmuck- und Währungsfunktion über einen psychologischen Status, der nicht zu unterschätzen ist. "Es gibt keinen geschichtlichen Moment in dem Gold vollkommen den Wert verloren hätte", meint Fasching und sieht auch aktuell "nichts am Horizont, das Gold entwerten könnte." Gold suggeriert Sicherheit und Beständigkeit. Mit einem Goldbarren unterm Arm lässt sich die Angst vor dem vollkommenen Finanzkollaps besser ertragen.

Goldpreis als Fieberkurve des Wirtschaftsgeschehens


Betrachtet man die Entwicklung des Goldpreises, so gab es zwischen 1995 und 2005 relativ wenig Bewegung. Das lag unter anderem auch daran, dass "Gold als interessante Anlageform totgesagt war", so Fasching. Von 1999 bis 2005 ist der Goldpreis leicht gestiegen. Danach ist er abgehoben. Seit 2005 hat sich der Preis verdoppelt. Ein hoher Goldpreis wird von vielen Beobachtern als ein Indikator für wirtschaftliche Unsicherheit gesehen. Bedenkt man, dass bereits Anfang 2006 die ersten Zeichen der Rezession zu beobachten waren, haben sie wohl nicht unrecht.

Relativ unbemerkt verzeichnete der Goldpreis letzte Woche sein Allzeithoch. Allerdings nicht in seiner Basiswährung, dem US-Dollar, sondern im für den EU-Raum eigentlich interessanteren Euro-Preis - 718 pro Feinunze.

Fotos: (c) Seifert

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