Die Kämpfer von Sitsongpeenong

Reporterin’12 Hannah Stadlober besucht ein Thai-Boxing-Camp: Ein authentisches, wie Besitzer Tim Dharmajiva betont, „keines für Touristen“

Das Gebäude sieht aus wie ein Hotel - und nicht wie eine der bekanntesten Thaibox-Schulen in Bangkok. Weiße Fliesen säumen den Boden, das Zimmer ist dunkel möbliert, durch die großen Glasfenster scheint die heiße Morgensonne.

Im ersten Zimmer laden ein Billard-Tisch und gemütlichen Ledersofas zum Entspannen ein und in der Küche klappert eine Angestellte mit dem Geschirr. Aus dem oberen Stockwerk sind dumpfe Schläge und angestrengte Schreie zu hören.

Die morgendliche Einheit der rund 25 Kämpfer, die im Sitsongpeenong Muay-Thai Camp in der Nähe von Bangkok trainieren, ist bereits im vollen Gange.

Tim Dharmajiva lässt seinen Blick über die Trainingshalle schweifen. „Wir sind ein authentisches Camp, keines für Touristen", sagt er.

Thomas Seifert / Hanna Stadlober

Der muskulöse Mittdreißiger mit dem militärischen Kurzhaarschnitt betreibt das Camp seit zweieinhalb Jahren. Tims Mutter stammt aus Australien, sein Vater ist Thai - und somit Muay-Thai schon immer Teil seines Lebens. Nach 20 Jahren in Australien zog er nach Thailand um sich seinen Lebenstraum zu erfüllen: Ein eigenes Camp zu eröffnen.

Muay-Thai - auch Thai-Boxen genannt - ist Thailands Nationalsport und blickt als solcher auf eine Jahrhunderte alte Geschichte zurück. Ursprünglich wurden noch Schwerter und Speere verwendet; das heutige Muay-Thai ist eine waffenlose Kampfkunst.

Im Sitsongpeenong Camp trainieren insgesamt 15 Thais - einer davon sogar auf Weltklasse-Niveau: Khem ist in seiner Gewichtsklasse der beste Kämpfer weltweit. Der gute Ruf das Camps hat sich mittlerweile auch im Ausland herumgesprochen: Immer wieder bewerben sich Ausländer um einen der begehrten Plätze im Camp. Derzeit sind es zehn, darunter zwei Deutsche, ein Italiener und auch ein Amerikaner.

„Egal ob Thai oder Ausländer, ob Anfänger oder Profi - alle nehmen den Sport sehr ernst", sagt Tim.

Das strenge Regiment von Tim Dharmajiva

Es bleibt ihnen auch nichts anderes übrig, denn der Besitzer führt ein strenges Regime: Tagwache ist um 5 Uhr, von halb 6 bis 7 laufen die Athleten 15 Kilometer im naheliegenden Park und trainieren danach noch eineinhalb Stunden mit den insgesamt acht Trainern im Camp. Am Nachmittag findet eine weitere Trainingseinheit statt, bei der die Thais und Ausländer getrennt voneinander trainieren.

Thomas Seifert / Hanna Stadlober

„So können wir auf individuelle Schwächen und Stärken der Kämpfer besser eingehen", erklärt Tim. Während ein paar ausländische Camp-Teilnehmer oft nur für ein paar Wochen nach Bangkok kommen, trainieren alle Thais im Camp für Preiskämpfe.

Abhängig von der Altersklasse lassen sich im Thaiboxen 4000 bis 400.000 Baht (etwa 100 bis 10.000 Euro) verdienen. Mehr Geld sei derzeit aber in den USA und in Europa zu holen, erklärt Tim. Vor allem in Deutschland, Frankreich und England gewinnt der Sport zunehmend an Popularität während die Thais in letzter lieber Fußball im Kabelfernsehen verfolgen als Muay-Thai Kämpfe im Stadion.

Trotzdem: Der Sport ist fest in der thailändischen Kultur verankert. „Alle Thais sind sehr stolz auf ihren Nationalsport", so der Thai-Australier.

Thai Kämpfer kommen hauptsächlich aus armen Familien, viele von ihnen sind straffällige Jugendliche, die anstatt in die Schule zu gehen lieber kämpfen. Tim weiß, dass er als Camp-Besitzer oft die Rolle des Ersatzvaters einnimmt. Und die anderen Athleten die der erweiterten Familie.

„Für die Jugendlichen ist Disziplin sehr, sehr wichtig," betont der Camp-Besitzer. „Daher betreibe ich das Camp wie eine Militärakademie.Wer sich nicht an die Regeln hält, fliegt."

Wer etwa das Camp verlassen will, muss um Erlaubnis fragen. Auch Mobiltelefone sind nicht erlaubt. Gegen diese Regel hat Dechsakda verstoßen: Der drahtige18-Jährige hatte mit seinem Handy spätnachts stundenlang mit einem Mädchen telefoniert.

Der Junge stammt aus einem kleinen Dorf im Norden Thailands. Ein Thaibox-Kollege hatte Tim auf Dechsakda aufmerksam gemacht, dieser hat ihn dann nach Bangkok geholt. Für Dechsakda ist Muay-Thai eine Möglichkeit, dem Leben im Dorf zu entkommen, Geld zu verdienen.

Die Hälfte des Preisgeldes, das der Junge mit den dunklen Augen verdient, geht an das Camp

„Wir investieren schließlich in unsere Thai-Kämpfer: Wir zahlen ihre Unterkunft, versorgen und trainieren sie", so der Camp-Besitzer.

Die andere Hälfte darf sich Dechsakda behalten. „Ein Drittel davon schicke ich an meine Familie. Sie sind sehr stolz auf mich." Zum ersten Mal im Gespräch lächelt der junge Kämpfer.

Andi Rögners Kampf um 2 Kilos

Während Dechsakda noch vor seinem Durchbruch steht, hat es Andi Rögner bereits geschafft: In den sechs Jahren, die der blonde Deutsche schon in Thailand trainiert, hat er sich einen Namen gemacht in der Branche: Er kämpft in der höchsten Liga.

Thomas Seifert / Hanna Stadlober

„Vor meinem Kampf am Samstag muss ich noch 3 Kilo abnehmen. Deswegen trainiere ich momentan wie ein Wahnsinniger." Spricht's und steigt auf die Waage.

„2 Kilo noch." Der Profi-Thaiboxer ist zufrieden.

Der Kampf in Kambodscha dient als Vorbereitung für seinen großen Wettstreit im November, wenn er in Nürnberg um den Titel des Europameisters kämpfen wird. Er braucht ihn, den Titel: Er wäre das beste Marketing für seine Muay-.Thai-Schule, die der 27-Jährige seit zwei Jahren in seiner Heimatstadt Frankfurt betreibt.

„In dieser Branche musst du Welt- oder Europameister sein - alles andere ist egal", erklärt er und springt in den Ring.

Thomas Seifert / Hanna Stadlober

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