Ein Goldverbot wird es nicht geben

Ein freier Goldmarkt ist gut für den Euro - auch wenn die Rolle der Goldreserven oft massiv missverstanden wird.

Die Angst vor einem staatlichen Goldverbot gehört zu den großen Neurosen der Goldcommunity. Das macht auf den ersten Blick auch viel Sinn. Immer wenn es in der Geschichte brenzlig wurde, griff der Staat nach den Goldreserven seiner Bürger. Besonders auffällig waren die brutalen Goldverbote der Nationalsozialisten, der Kommunisten und anderer diktatorischer Totaler-Staat-Regime. Aber auch in demokratischen Staaten wurden Menschen durch Goldverbote in ihrer Freiheit beschnitten. In den USA zum Beispiel. 

Aber ich glaube trotzdem, dass wir uns vor einem Goldverbot nicht fürchten müssen. Woher aber dieser Optimismus? Immerhin ist die Situation der Staaten derzeit wieder brenzlig, oder?

Ich habe in diesem Blog schon mehrmals erwähnt, dass ich vor allem die ideologische Verbohrtheit sowohl des Pro- als auch des Anti-Gold-Lagers als Problem sehe. Viele sehen vor lauter festgefahrener Meinung die Realität nicht mehr. Und weil im Zentrum dieser geldpolitischen Realität die Zentralbanken stehen - und diese sich beim Gold immer gerne betont kryptisch geben - wird es umso schwieriger, sich auf eine Version zu einigen. Es war auch für mich schwierig, mich vom Pro-Gold-Lager weit genug zu emanzipieren um zu sehen, was die ganze Zeit direkt vor meinen Augen war.

Der Euro und Gold sind gute Freunde

Wer die Welt als Kampf zwischen Papier und Gold versteht, wird dieses Statement für verrückt halten. Ich hatte auch eine Phase, in der ich voll Verachtung auf die Geldscheine geschaut habe, die aus dem Bankomaten kamen. Aber das ist vorbei. Ja, ich halte die Institution einer Zentralbank immer noch für eine relativ plumpe Erfindung, die den Ansprüchen, denen sie vorgibt gerecht zu werden, natürlich niemals gerecht werden kann. Aber das ist eine andere Geschichte. Gott weiß, ob wir noch mal ein anderes System sehen werden. In the long run we're all dead, right? Also konzentrieren wir uns auf das Hier und Jetzt.

Wir leben in Europa heute im Eurosystem - dem wahrscheinlich modernsten Geldsystem derzeit, das zu seinen Vorgängern einige entscheidende Unterschiede aufweist. Da wäre zuerst die klare Trennung zwischen Notenbank und Nationalstaat - die in dieser Form zwar keine vollkommene Unabhängigkeit garantiert; aber schon mehr als beispielsweise bei der Federal Reserve oder gar der PBoC. Auch die Trennung zwischen Gold und Geld ist bei der EZB weiter vorangeschritten als irgendwo anders.

Dieser letzte Satz klingt jetzt counterintuitiv, ich weiß. Aber bleiben Sie dabei! Tatsächlich ist der Goldstandard in Form der Goldbindung des Dollars nur "vorübergehend" aufgehoben. Die Fed bewertet Gold bis heute mit 42,22 Dollar pro Unze. Fix.

Im Eurosystem ist das anders. Da werden die Goldreserven alle drei Monate nach Marktwert bewertet. Die Bedeutung des Goldes in der Reserven-Zusammensetzung des Eurosystems ist deswegen durch den Anstieg des Preises stetig gestiegen und liegt jetzt bei mehr als 60 Prozent - dem gegenüber steht die fallende Bedeutung der "Papierreserven" (die hauptsächlich aus Dollars bestehen.)

Die Schweiz, das halbe Euromitglied

Das Eurossystem verfügt über 41 Prozent alle Zentralbank-Goldreserven der Welt. Aber warum? Gemeinsam mit der Schweiz, die dank der Frankenuntergrenze bereits zu 50 Prozent dem Euro beigetreten ist, hätte man sogar 45 Prozent. Und die Schweizerische Nationalbank hat gerade ihre erste Auslandsfiliale überhaupt eröffnet - in Singapur. Begründung: Bisher musste die Franken-Untergrenze (1,20) in Nachtschichten verteidigt werden. Jetzt übernimmt das ein Team in Asien während wir in Europa noch friedlich schlummern. Sieht so eine provisorische Einrichtung aus? Fehlt nur noch die Euro-Obergrenze und dann dürfen wir die Schweiz schon zum Euroraum zählen. 

(UPDATE: User "Monte Rosa" hat recht, die Schweiz schon zum Euro zu holen ist übertrieben. Ich glaube aber schon, dass die Schweiz den Euro solange bedingungslos unterstützen wird, solange sie irgendwie kann.)

Zurück zum Eurosystem. Die rund 10.000 Tonnen Gold ergeben rund eine Unze pro Eurozonen-Bürger. Ein Zufall? Und wo steht dieses Gold in der "Bilanz der EZB" (Consolidated Financial Statement of the Eurosystem)? Genau: auf Platz eins der Aktiva-Seite.

Weiter im Text...

Wie lautet der erste Satz der "Central Bank Gold Agreements", die vor Euroeinführung von den Euro-Zentralbanken UND der Schweizerischen Nationalbank unterzeichnet wurden - und durch die Drosselung und spätere Einstellung der Goldverkäufe den Bullenmarkt im Goldpreis eingeläutet haben?

Da steht: "1. Gold remains an important Element of international Reserves"

Noch ein Zufall?

Gold ist der "Stoßdämpfer"

Eher nicht, wie wir dem Buch "Mein Geld" von Rudolf Trink entnehmen können. Trink ist nicht irgendwer, sondern seit mehr als 10 Jahren Direktor der "Hauptabteilung Treasury" der Österreichischen Nationalbank und damit zuständig für die Devisen- und Goldreserven zuständig.

Trink schreibt in seinem (im Echo-Verlag erschienenen Buch): "Während Gold ursprünglich für die Geldpolitik von entscheidender Bedeutung war, weil es eine monetäre Rolle hatte, hat es heute Bedeutung als internationale Reserve."

Ok, das wussten wir schon.

Weiter im Text: "Dabei kommt es für die Notenbanken auf die richtige Mischung der verschiedenen Reservewährungen wie US-Dollar, Pfund, Euro etc. und auch des Goldes an. (…) Gold dient nämlich den Notenbanken unter anderem zum Ausgleich von Schwankungen des Dollar-Wechselkurses gegenüber dem Euro und wirkt dadurch wie ein Stoßdämpfer. Wenn der Dollar im Wert gegenüber dem Euro fällt, dann steigt meistens das Gold im Wert gegenüber dem Dollar und umgekehrt."

Interessant, ja? Das "barbarische Relikt" hat also doch noch eine Funktion - mehrere gar? Wow. Wer hätte das gedacht.

Unser Gold gaben wir für Philharmoniker

Trink schreibt auch über die berühmt-berüchtigten Goldverkäufe der Nationalbank rund um die Euroeinführung. Nicht vergessen: diese wurden durch den Anstieg des Preises seitdem qualitativ wett gemacht - und zwar mehrmals. Aber quantitativ nicht, die Tonnenanzahl blieb seit Ende der Verkäufe gleich: sie liegt bei 280 Tonnen.

Trink: "Mit der Reduktion ihrer Goldbestände hat die OeNB schon vor der Einführung des Euro begonnen. Die ursprünglich sehr strenge Bewirtschaftung der Devisen- und Goldbestände nach dem Zweiten Weltkrieg hatte nämlich unter anderem Privaten den Ankauf von Gold in größeren Mengen untersagt. Die Grundidee dahinter war, Gold und die knapp verfügbaren Devisen für nur ganz wichtige Zwecke im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung des Staates zur Verfügung zu stellen. Anlagewünsche von Privaten gehörte nicht dazu. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung konnte man sich später eine schrittweise Freigabe (=Liberalisierung) der vorher eingeschränkten Geschäfte leisten. Damit konnte auch jeder Österreicher frei nach seinen Wünschen Gold erwerben. Diese zusätzliche Nachfrage nach Goldanlagen hätte eine erhöhte Goldeinfuhr aus dem Ausland erfordert. Genau in dieser Zeit hatte aber Österreich ein erhebliches Leistungsbilanzdefizit, das sich durch die zusätzlichen Goldimporte weiter verschlechtert hätte."

Und weiter: "Also wurde das nachgefragte Gold von der OeNB, die ohnedies ihren im Vergleich mit anderen Notenbanken sehr hohen Goldbestand reduzieren wollte, den österreichischen und internationalen Anlegern im Wege der Münze Österreich zur Verfügung gestellt, die mit sehr großem Erfolg ihre neuen Philharmoniker-Goldmünzen verkaufte." 

Nie war der Goldmarkt freier

Und auch dieser Erfolg kam nicht ganz von alleine. Nicht nur haben die Nationalbanken den Goldmarkt stabilisiert indem sie die Verkäufe einschränkten - und Gold für Anlagemünzen zur Verfügung stellten (soweit sie konnten). In der EU wurde zudem jede Form von Mehrwertsteuer auf Gold abgeschafft.

Und zwar mit der "Richtlinie 98/80/EG" mit dem Titel "Sonderregelung für Gold".

Da steht: "Um die Verwendung von Gold als Finanzinstrument zu fördern, sieht diese Richtlinie eine Steuerbefreiung für Anlagegold vor. Zuvor galt auch für Anlagegold die normale Steuerregelung. (…) Die neue Richtlinie beseitigt diese Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten und stärkt gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit des Goldmarkts der Gemeinschaft."

In Österreich war damals der Markt schon weitgehend liberalisiert. Heute haben wir wohl weltweit den offensten Goldmarkt aller Zeiten. Sogar die Kommunisten in China fordern ihre Bevölkerung aktiv dazu auf, Gold zu kaufen! Warum tun sie das? Weil sie es nachher wieder wegnehmen wollen?

Reserven brauchen einen Markt

Kommen wir zur entscheidenden Frage: Selbst wenn es so was wie ein globales Goldverbot gäbe - welchen Wert hätte das Metall in Abwesenheit eines Papiergeldsystems auf Goldbasis? Wozu brauchen die Zentralbanken in so einem System Gold? Als Reserven! Ganz banale Reserven. Und Gold ist die Reserve auf die sich der Markt schon lange vor Auftauchen unserer lieben Zentralbanker geeinigt hat. Aber diese Reserven machen nur einen Sinn, solange es einen Markt zwischen Gold und Papier gibt, der auch durch private Aktivität "bestätigt" wird.

Folgen Sie? Es hat keinen Sinn, das Gold der Menschen zu sammeln, solange das staatliche Papiergeldsyste ohne Goldbindung besteht und funktioniert. Und es funktioniert je besser, desto freier und verbreiteter der private Goldhandel ist.

Ultimativ könnte die EZB oder etwa die SNB sagen: "Uns passt dieser Goldpreis nicht. Wir glauben, der Wert des Metalls wird nicht mehr korrekt reflektiert, wir bieten deshalb XXXX Franken/Euro pro Unze mit dem Plan, zwei Tonnen am Markt zu kaufen."

Oder der von Trink beschriebene Gold-Stoßdämpfer kommt zum Einsatz, weil der Dollar crasht.

Unwahrscheinliche Szenarien? Vielleicht. Aber meiner Meinung nach wahrscheinlicher als ein Goldverbot. Dagegen gibt es auch noch viele andere, simplere Argumente. Aber auch vor dem Hintergrund der "furchtbaren Buchverluste" der Zentralbanken durch den "Goldpreiszerfall" ist es mir ein Anliegen, ein bisschen zur Lichtung des verwirrenden Goldreserven-Waldes beizutragen.


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